VW-„Zukunftspakt“ – Plan mit fatalen Folgen
Bei der Kollegenzeitung „Vorwärtsgang“ – dort arbeiten auch Genossinnen und Genossen der MLPD mit – sieht man das ganz anders: „Es wurde noch keiner der Verantwortlichen im Aufsichtsrat oder Vorstand für die kriminellen Machenschaften zur Rechenschaft gezogen. Dafür wollen sie die Krisenlasten auf uns und die Bevölkerung abwälzen. Das können wir nicht kampflos hinnehmen“, so eine Extra-Ausgabe vom 21. November.
Am 18. November traten VW-Chef Matthias Müller, der Vorsitzende des Konzern- und Gesamtbetriebsrats Bernd Osterloh, der Personalvorstand Karl-Heinz Blessing, VW-Markenchef Herbert Diess und Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil gemeinsam vor die Presse, um den „Zukunftspakt für VW“ vorzustellen. Kein Wort dabei zur Aufklärung, kein Wort der Entschuldigung oder gar Einsicht!
Was bringt der VW-Pakt?
„Wir bauen mehr Autos mit weniger Leuten“ – so VW-Markenchef Herbert Diess2. Dazu will er 23 000 der 125 000 VW-Arbeitsplätze in Deutschland, 5000 in Brasilien und 2000 in Argentinien vernichten. Ziel: Steigerung der Arbeitsproduktivität um 25 Prozent und zusätzlich jährlicher Profit von 3,7 Milliarden Euro. Dieser Pakt ist nichts als eine verschärfte Ausbeutungsoffensive. Er ist Teil der Abwälzung der Krisenlasten auf die Kommunen mit VW-Standorten, auf die Käuferinnen und Käufer von VW-Autos, auf die Steuerzahler und die Umwelt. Der Ausschluss „betriebsbedingter Kündigungen“ bis 2025 ist schlicht eine Lüge. 5700 Leiharbeitern droht ab sofort die Kündigung! „Die Leiharbeiter sind doch keine Arbeiter zweiter Klasse. Sie gehören zu uns, und dabei muss es bleiben“ – so wie dieser VW-Kollege aus Hannover denken viele.
Viele Kolleginnen und Kollegen können sich die vom Vorstand ins Spiel gebrachte Altersteilzeit nicht leisten. Sie müssen sich auf massiven Druck und Mobbing einstellen. Das droht auch denen, die an andere Standorte versetzt werden sollen. Die Erfahrungen nach der Schließung des Opel-Werks in Bochum zeigen: Wer nicht geht oder auf Druck selber kündigt, bekommt die Kündigung. Wenn sich der Vorstand mit seinen Plänen durchsetzt, stehen zusätzlich 20 000 bis 30 000 Beschäftigte bei den Zulieferern vor dem Aus.
Was VW wirklich treibt
Um Primus auf dem Weltmarkt zu werden, setzte der VW-Konzern voll auf die Diesel-Strategie. Diese hat er noch als „Clean Diesel“ grüngewaschen. Damit hatte er zunächst Erfolg und überholte Toyota als Nummer eins auf dem Weltmarkt. Möglich war dies nur mithilfe der kriminellen Manipulation der Abgas- und Verbrauchswerte sowie dem damit verbundenen Betrug an den Käufern und der Zerstörung der Umwelt. Nach Enthüllung der Machenschaften vor rund einem Jahr steht der VW-Konzern vor den Scherben seiner Strategie. Die Profite von VW werden durch Strafzahlungen, Kosten für Rückrufe, Aktionärsklagen usw. auf Jahre gravierend geschmälert. Analysten rechnen mit einem Gesamtvolumen von bis zu 50 Milliarden Euro.
Das ist ein schwerer Schlag im Kampf um die Weltmarktführerschaft. Denn inzwischen haben ausländische Konkurrenten in den USA und vor allem in China bei der Entwicklung alternativer Antriebstechnologien einen Vorsprung. Nicht Umweltschutz, sondern nackte Profitangst treibt die VW-Bosse zum verstärkten Einstieg in die E-Mobilität.
