„Keine Einzige mehr“ – weltweit Massendemonstrationen gegen Gewalt an Frauen
... aus Protest gegen die Vergewaltigung und Ermordung der 16-jährigen Lucia Pérez. Ihr Motto: „Wenn unser Leben nicht zählt, dann arbeitet ohne uns.“ Die Bewegung griff auf weite Teile Lateinamerikas über. Der Kampf gegen Gewalt an Frauen ist zu einem Herzstück der weltweiten kämpferischen Frauenbewegung geworden! Sie rufen: „Keine Einzige mehr!“
Die Bewegung Keine Einzige mehr politisiert die internationale kämpferische Frauenbewegung – und gibt ihr eine zuvor ungekannte Breite. Steinigungen, Beschneidung, Vergewaltigung als Kriegswaffe, Kinderheirat, Pornographie, Zwangsprostitution, Stalking, Prügel, Bedrohung, Mord, (Internet-)Mobbing, sexistische Attacken … Gewaltkultur – in den unterdrückerischen Klassengesellschaften und allen Weltreligionen sind die unterschiedlichen Formen der Unterwerfung der und Gewalt an Frauen alltäglich. Und anscheinend: das Selbstverständlichste der Welt. Dagegen werden Frauen aller gesellschaftlichen Schichten und unterschiedlicher Weltanschauung aktiv! Die 2. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen erklärte im Frühjahr 2016 entschlossen: Wir wollen und werden eine Gesellschaft aufbauen, in der Frauen nicht mehr ausgebeutet, unterdrückt und diskriminiert werden. Das Frauenbewusstsein ist weltweit enorm gewachsen.
Von Marx bis zur MLPD
Karl Marx und Friedrich Engels analysierten als Erste die Klassengesellschaft als systemische Ursache für Gewalt an Frauen: den untrennbaren Zusammenhang zwischen der Ausbeutung der Arbeitskraft der Menschen und der unbezahlten Aneignung des Gebrauchswertes der Arbeit der Frau in der Familie durch die bürgerliche Staats- und Familienordnung. Daraus schlussfolgerten sie: „Die Gesellschaft kann sich selbstredend nicht befreien, ohne daß jeder einzelne befreit wird.“1
1917 entstand mit der Sowjetunion das erste sozialistische Land der Welt. Eine revolutionäre Gesetzgebung und Verfassung ebneten der Befreiung der Frau den Weg. Riesenschritte zur Befreiung der Frau wurden Realität. Davon konnten Frauen selbst in den „fortgeschrittensten“ bürgerlich-demokratischen Gesellschaften noch jahrzehntelang nur träumen. Doch 1936 wurde die Verfassung geändert, und eine der ersten Bastionen, die untergraben wurde, war der Kampf um die vollständige Emanzipation der Frau. Das war in dieser Frage eine grundsätzliche Abkehr vom Marxismus-Leninismus.
Im Aufbau des sozialistischen China wurden bis zum Tod Mao Zedongs wichtige Schlussfolgerungen gezogen: Die KP Chinas legte besonderen Wert darauf, dass die Befreiung der Frau von Ausbeutung, Gewalt und Unterdrückung auch das Werk der Frau sein muss. Während der Kulturrevolution organisierten sie sich in Chinas Frauenmassenverband und führten Massenkampagnen durch. Schon gängig war die Losung: „Alles, was ein Mann kann, kann eine Frau auch.“ Sie wurde nun auf brisante Weise revolutionär ergänzt: „Alles, was eine Frau kann, kann auch ein Mann!“ Damit stellte der Sozialismus die jahrtausendealte Moral und Tradition infrage, nach der die niedrigere gesellschaftliche Stellung der Frau naturbedingt sei. Die gesellschaftliche Realität der Befreiung der Frau machte erneut Riesenschritte vorwärts. Zunichtegemacht wurden sie durch die Restauration des Kapitalismus in China nach Maos Tod.
Von der Prägung, Unterdrückung von Frauen habe nichts mit dem Klassenkampf zu tun, waren auch die kommunistische und Arbeiterbewegung nicht frei. Immer wieder wurde die Erkenntnis von Marx und Engels verdrängt, dass die Befreiung der Frau und der Kampf gegen Gewalt an Frauen wesentliche Aufgaben der Revolutionäre sind.
