„Wir lassen uns nicht einfach vom Hof jagen“
Kein zweites Nokia! – Gemeinsam muss der Kampf um jeden Arbeitsplatz geführt werden (Bild von 2008)
Der Automobilzulieferer Hella will in seinem Werk Recklinghausen mit knapp 830 Beschäftigten 48 Arbeitsplätze vernichten
Die Pläne von Hella betreffen 29 Prozent der 167 Montiererinnen und Montierer, überwiegend Frauen. Die Werksleitung will unbedingt erreichen, dass die Kolleginnen und Kollegen dem Anschein nach „freiwillig“ einen Aufhebungsvertrag mit dem „Angebot“ einer Abfindung unterschreiben. Jede und jeder wird einzeln ins Personalbüro gerufen. Das ist verbunden mit der Drohung, dass betriebsbedingte Kündigungen notwendig seien, wenn keine 48 unterschreiben.
Diese „Infogespräche“ erschüttern und verletzen. Bei Anforderungen zu Samstags- oder Sonntagsarbeit sind wir „unersetzlich“ – und jetzt überflüssig? Die Stimmung festigt sich: „Wir lassen uns nicht einfach vom Hof jagen!“ Die Werksleitung musste auf diese Stimmung schon reagieren. Zuerst sollten 48 sofort weg. Dann wurde doch Altersteilzeit als Alternative angeboten und schrittweise ausgedehnt.
Als es vor sieben Jahren schon mal ein Abfindungsprogramm mit 80 Leuten gab, musste noch jeder selbst damit fertigwerden. Es gab Stimmen unter Kollegen wie: „Du bist ja weniger auf den Job angewiesen als ich“ usw. Das ist heute anders. Wir sprechen miteinander, machen uns Mut und bestärken uns, die bereitgestellten Kleenex-Tücher nicht zu nutzen. Der gewerkschaftliche Vertrauenskörper hatte eine Infostunde angeboten zur Vorbereitung auf die Gespräche, die gut genutzt wurde. Für Kolleginnen und Kollegen, die nicht teilnehmen konnten, bekamen so die Vertrauensleute ein Gesicht. Auch als positiver Gegenpol zum Betriebsrat, der mehrheitlich den Personalabbau mitträgt. Neue IG-Metall-Mitglieder wurden gewonnen. Vorher hatten die Vertrauensleute schon die Klagen von acht Kolleginnen und Kollegen gegen ihre Zwangsversetzung ins Werk Hamm unterstützt, mit Erfolg: Sechs haben ihren Prozess vor dem Landesarbeitsgericht gewonnen. Aufgrund der Personalgespräche unterschrieben nur sieben Kolleginnen und Kollegen den Aufhebungsvertrag. Deshalb machte die Werksleitung auf zwei Versammlungen nochmal richtig Druck nach dem Motto: „Eure Arbeitsplätze sind sowieso bald weg.“ Ein Arbeitsamtvertreter warb für Umschulungen. Daraufhin entschieden sich weitere Kollegen schweren Herzens für die Abfindung, insgesamt 26. Obwohl damit – die 21 Altersteilzeit-Kollegen eingerechnet – die Zahl 48 fast erreicht ist, fordert die Werksleitung jetzt weiteren sofortigen Personalabbau. Der Betriebsrat ließ sich auf Gespräche ein, die im Januar fortgeführt werden. Daraus wird noch deutlicher: Statt Vertrauen auf Verhandlungen und „freiwillige“ Lösungen müssen wir auf unsere eigene Kraft vertrauen.
Wir diskutieren auch viel mehr über Alternativen – wie die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Die meisten können sich noch nicht vorstellen, ob und wie das durchgesetzt werden kann. Der Vertrauenskörper machte eine Umfrage dazu. Nicht selten münden die Diskussionen auch darin, ob ein anderes System notwendig ist und wie das aussehen müsste. Gestiegenes Interesse und Erwartungen an die MLPD spüren auch die Rote-Fahne-Verkäufer vor dem Tor.