Tarifverträge sind Verträge und kein Selbstbedienungsladen!
Es ist eine Unsitte geworden, dass die Kapitalisten Tarifverträge mit Öffnungsklauseln unterlaufen können, wenn „wirtschaftliche Probleme“ geltend gemacht werden. Wobei Rücksicht immer heißt, Verzicht und Einschränkungen tariflicher Lohnerhöhung hinzunehmen. Aber was sind denn die sogenannten „wirtschaftlichen Probleme“, auf die dann die Arbeiter und Angestellten Rücksicht nehmen sollen? Wenn Konzerne wie VW aufgrund ihrer kriminellen Abgas-Machenschaften Strafen zahlen und weniger Autos verkaufen. Oder wenn ein Stahlkonzern ins Hintertreffen gegenüber anderen Stahlmonopolen im weltweiten Vernichtungskampf kommt. Internationale Monopole haben ohnehin kein Problem, Gewinne und Verluste im Konzern hin- und herzuschieben – und Verluste da auszuweisen, wo es am meisten bringt. Oder wenn sich Manager verspekulieren. Oder, oder …
Wenn eine Arbeiterfamilie wirtschaftliche Probleme bekommt – durch Niedriglöhne, steigende Mieten, Lebensmittel oder aufgrund von schweren Erkrankungen bei der Frau, den Kindern. Oder wenn jemand ein Pflegefall wird und der Lohn nicht mehr ausreicht. Gibt es dann Sonderregelungen? Werden dann die Boni-Zahlungen von Managern einbehalten? Nein, dann heißt es: Pech gehabt.
Bei der diesjährigen Tarifrunde war es eine zentrale Forderung der Metallunternehmer, die Möglichkeit der Unterschreitung von Tarifverträgen durchzusetzen. Das haben sie auch weitgehend geschafft. Dafür haben die Metaller – 750 000 beteiligten sich an Warnstreiks – nicht gekämpft! Dass dies in der öffentlichen Wahrnehmung kaum bekannt wurde, liegt an den Monopolverbänden und der rechten Gewerkschaftsführung, die darüber beide nicht offen sprechen. Die IG-Metall-Spitze setzt damit den verhängnisvollen Weg des sogenannten „Pforzheimer Abkommens“ von 2004 fort, wo erstmals solche Öffnungsklauseln vereinbart wurden.
Verkauft wird das den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern mit dem Pseudoargument, dass sonst noch mehr Kapitalisten aus der Tarifbindung austreten. Aber was soll das für eine Bindung sein, wenn die Kapitalisten gar nicht mehr gebunden sind? Es ist eine Schande, dass von der rechten Gewerkschaftsführung diese Praxis mitgemacht wird. Obwohl jedem klar ist, dass damit die Tarifverträge zu Makulatur werden.
Sonderregelungen erhöhen nur die Profite und haben noch nie einen Arbeitsplatz gesichert. Diese Sonderregelungen müssen wieder verschwinden. Das geht nur im Kampf, der als notwendiger tariflicher und politischer Kampf geführt werden muss.
Andrew Schlüter
Mitglied im Zentralkomitee und Landesvorsitzender der MLPD Ost