Die MLPD hob Mitte der 1990er-Jahre mit der Streitschrift „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau“ den marxistisch-leninistischen Standpunkt zur Befreiung der Frau aus der Versenkung – und entwickelte ihn für die heutige Zeit schöpferisch weiter. Sie wertete die ersten Jahre einer erfolgreichen praktischen Frauenarbeit aus und entfaltete seither eine allseitige marxistisch-leninistische Frauenarbeit. Das war eine entscheidende Grundlage für die Wiederbelebung der kämpferischen Frauenbewegung in Deutschland. Im Vorwort schreiben die Autoren: „Bei aller Radikalität gelang es der kleinbürgerlichen Frauenbewegung allerdings höchstens, die Realität der gesellschaftlichen Ungleichheit von Frauen und Männern ins Bewusstsein zu rücken und der Gesellschaft einige Reformen abzutrotzen. Sicher hat sie auch dazu beigetragen, dass das Selbstbewusstsein vieler Frauen gewachsen ist und dass eine Reihe gesellschaftlicher Tabus aufgebrochen werden konnten. Zu einer tatsächlich gesellschaftsverändernden Rolle war der kleinbürgerliche Feminismus aber nie in der Lage. Stattdessen hatte er eine desorganisierende Wirkung auf die kämpferische Frauenbewegung“. Die MLPD wurde zur Wegbereiterin einer neuen kämpferischen Frauenbewegung in Deutschland. Und zur Ideengeberin für den Prozess der überparteilichen Weltfrauenkonferenzen auf der Basis gleichberechtigter Zusammenarbeit. International setzt sie sich dafür ein, dass die Organisationen der revolutionären Weltorganisation ICOR die überparteiliche Weltfrauenkonferenzbewegung fördern. In den letzten 20 Jahren begeisterten sich so Zehntausende Frauen für eine tatsächlich überparteiliche und internationalistische Zusammenarbeit in der Frauenbewegung, am Gedanken des länderübergreifenden Zusammenschlusses der Basisfrauen der Welt oder für die marxistisch-leninistische Theorie zur Befreiung der Frau.
Eine kämpferische Weltfrauenbewegung entstand. Diese prägt frauenpolitische Highlights wie die mittlerweile elf Frauenpolitischen Ratschläge und die Weltfrauenkonferenzen der Basisfrauen. Der überparteiliche Frauenverband Courage ist zugleich Mutter und Tochter der kämpferischen Frauenbewegung in Deutschland und hat wesentlichen Anteil an den Frauenkampftagen wie dem 8. März, dem 1. Mai und dem 25. November.
Herausragende Leistungen ...
Die erleben wir inzwischen weltweit im Kampf gegen Gewalt an Frauen:
Im Oktober 2016 nahm der Kampf gegen die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs eine neue Qualität an. In Polen kämpften die Frauen mit großer Entschlossenheit. Sie sehen dies als Teil eines Kampfs gegen eine „kulturelle Konterrevolution“. Hunderttausend Menschen beteiligten sich am Generalstreik. Die erzreaktionäre Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) unter Jaroslaw Kacynski zog Anfang Oktober den Gesetzesvorschlag hektisch zurück.
* Jeden dritten Tag wird in Italien eine Frau von einem Mann umgebracht, häufig sind es Beziehungstaten. Vania Vannucchi und Sara Di Pietrantonio wurden von ihren Ex-Partnern mit Benzin überschüttet und verbrannt. In Italien sammelte sich der Protest dagegen unter dem Begriff „Femminicidio“2. Die engagierte Parlamentspräsidentin Laura Boldrini wurde vom Chef der Lega Nord als „Aufblaspuppe“ bezeichnet, Vergewaltigungsaufrufe gegen sie kursieren im Netz. Gleichzeitig müssen italienische Frauenhäuser und Hilfseinrichtungen aus Geldmangel schließen!
* In Deutschland gingen nach den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht 2015/16 Tausende Frauen und Männer gegen Gewalt, Sexismus und Rassismus auf die Straße. Prägend daran beteiligt waren das Kämpferische Frauenbündnis Köln, die MLPD und der Frauenverband Courage. Sie ließen keinen Zweifel aufkommen an ihrer Verurteilung der Gewalt an Frauen – kämpften mit hohem Bewusstsein aber auch gegen die Hetze gegen Flüchtlinge und die Verschärfung der Asylgesetzgebung! Das hat die kämpferische Frauenbewegung erweitert, vergrößert und die Verbindung mit der kämpferischen Flüchtlingspolitik gestärkt.
* Jahrelang kämpften die Frauen des Frauenverbands Courage gegen die staatliche Unterdrückung ihres Verbandes. Staatliche Behörden wollten sie unter der Flagge des Inlandsgeheimdienstes – genannt „Verfassungsschutz“ – mit dem Entzug ihrer Gemeinnützigkeit dazu zwingen, ihre Überparteilichkeit aufzugeben und Frauen der MLPD aus dem Verband herauszuhalten. Nun haben sie vor dem Finanzgericht Düsseldorf einen beachtlichen Erfolg erzielt: Der Vorsitzende Richter erklärte, den Behauptungen des Verfassungsschutzes fehle es an Beweiskraft! Damit bricht das antikommunistische Argumentations-Kartenhaus zum Entzug der Gemeinnützigkeit weitgehend zusammen – und die Macho-Schlapphüte haben eine empfindliche Schlappe erlitten.
