Chronische Massenkrankheiten – wie kann die Epidemie gestoppt werden?

In Deutschland gibt es 35 Millionen Menschen mit Bluthochdruck, 7 Millionen Diabetiker, 23 Millionen Menschen leiden unter chronischen Schmerzen

50 Prozent der Männer und 43 Prozent der Frauen erhalten heute im Lauf ihres Lebens eine Krebsdiagnose. Besonders alarmierend ist die Zunahme der psychischen Erkrankungen. Von Gesundheitspolitikern und bürgerlichen Medien wird es als Selbstverständlichkeit dargestellt, dass es chronische Massenkrankheiten gibt – und dass sie zunehmen. Sie vertuschen damit die wesentlichen Ursachen dieser Epidemie.

Massenkrankheiten – gab es die nicht schon immer?

Massenerkrankungen sind massiert in der Bevölkerung auftretende Krankheiten. Sie entstanden historisch aus der Zusammenballung von Menschen in Städten in Verbindung mit einem niederen Stand der Medizin und der Umwelthygiene.

So konnten sich Seuchen wie die Pest, Pocken oder Massenvergiftungen durch Getreidebrand oder aus Abwässern der Manufakturen entwickeln. Mit der kapitalistischen Industrialisierung breiteten sich Armuts-Infektionskrankheiten wie die Tuberkulose aus. Die unmenschliche Schufterei in den Fabriken und Gruben führte zu schwerem körperlichen Verschleiß und Verkrüppelung. Schon 1845 beschäftigte sich Friedrich Engels in „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ mit der Alkoholsucht. Sie wurde von den Kapitalisten gezielt unter den Arbeitern gefördert, um den proletarischen Klassenkampf zu schwächen1.

Sprunghafte Veränderungen seit dem II. Weltkrieg

Nach dem II. Weltkrieg kam es auf allen Gebieten der Medizin zu enormen Fortschritten. Seuchen wie die Pocken konnten ausgerottet werden. Mit Antibiotika konnten früher tödlich verlaufende Infektionskrankheiten geheilt werden. Besonders im sozialistischen China gelang es unter der Losung „Dem Volke dienen“, eine neue Qualität der Medizin im Dienste der Massen zu entwickeln.

Der staatsmonopolistische Kapitalismus bildete sich heraus mit der Verschmelzung von Monopolen und Staat und der Unterordnung des Staates unter die Monopole. In dieser Zeit wurden auch über 50.000 Chemikalien neu entwickelt und überwiegend unkontrolliert in die Umwelt freigesetzt. Zug um Zug unterwarfen sich Monopolkonzerne Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Aus Profitgründen produzieren sie mehr und mehr Nahrungsmittel, die industriell mit Zucker, tierischen Fetten und Chemikalien vermischt sind.

Dazu kommt die Verbreitung von Suchtmitteln, wachsender psychischer Stress, zunehmende sitzende Tätigkeiten und chemische und atomare Emis­sionen. Daraus entwickelten sich die heute dominierenden chronischen Massenkrankheiten als Dauer­erscheinung. Der vielfach durch die bürgerlichen Medien geprägte Begriff „Zivilisationskrankheiten“ ist eine historische Verfälschung. Warum soll ausgerechnet die Zivilisation eine Krankheitsursache sein? Zivilisation bedeutet, dass die Menschheit sich in einem Prozess der Höherentwicklung von Wissenschaft, Technik, Produktion und Kultur befindet. Damit verbesserten sich sprunghaft die Möglichkeiten zur Bekämpfung und Ausrottung der „alten“ wie der neuen Massenkrankheiten. Auf der Grundlage von Kreislaufwirtschaft und erneuerbaren Energien wäre heute ein gesundes und kulturvolles Leben in Einheit mit der Natur für jeden Menschen möglich. Aber das weltweit allein herrschende internationale Finanzkapital verhindert dies: Die internationalen Übermonopole zerstören in ihrer gnadenlosen Schlacht um die Weltmärkte und zur Erzielung von Maximalprofiten systematisch und allseitig die Lebensgrundlagen der Menschheit. Dazu gehört auch die Vermarktung von Massenkrankheiten durch einseitige „Reparaturmedizin“, statt diesen wirklich vorzubeugen und ihre Ursachen zu beseitigen.

Eine erneute qualitative Verschärfung in der Entwicklung der Massenkrankheiten erfolgte mit der Neuorganisation der internationalen kapitalistischen Produktion und dem beschleunigten Übergang in die globale Umweltkatastrophe seit den 1990er-Jahren. Land für Land eroberten die internationalen Agrar-, Lebensmittel- und Handelsmonopole den Weltmarkt und errichteten internationale Produktionsverbünde. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft wird zurückgedrängt, die Ausplünderung der Rohstoffe mit giftigen Methoden sowie der Giftmüllexport forciert. Millionenstädte mit extremer Luftverschmutzung entstanden in den meisten Ländern. Dadurch wurden die neuen chronischen Massenkrankheiten zur internationalen Erscheinung.