Abwälzung der Krisenlasten
Im Frühjahr 2016 hat die MLPD eine Broschüre herausgebracht: „VW-Krise – wie Automonopole mit Hilfe des Staates Milliardenprofite durch höchst kriminelle Machenschaften einstreichen“. Die MLPD hat sich von Beginn an mit der Bundesregierung und dem VW-Konzern angelegt. Alle Analysen und Schlussfolgerungen der Broschüre haben sich voll bestätigt.3 Inzwischen hat sich die VW-Krise weiter vertieft: Viele deutsche Hersteller und Zulieferer wie Bosch sind an den kriminellen Machenschaften beteiligt. Immer neue Seiten der Rolle der Bundesregierung, vor allem ihres Verkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU), kommen ans Licht. In den Belegschaften und unter den Betroffenen verbreitet sich: „Die Verursacher sollen die Folgen der Krise bezahlen.“ Daran haben die MLPD und ihre Betriebsgruppen Anteil.
Durch die Manipulationen sind weltweit mindestens elf Millionen Käuferinnen und Käufer getäuscht und betrogen worden.4 Dadurch haben ihre Autos erheblich an Wert verloren, zum Teil 30 Prozent. Doch nur in den USA hat VW bislang Entschädigungen von je nach Modell 5000 bis 10 000 US-Dollar gezahlt. Minister Dobrindt hat persönlich im Herbst 2015 ein Gesetz für Sammelklagen verhindert: „Lehnen wir ab!!! Komplett streichen!“ – sicher nicht ohne Rückendeckung von Angela Merkel.
Der VW-Vorstand hat bislang Rückstellungen von 16,7 Milliarden Euro für Strafzahlungen gebildet. Sie werden in der Bilanz als „Verluste“ ausgewiesen, um so Steuern zu sparen. Was ist das anderes als indirekte Steuerhinterziehung? Kein Arbeiter kann seine Strafzettel für zu schnelles Fahren von der Steuer absetzen! Allein in Wolfsburg sind die Steuereinnahmen von 2014 auf 2015 um 200 Millionen Euro gesunken. „Wir müssen dafür höhere Parkgebühren und höhere Preise für die Freibäder zahlen“, berichtet eine Frau aus Wolfsburg.
Seit 2009 hängt die Höhe der Kfz-Steuer für Erstzulassungen auch vom CO2-Ausstoß ab. Aber die tatsächlichen Verbrauchswerte – für Diesel und Benziner – liegen durchschnittlich 42 Prozent über den Angaben der Hersteller! Das enthüllte der internationale Umweltforscher-Verbund ICCT im November.5 Müssen jetzt die Autofahrer diesen Betrug mit einer Neueinstufung der Kfz-Steuer bezahlen? Vor allem bedeutet das 42 Prozent mehr CO2-Ausstoß! Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur sterben jährlich 467 000 Menschen vorzeitig an „schlechter Luft“.6
Warum wird das Verursacherprinzip außer Kraft gesetzt?
Die Vorstände bei VW haben sich in den letzten sechs Jahren 400 Millionen Euro an Boni genehmigt. Kritikern gegenüber rechtfertigen sie solche Summen gerne mit der großen „Verantwortung“, die sie angeblich tragen. Warum ist dann noch kein einziger dieser Verantwortlichen persönlich haftbar gemacht oder strafrechtlich verfolgt worden?
Man muss kein Revolutionär sein, um zu merken, dass hier etwas grundlegend faul ist. Normales bürgerliches Rechtsempfinden wie das Verursacherprinzip wird über Bord gekippt. „Die hier ansässigen internationalen Übermonopole, die zum allein herrschenden internationalen Finanzkapital gehören, haben sich den Staat vollständig untergeordnet und die Organe des Monopolkapitals sind mit den Organen des Staatsapparates verschmolzen. Sie haben ihre allseitige Herrschaft über die gesamte Gesellschaft … errichtet“7, so erklärt die MLPD in ihrem Programm die Situation.
