Neue internationale Strukturkrise kündigt sich an

Die Umstellung der Pkw-Produktion weg von den umweltschädlichen Verbrennungsmotoren auf Elektromotoren geht schneller voran als von den deutschen Automobilkonzernen wie VW, Daimler usw. geplant. Auch die mächtige Erdölbranche hängt an der fossilen Verbrennung wie der Teufel an der armen Seele. Sie alle wollten so lange wie möglich am Diesel und den Benzinern festhalten, weil sie in diese Technologie sehr viel investiert haben und darin auf dem Weltmarkt führend sind

Der aufgedeckte systematische Betrug der gesamten Branche mit ihren nach unten manipulierten Abgaswerten hat VW in eine tiefe Krise gestürzt. Das fördert zusätzlich eine rasche Abkehr von den überholten Verbrennungsmotoren. Der Aufstieg neuer Automobilproduzenten wie des US-Konzerns Tesla, der massenhaft Elektroautos und Batterien produzieren und verkaufen will, stachelt die Konkurrenz an. Neuimperialistische Länder wie China und Indien wittern die Chance, mit der Produktion von Elektroautos den Weltmarkt zu erobern. Sie wollen die Vormachtstellung der Automobilkonzerne der alten imperialistischen Staaten brechen. Ihre Städte ersticken zudem in Smog und Schadstoffen – Umweltproteste bis zu aufstandsähnlichen Zuständen setzen die Regierungen unter Druck.

Der Wettlauf, wer bei den Elektroautos die Nase vorn hat, verstärkt den gnadenlosen Verdrängungswettbewerb um die größten Anteile am Weltmarkt.

Die Zahl der weltweit zugelassenen Elektro-Pkw war 2015 mit 1,3 Millionen noch gering. Doch die Zuwachsraten sind enorm. Die Produktion stieg 2015 um 68 Prozent auf 550 000 Fahrzeuge. Den höchsten Zuwachs verzeichnete China mit über 200 000 Neufahrzeugen. Das liegt auch daran, dass China dringende Schritte gegen die verheerende Umweltverschmutzung einleiten muss. Die USA führen im Bestand mit über 400 000 E-Fahrzeugen. Deutschland liegt mit 55 250 zugelassenen E-Autos abgeschlagen auf einem der hinteren Plätze.1

Die IG Metall-Führung behauptet, die Umstellung auf E-Autos würde die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie sichern. Ihr 1. Vorsitzender Jörg Hofmann arbeitet in der von der Regierung und den Monopolverbänden 2010 ins Leben gerufenen „Nationalen Plattform Elektromobilität“ an führender Stelle im „Lenkungskreis“ mit. Ziel der deutschen Autoübermonopole ist, mit staatlichen Fördergeldern in Milliardenhöhe weltweit zum „Leitanbieter“ und „Leitmarkt“ für Elektrofahrzeuge aufzusteigen. Diese staatsmonopolistische Einrichtung behauptet mit dem Segen der IG Metall-Führung: „Deutschland sichert durch Elektromobilität das hohe Niveau der Beschäftigung entlang der gesamten Wertschöpfungskette.“2

Sicher werden für den Bau von Elektromotoren, Batterien usw. neue Werke gebraucht. Dafür fällt die Produktion von Motoren, Getrieben, der Abgasnachbehandlung usw. weg. Das bisherige Verkehrs- und Transportsystem, das Tankstellennetz, Raffinerien, ein großer Teil der Ölproduktion würden überflüssig. Das alles wird eine gewaltige Kapitalvernichtung zur Folge haben, die Neueinsteiger wie Tesla, die nie Verbrennungsmotoren produziert haben, allerdings nicht trifft.

„Ein normaler Verbrennungsmotor hat rund 1400 Teile im Antriebsstrang, der Elektroantrieb nur 210 Teile.“3 Noch krasser ist das Verhältnis nach Angaben des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von BMW, Manfred Schoch, bei der Produktion der Motoren: „Ein Achtzylindermotor hat 1200 Teile, die montiert werden müssen, ein Elektromotor nur 17 Teile.“4 Betriebsräte in der IG Metall befürchten, dass von den 800 000 Arbeitsplätzen in der deutschen Automobilindustrie einschließlich der Zulieferer 250 000 gefährdet sind, über 30 Prozent. Vor allem in den Motoren- und Getriebewerken, aber auch darüber hinaus.5 Bezogen auf die weltweit rund neun Millionen Automobilarbeiter sind das 2,7 Millionen gefährdete Arbeitsplätze.

Da die Elektromotoren weniger verschleißen und einfacher sind in der Wartung, fallen auch Tausende von Arbeitsplätzen in den Werkstätten weg. Die Auswirkungen werden auch die Stahlarbeiter treffen. BMW baut ein Elektroauto mit einer Karosserie aus Carbon, was über 300 Kilogramm an Stahl einspart. Bis 2030 wollen Indien, China, aber auch die USA, die EU und Japan die Produktion weitgehend auf Elektroautos umstellen. Eine gnadenlose Vernichtungsschlacht auf dem Rücken der Industriearbeiter und der breiten Massen kommt in Gang.

Die Lösung für die Arbeiterklasse kann nicht darin liegen, die umweltschädigende Produktion von Verbrennungsmotoren fortzuführen, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich würde weltweit Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen. Statt Verbrennungsmotoren zu bauen, können Hunderttausende von Automobilarbeitern umgeschult werden auf die Produktion umweltfreundlicher Nahverkehrsmittel. Das Kernproblem ist die auf die Erzielung von Maximalprofiten ausgerichtete kapitalistische Produktionsweise, der die Arbeitsplätze und die Umwelt geopfert werden. Ohne eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung ist es nur sehr eingeschränkt und nur vorübergehend möglich, den technischen Fortschritt im Interesse der Erhaltung von Mensch und Natur zu gestalten.

 

1 Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg

2 Wegweiser Elektromobilität Juni 2016

3 www.golem.de, 5. 12. 2011

4 www.sueddeutsche.de, 13. 9. 2016

5 www.sueddeutsche.de, 28. 11. 2016

 

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