Ein weltweites Problem

Übergewicht und die ab einem Körpermasseindex über 30 vorliegende Krankheit Adipositas2 liegen in Deutschland bei 67 Prozent der Männer, 53 Prozent der Frauen und 20 Prozent der Kinder vor. In den neokolonial abhängigen Ländern verhungert weiterhin alle fünf Sekunden ein Kind, und die alten Seuchen wie Malaria, Cholera oder Tuberkulose grassieren. Gleichzeitig breiten sich neben diesen „alten“ Seuchen die gleichen chronischen Massenkrankheiten aus wie in den Stammländern des Imperialismus. 2006 wurden in Südafrika, einem neuimperialistischen Land, 10 Millionen Diabetiker gezählt3. Gleichzeitig breitet sich dort seit den 1980er-Jahren eine bis dato völlig unbekannte Infektionskrankheit aus: Aids (HIV). 5,5 Millionen Südafrikaner sind infiziert – 300.000 Südafrikaner sterben jährlich an dieser Krankheit4. Die Spuren des Ursprungs von HIV führen zum US-Pentagon, das in den 1960er-Jahren die Produktion einer biologischen Virus-Waffe in Auftrag gab zur gezielten Zerstörung des menschlichen Immunsystems.5

Neue, vor allem in den Industrieländern auftretende Krankheiten, sind das Chronische Müdigkeitssyndrom, das Fibromyalgiesyndrom (Weichteilrheuma), die Multiple Chemikalienunverträglichkeit (MCS) und das chronische Reizdarmsyndrom. Hier werden die Beziehungen zur chronischen Volksvergiftung bereits wissenschaftlich klar erkennbar: Umweltschadstoffe behindern die Energiebereitstellung in den Zellen, stören die Entgiftung des Körpers, werden mit Hormonen verwechselt oder stören die Botenstoffe, mit denen das Gehirn arbeitet. Sie führen zu einem schleichenden chronischen Entzündungsprozess in allen Organsystemen.

Der Darm als größte Kontaktfläche zur Umwelt beherbergt 70 Prozent unseres Immunsystems. Ungesunde und schadstoffhaltige Ernährung belastet damit nicht nur den Darm, sondern das ganze Immun- und Nervensystem. Schadstoffe aus Industrieanlagen und fossilen Kraftwerken, Müllverbrennung, Fracking und extraktivem Tagebau, Verkehr und Gebäudeheizung verunreinigen die Atemluft in Form der gefährlichen Feinstäube; sie schlagen sich auch auf Wasser und Boden nieder. Dadurch gelangen sie in die Nahrungsmittelkette: Pflanzen werden von Tieren gefressen, diese dann vom Menschen verzehrt. Bei jedem Schritt kommt es zu einer höheren Schadstoffkonzentration – vor allem im fetthaltigen Nervensystem und der Muttermilch. Auffällig ist seit Ende des letzten Jahrzehnts die Verschiebung der Betroffenheit von psychischen Erkrankungen von Arbeitslosen auf Berufstätige.6 Degenerative Erkrankungen des Nervensystems wie Demenz und Parkinson betreffen zunehmend die ältere Generation.

Mindestens 3,3 Millionen Tote jährlich durch Feinstäube – davon 2 Millionen allein in Indien und China7 – sind eine Anklage gegen die mutwillige Vergiftung von Mensch und Natur im Kapitalismus. Die kapitalistische Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion setzen skrupellos Gifte ein – so das Monsanto-Pestizid Glyphosat. Bei einer Reihenuntersuchung von über 2.000 Personen wiesen mehr als 75 Prozent bedenkliche Konzentrationen auf.8

Verbreitet ist der Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung. Inzwischen werden hier sogar die sogenannten Reserveantibiotika verwendet, die eigentlich für Intensivstationen reserviert sind – als letzte Waffe im Kampf gegen die zunehmenden lebensgefährlichen Infektionen durch multiresistente Keime!9

Haben wir alle „falsch gelebt“?

Sich bewusst und möglichst gesund zu ernähren und zu leben, ist Verpflichtung für jeden Menschen – und auch möglich. Laut dem Weltkrebsbericht von 2014 wären 50 Prozent der Krebserkrankungen durch eine gesunde Ernährung vermeidbar. Schon 30 Minuten Sport jeden Tag wirken antidepressiv und helfen im Kampf gegen Krebs.

Dass in Deutschland pro Kopf und Jahr im Durchschnitt 44 Kilogramm Zucker (Kinder 50,9 kg) sowie 11 Liter purer Alkohol konsumiert werden und 30 Prozent der Erwachsenen rauchen, erfordert intensive Aufklärung – und Kritik: Gegen eine verbreitete und in der Werbung geförderte Mentalität, kleinere Mengen seien unproblematisch. Oder gegen die Auffassung, die kritische Infragestellung von Süchten sei eine Einschränkung der persönlichen Freiheit nach dem Motto: „Das bisschen Spaß sollte doch noch erlaubt sein“.