Stets zu Diensten: Regierung, Behörden und rechte Gewerkschaftsführung
Verkehrsminister Alexander Dobrindt ist oberster Chef des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Das KBA ist verantwortlich für die Zulassung von Fahrzeugen. Es prüft aber nicht selber, sondern vergibt die Messungen an technische Dienste wie den TÜV. Der wiederum wird für die Zulassungsprüfungen von den deutschen Autoherstellern bezahlt.
Am 7. Juli hat der Bundestag einen Untersuchungsausschuss zu den „Manipulationen bei der Abgasbehandlung von Dieselfahrzeugen“ eingesetzt. Wer denkt, hier wird endlich untersucht, aufgeklärt oder gar zur Rechenschaft gezogen, täuscht sich. Die Hauptaufgabe des Ausschusses sieht dessen Vorsitzender Herbert Behrens von der Linkspartei vor allem darin, „der Verunsicherung vieler Verbraucher entgegenzuwirken.“8 Keine der im Bundestag vertretenen Parteien traut sich wirklich, dem allmächtigen VW-Konzern etwas entgegenzusetzen!
Und die rechte Gewerkschaftsführung und Betriebsratsspitze? „Wir haben den Zukunftspakt geschlossen, um Volkswagen wieder auf den Erfolgskurs zu bringen … (und) uns an die Spitze der Industrie (zu) setzen!“9 – damit begründet der Betriebsratsvorsitzende Osterloh seine Zustimmung. Vom VW-Vorstand verlangt er einen Plan zur Überwindung der angeblichen Verluste in ausländischen Betrieben. Damit fordert er als Präsident des Weltkonzern-Betriebsrates – mehr oder weniger offen – die Vernichtung der 7000 Arbeitsplätze in Brasilien und Argentinien. Das ist blanker Sozialchauvinismus statt der eigentlich geforderten länderübergreifenden Solidarität. Im Aufsichtsrat deckten die IG Metall-Vertreter die kriminellen Machenschaften. Allen voran der ehemalige IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber. Der hatte im September 2015 den damaligen VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn von jeder Schuld freigesprochen, noch bevor irgendetwas untersucht war. Diese Politik der Klassenzusammen- arbeit zulasten der Beschäftigen und der Umwelt muss sofort aufgekündigt werden! Die Beschäftigen bei VW brauchen die IG Metall als Kampforganisation.
Kann man gegen VW ankommen?
Der VW-Pakt wird von der großen Mehrheit in den Belegschaften abgelehnt. Das Zukunftsprogramm des Kasseler VW-Widerstandskomitees stößt auf viel Zustimmung – innerhalb und außerhalb des Betriebes. Inzwischen gibt es in mehreren VW-Städten solche Komitees. Ihr Ziel: den Kampf der VW-Belegschaften mit dem Kampf der Bevölkerung zu verbinden; aktiv Widerstand zu leisten gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen – für den Erhalt der Arbeitsplätze und Schutz der Umwelt!10
Aber viele haben noch Zweifel, ob man sich gegen den Konzern durchsetzen kann. Der VW-Konzern ist das siebtgrößte internationale Übermonopol mit Sitz in Deutschland. Es hat Produktionsstandorte in 21 Ländern. Mit seinen Ausbeutungsprogrammen legt der Vorstand sich mit über 610 000 Beschäftigten auf der ganzen Welt an. Seine größte Angst ist deshalb, dass die Beschäftigten ihre Spaltung überwinden und sich über Ländergrenzen hinweg zusammenschließen.
Die Internationale Automobilarbeiterkoordination hat Verbindungen und Kontakte zu VW-Kolleginnen und -Kollegen in Europa, Lateinamerika und Asien.11 Die sind ein Trumpf zur Koordinierung des Kampfs gegen die Pläne des VW-Vorstandes. Darüber hinaus können sich die Automobilarbeiter auf die uneingeschränkte Unterstützung der ICOR verlassen, in der sich weltweit 50 revolutionäre Parteien und Organisationen für den Kampf um den Sozialismus zusammengeschlossen haben. „Wir haben überzeugende Argumente. Wir sitzen am längeren Hebel: Prevent zeigt, wie anfällig VW für Produktionsausfälle ist“, schreibt der „Vorwärtsgang“.