Gegen „den“ Mann?
Alle diese Kämpfe zeichnen sich dadurch aus, dass nicht der Mann „an sich“ zum Problem erklärt wird Es wird differenziert gegen patriarchale Gesetze, frauenfeindliche Traditionen und Moralvorstellungen gekämpft, und ebenso differenziert gegen deren Verursacher und Träger.
Tatsächlich haben 25 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen Gewalt durch Partner erlebt. Die führende kleinbürgerliche Feministin Alice Schwarzer meint zu dieser gravierenden gesellschaftlichen Problematik: „Mit dem blauäugigen Import von Männergewalt, Sexismus und Antisemitismus gefährden wir nicht nur unsere eigene Sicherheit und Werte; wir tun auch diesen verrohten jungen Männern unrecht, die ja nicht als Täter geboren sind.“ 3 Doch Sexismus ist kein „arabisches Problem“ und lediglich nach Deutschland „importiert“! Allein während des Oktoberfests in München werden jedes Jahr rund 100 Frauen vergewaltigt! In Köln wurde die sexistische Aggression, die auf der ganzen Welt Alltag ist, nur an die Oberfläche geschwemmt! Über Jahre hinweg hat die Bundesregierung sich geweigert, die entsprechenden Strafgesetze zu verschärfen. Dass Männer gewalttätig werden gegen Frauen, ist Ausdruck der realen Geschlechterverhältnisse, über die Friedrich Engels urteilt: „Er (der Mann) ist in der Familie der Bourgeois, die Frau repräsentiert das Proletariat“.4
Als der Vorsitzende einer nepalesischen kommunistischen Partei von der machohaften Bedrohung einer Teilnehmerin der 2. Weltfrauenkonferenz durch ein Mitglied seiner Partei erfuhr, berief er umgehend eine Parteiversammlung ein: Der Mann wurde sofort aus der Partei ausgeschlossen. Zugleich unterstützte er damit einen ernsthaften Lernprozess. Der Vorsitzende fuhr unverzüglich zu der jungen Frau und entschuldigte sich persönlich. Die betroffene Frau stammt aus dem arabischen Raum. Dass Männer sich bei Frauen entschuldigen, war für sie sehr ungewohnt. Sie überwand ihre Scham – und gerührt nahm sie die Entschuldigung an.
Frauenfreundliche Regierung?
Zehn Monate vor der Bundestagswahl will die Regierung den Eindruck erwecken, dass die Belange der Frauen bei ihr in guten Händen seien. Doch die Bundesregierung schweigt zur Gewalt an Frauen. Sie schweigt auch zu den Millionen an Vergnügungssteuer, die sie aus der Prostitution kassiert! Sie schweigt zur Finanzierung von Frauenhäusern, während die Betreiberinnen seit 40 Jahren um Geld betteln müssen.
Sie schweigt allerdings nicht, wenn es darum geht, Leistung von Frauen zu fordern: Frauen sollen Arbeit, Familie, Pflege von Angehörigen unter einen Hut bringen, bis zum erhöhten Rentenalter arbeiten usw.
Die revolutionäre Alternative bietet die MLPD. Sie kandidiert zusammen mit anderen Organisationen auf einer internationalistischen Liste. Diese Liste schließt fortschrittliche, demokratische, antifaschistische, linke Kräfte ein – in engster Zusammenarbeit mit der kämpferischen Frauenbewegung und für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen.
Fester Bestandteil der Frauenarbeit der MLPD ist die Förderung überparteilicher Selbstorganisationen der Frauen. Frauen aller Schichten sind von einer besonderen Unterdrückung betroffen. Sie brauchen eigenständige Organisationen, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken, sich gegenseitig zu helfen und für ihre Belange einzutreten. Auch gegen Gewalt an Frauen kann man nur organisiert vorgehen. Stück für Stück wird das Bewusstsein für die gesellschaftlichen Ursachen der besonderen Unterdrückung der Frau wachsen. Und umso mehr wird der Kampf um die Befreiung der Frau in Einheit mit der Arbeiterbewegung und allen Unterdrückten geführt werden.
Bürgerliche Familienordnung und Ausbeutung der Arbeitskraft sind im Kapitalismus untrennbar miteinander verbunden. Sie sind der Nährboden für die Gewalt an Frauen. Beides muss revolutionär überwunden werden. Durch eine sozialistische Gesellschaft.
Frauenabteilung der MLPD
1 „Anti-Dühring“, 1878, Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 273
2 In etwa „Frauenausrottung“
3 Gastkommentar von A. Schwarzer, Die Welt, 7. 1. 2016, Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 170