Eine konsequente Aufklärung und gesellschaftliche Gesundheitsprävention findet in unserer Gesellschaft nicht statt. Lächerliche 0,25 Prozent geben die deutschen Krankenkassen für Prävention aus, bei einem Gesamt-Jahresumsatz 2013 im Deutschen Gesundheitswesen von 315 Milliarden Euro! Die Folgen sind gewaltige Kosten für die Gesellschaft, die den Konzernen Profit bringen – ein schlagendes Beispiel für den Widersinn der kapitalistischen Profitwirtschaft!

Die Umstellung auf eine gesunde Lebensweise erfordert oft die Überwindung antrainierter Gewohnheiten. Für diese Selbstveränderung braucht es solidarische gegenseitige Hilfe. Die Suche vieler Menschen nach einem gesunden Leben wird mit der Vermarktung irreführender Diäten und „Light“-Produkte missbraucht. Hier durchzublicken und neue Strukturen zu schaffen (zum Beispiel Einkaufsgemeinschaften, Bildungsveranstaltungen, Gesundheitsberatung, Kochkurse für Kinder und Jugendliche), ist heute eine wichtige Aufgabe der Arbeiter- und Volksbewegung geworden. Diese Anforderung diskutiert die MLPD derzeit ihm Rahmen ihrer Parteitagsvorbereitung, die Wohngebiets- und Umweltgruppen der MLPD stellen sich dieser Problematik. Hier muss auch die Auseinandersetzung stattfinden, dass es „absolut gesund“ und „absolut krank“ nicht gibt. Nur in Verbindung mit der Förderung der gesunden Anteile kann eine chronische Krankheit zurückgedrängt oder gar besiegt werden!

Was ist zu tun?

Das Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung ist gestiegen, und die Kritik an diesem Widersinn wächst. Mit der individuellen Vorsorge ist es allerdings nicht getan. Der Kampf für gesundes Essen gerade in Schulen und Kindergärten, aber auch in den Betrieben und Altenheimen, ist eine wichtige gesellschaftliche Frage. Zahlreiche Initiativen und Beispiele zeigen, dass gesundes und leckeres Kantinenessen möglich ist. Notwendig ist der gemeinsame Kampf für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, für die Einschränkung der krank machenden Nacht- und Schichtarbeit, für eine gründliche und kostenlose Gesundheitsvorsorge, Betreuung und Behandlung und um gesunde Arbeits- und Lebensbedingungen. Zunehmende Massenproteste wie die Demonstrationen „Wir haben es satt“, „Marsch gegen Monsanto“, Proteste gegen Flug-/Autobahn- oder Bahnlärm usw. greifen insbesondere die Gesundheitsfrage auf und führen einen Kampf gegen Faktoren chronischer Erkrankungen. Im Kampf gegen Giftmüll unter Tage und Gesundheitsbelastungen am Arbeitsplatz stehen die Belegschaften der internationalen Konzerne weltweit an vorderster Front. Dabei rückt das allein herrschende internationale Finanzkapital mehr und mehr als Hauptgegner ins Visier.

Das kapitalistische Gesundheitswesen macht Gesundheit und Krankheit zur Ware, die Gesundheitspolitik der Regierung bedient die Maximalprofite der Konzerne. Die gesellschaftlichen Verhältnisse im Kapitalismus sind „tödlich erkrankt“ und bedürfen einer grundlegenden Alternative. Deshalb führt die MLPD den Kampf um die Gesundheit als notwendige Schule des Paradigmenwechsels mit der Perspektive der internationalen sozialistischen Revolution! Sich organisieren in den Selbstorganisationen der Massen, in der MLPD oder ihrem Jugendverband REBELL – das stärkt die Kräfte, die Zuversicht und Perspektive einer von Ausbeutung von Mensch und Natur befreiten Gesellschaft!

Dr. Günther Bittel, Umweltpolitischer Sprecher der MLPD

 

1 Friedrich Engels, „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ 1845

2 BMI (Body Mass Index): Körpergewicht in kg geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern (Norm 19-25)

3 „Die Welt“ vom 12.02.2011

4 www.gesichter-afrikas.de/gesundheit-in-afrika/hiv-aids-in-afrika/hivaids-in-suedafrika.html

5 Segal, Segal, Klug: „Aids ist besiegbar“, MNW

6 de.statista.com/themen/1318/psychische-erkrankungen/

7 Berechnung der Max-Planck-Gesellschaft www.mpg.de/153030/chemie

8 Mitteilung der Heinrich-Böll-Gesellschaft vom 04.03.2016

9 Fernsehmagazin plusminus, ARD, vom 11.5.2016,

10 „Katastrophenalarm!“, S. 325

 

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