Viele Menschen sind unzufrieden mit der ganzen gesellschaftlichen Entwicklung, erwarten immer weniger von den bürgerlichen Parteien und suchen nach einem gesellschaftlichen Ausweg. Mit der Gründung eines „Internationalistischen Bündnisses“ ist eine tatsächlich fortschrittliche Alternative entstanden. Die MLPD arbeitet dabei mit. Das Bündnis ist die Antwort auf den Rechtsruck der Regierung und solche Konzernmachenschaften, die von allen Bundestagsparteien mehr oder weniger gedeckt werden. Es bietet eine politische Plattform – auch für Kämpfe der Arbeiterklasse.
VW-Vorstand in der Defensive
Mit seinem „Zukunftspakt“ versucht der Vorstand aus der Defensive zu kommen. Statt ihm dabei zu assistieren, müssen die Belegschaften, die VW-Käuferinnen und -Käufer und die Menschen in den Kommunen ihre Rechnung aufmachen:
* Strafrechtliche Verfolgung und Haftung aller Verantwortlichen inklusive ihres Privatvermögens für die kriminellen Abgasmanipulationen!
* Alle verantwortlichen Politiker in EU, Bundes- und Landespolitik, die in die Machenschaften verwickelt sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden!
* Sofortiger Rücktritt von Verkehrsminister Dobrindt!
* Keine Verrechnung von Strafen mit Steuern!
* Entschädigung aller geprellten Auto-Käuferinnen und -Käufer!
* Besondere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, finanziert durch VW, wie kostenloser Nahverkehr in betroffenen Städten! Strafgeld für die zusätzlichen Emissionen in die Atmosphäre in Höhe der Gewinnsumme 2010–2015 des VW-Konzerns! Nutzung dieser Gelder für den Umweltschutz!
* Übernahme aller Leiharbeiter und Werkverträgler! Kampf um jeden Arbeitsplatz! Für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich!
* Ausbau eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs! Güterverkehr gehört auf die Schiene und auf Wasserwege! Schnellstmögliche Umstellung auf ein Verkehrssystem ohne Nutzung fossiler Brennstoffe!
* Unabhängige Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages!
Jetzt ist ein selbständiger Kampf der VW-Belegschaften gegen die Abwälzung der Krisenlasten notwendig – in enger Verbindung mit dem Kampf der Bevölkerung gegen die Bundesregierung und gegen die Landesregierungen. Das Internationalistische Bündnis mit aufzubauen und seine Kandidatur zu den Bundestagswahlen als Internationalistische Liste/MLPD zu unterstützen – das ist ein „Zukunftspakt“, der seinen Namen verdient.
Jetzt Mitglied in einer Betriebsgruppe der MLPD werden, Verantwortung übernehmen für den Kampf um den echten Sozialismus! Wenn die VW-Belegschaften ein Zeichen setzen, werden Millionen hinter ihnen stehen.
Quellen:
1 www.heute.de vom 18. 11. 16
2 Auf der Pressekonferenz am 18. 11. 16 Focus Live Ticker
3 Sie kann bestellt werden unter www.people-to-people.de
4 Von VW-Konzernmarken: VW, Audi, Skoda, Seat und Porsche
5 AUTO BILD, 17. 11. 2016
6 www.finanzen.net, 23. 11. 2016
7 Aus der auf dem X. Parteitag beschlossen Überarbeitung des Parteiprogramms der MLPD
8 Spiegel online, 8. 9. 2016
9 Mitbestimmen, Zeitung des VW Betriebsrates vom November 2016
10 Zum Zukunftsprogramm: www.iaar.de (Suchwort: Gehilfen)
11 Homepage: www.iaar.de