Interview mit Gabi Fechtner - Außergewöhnliche Zeiten zielstrebig nutzen
Gabi Fechtner (rf-foto)
Angeblich ist die Regierung jetzt zur „Sacharbeit“ übergegangen. Hat sie ihre Krise damit beigelegt?
Die Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien wird weiter forciert. Zugleich versucht sich die Regierung in „vertrauensbildenden“ Maßnahmen. Nach der langwierigen Regierungsbildung und mehreren offenen Regierungskrisen ging es den Herrschenden zunächst einmal darum, die Regierung und die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD zu stabilisieren. Immerhin stand die Existenz der großen Koalition mehrfach auf Messers Schneide. Im Hintergrund hatten die Unternehmerverbände auf den Tisch gehauen und darauf bestanden, die Regierung solle die Geschäfte der Monopole ordentlich erledigen. Das ist der Kern der angeblichen „Sacharbeit“, was die Leute auch immer besser durchschauen.
Neben viel Wind macht die Regierung allerdings durchaus einzelne reale Zugeständnisse. Anders würde ihr System der kleinbürgerlichen Denkweise gar nicht funktionieren. Dank der enormen Überschüsse bei den staatlichen Einnahmen hat sie dafür auch (noch) Spielraum. Die Regierung legte also das „Gute-KITA-Gesetz“ vor. Die SPD kündigt vollmundig die „Respektrente“ an und versucht krampfhaft, ihr Hartz-IV-Trauma loszuwerden. Dass sie sich dazu gezwungen sieht, ist als großer Erfolg zu werten der inzwischen fast 15 Jahre währenden Montagsdemobewegung gegen die Hartz-Gesetze. Allerdings werden verschiedene Vorschläge, die wirkliche Verbesserungen wären, von der SPD in vollem Bewusstsein gemacht, dass sie in der großen Koalition sowieso nicht durchkommen. Ein durchsichtiges Manöver!
Gegen die schwelenden Parteienkrisen traten Angela Merkel und Horst Seehofer jeweils vom Parteivorsitz zurück. Zeitweise ist es ihnen damit gelungen, etwas Ruhe in die große Koalition zu bekommen. Offensichtlich wollen die Herrschenden derzeit noch festhalten am System der kleinbürgerlichen Denkweise als hauptsächliche Regierungsmethode. Dafür ist, aus ihrer Sicht, Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende sicherlich besser geeignet als Friedrich Merz. Trotz allem bleibt die Wirkung all dieser Maßnahmen begrenzt. Denn ein immer größerer Teil der Massen nimmt den Regierungsparteien berechtigterweise nicht mehr ab, was sie versprechen. Die tiefe Vertrauenskrise betrifft inzwischen die gesamte bürgerliche Politik. Sie lässt sich durch einzelne „vertrauensbildende“ Maßnahmen vielleicht etwas abdämpfen, nicht aber überwinden.
Diese Situation bringt den Zwiespalt der Herrschenden zum Ausdruck: Ohne ein Mindestmaß an Übereinstimmung mit den Massen und deren Mitwirkung kann die Diktatur der Monopole unter der Hülle der bürgerlichen Demokratie nicht funktionieren. Ebensowenig die moderne Produktion.
Die Verschärfung des zwischenimperialistischen Konkurrenzkampfs zwingt die Herrschenden zugleich – um ihre Rechtsentwicklung zu forcieren – zu Angriffen auf die Arbeiterklasse. In mehreren Konzernen, wie Daimler oder VW, gibt es Pläne, beziehungsweise wurde damit begonnen, als Erstes Hunderte oder gar Tausende Leiharbeiter zu entlassen. In den Opel-Werken Eisenach und Rüsselsheim will die Konzernspitze die Ausbildung massiv zurückfahren. Überall wird die Ausbeutung schleichend und massiv verschärft.
Immer offener wird die Diktatur der Monopole durchgesetzt: VW wird vor jeder Entschädigung für die Dieselfahrer geschützt. Keiner der Hauptverantwortlichen des kriminellen Abgasbetrugs wurde bisher zur Rechenschaft gezogen. Die neuen Polizeigesetze werden nicht etwa auf Terroristen angewandt, sondern derzeit vor allem auf Umweltkämpfer – um die Politik der Energiekonzerne durchzusetzen. Die Forderung der Unternehmerverbände, den Osten Deutschlands als „Niedriglohnland“ zu erhalten, wird erfüllt und – trotz zunehmender Proteste – die Angleichung von Löhnen und Sozialleistungen verweigert.
In der Flüchtlingspolitik wird ein ultrareaktionärer Generalangriff vorbereitet. Mit ihrem „Werkstattgespräch“ tun CDU/CSU demagogisch so, als entsprächen sie damit dem „Sicherheitsbedürfnis“ der Massen. Durchsetzen wollen sie mehr und beschleunigte Abschiebungen, eine Ausdehnung der angeblich „sicheren“ Herkunftsländer – sprich: die Deportation in katastrophale Zustände; die Kriminalisierung von Flüchtlingen durch ihre Inhaftierung, gegebenenfalls zusammen mit Straftätern; erleichterte Aberkennung des deutschen Passes bei doppelter Staatsbürgerschaft; Einschränkung der demokratischen Rechte und Freiheiten der Flüchtlinge durch die Reduzierung der Klagemöglichkeiten und so weiter. Dieses ultrareaktionäre Paket und der aggressive Jargon, in dem es erarbeitet wurde, unterstreicht: Die Rechtsentwicklung kommt direkt von der Regierung und den Monopolparteien.
Das alles findet statt im Rahmen der Rechtsentwicklung vieler Regierungen in Europa und der Institutionen der EU. Unter der Flagge, „als einiges Europa zu handeln“, wird die weitere Absenkung der Rüstungsexportkontrollen und -beschränkungen Deutschlands geplant. Pläne für eine EU-Armee werden salonfähig gemacht. Gegen drohende Fahrverbote kündigte die Bundesregierung dreist die „Flexibilisierung der Grenzwerte“ für Stickstoffdioxid–Ausstoß an. Und die EU-Kommission verzichtete „freundlicherweise“ auf einen Einspruch. Das alles muss im Europawahlkampf von uns erst so richtig ins Bewusstsein der Massen gerückt und länderübergreifend bekämpft werden.
Wie ordnet sich das in die sogenannte „Weltunordnung“ ein, von der immer öfter die Rede ist?
Der Begriff „Weltunordnung“ legt eine falsche Fährte. Denn was wir derzeit erleben, ist das, was die „Ordnung“ des imperialistischen Weltsystems und seine krisenhafte Daseinsweise gesetzmäßig hervorbringt. Nach der Weltwirtschafts- und Finanzkrise von 2008 bis 2014 hat sich eine schwankende Stagnation in der Weltwirtschaft herausgebildet. Das hält derzeit noch an. Es bilden sich aber inzwischen deutliche Vorzeichen zu einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise aus.
Erstmals seit Jahren gab es im November 2018 in der Industrieproduktion in Deutschland und in der Eurozone – auch im Jahresvergleich – einen Rückgang. Auch das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sank in den letzten beiden Quartalen deutlich gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Auftragseingang der deutschen Industrie, der immer auch Aufschluss gibt über die künftige Entwicklung, sank seit August 2018 fast kontinuierlich. Die Unsicherheiten an den Börsen sind sehr hoch, und auch der Banken- und Finanzsektor ist von einer zunehmenden Labilität ergriffen.
Die weltweite Börsenkapitalisierung hatte im Januar 2018 mit einem Volumen von 89,8 Billionen US-Dollar einen neuen Rekordwert erreicht. Seitdem ist die Tendenz rückläufig, mit Schwankungen. Der letzte Höchststand der Börsenkapitalisierung wurde im Oktober 2007 erreicht, genau ein Jahr vor dem Ausbruch der letzten Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Doch nicht die konkreten Auf- und Abwärtsbewegungen in der Produktion oder an den Börsen sind das wesentliche Merkmal für einen Krisenausbruch. Diese sind sogar charakteristisch für die schwankende Stagnation.
Entscheidendes Kriterium für eine Überproduktionskrise ist ein unkontrollierter, sprunghafter Einbruch durch Rückgang der Produktion und der Investitionen auf einen Stand von vor Jahren. Man erinnere sich an den drastischen Einbruch in der Weltindustrieproduktion um 20 Prozent im 4. Quartal 20081. So weit ist es noch nicht gekommen. Noch scheint auch die wirtschaftliche Entwicklung in einigen imperialistischen Ländern wie den USA relativ stabil. Allerdings deutet sich jetzt schon an, dass sich der Handelskrieg auch in den USA negativ bemerkbar machen wird. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die einen krisenhaften Einbruch einleiten könnten, wie ein unkontrollierter Brexit oder eine drastische Verschärfung des durch die USA eingeleiteten Handelskriegs. Die schwankende Stagnation kann eine Krise hinauszögern, ihr Einbruch wird dann allerdings auch umso tiefer ausfallen.
In Wechselwirkung damit ist auch das Potenzial krisenhafter struktureller Veränderungen in der imperialistischen Weltwirtschaft keinesfalls zu unterschätzen. Die internationale Strukturkrise auf der Basis der Neuorganisation der internationalen Produktion ist eine Haupttriebkraft des Übergangs in eine neue Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Sie bedeutet eine enorme, wenn auch kontrollierte Kapitalvernichtung – mit gravierenden Auswirkungen auf die Massen. Gleichzeitig entwickeln sich neue Strukturkrisen.
Erstens beginnt die Einführung der E-Mobilität ihre Wirkungen zu entfalten. Zweitens entsteht eine weitere internationale Strukturkrise auf Grundlage der Digitalisierung von Produktion, Handel, Kommunikation und Gesellschaft. Allein durch die Umstellung auf Elektroantriebe in der bisherigen Produktion von Motoren und Getrieben in Deutschland können, nach bürgerlichen Schätzungen, bis zu 100000 Arbeitsplätze vernichtet werden.2 Hier bildet sich also ein für die Herrschenden „gefährliches Gebräu“ heraus: die Wechselwirkung der Strukturkrisen und einer sich anbahnenden Überproduktionskrise in Wechselwirkung mit politischen Krisen. Auch der Übergang in eine globale Umweltkatastrophe birgt enormes Krisenpotenzial.
Zugleich ist, sowohl politisch als auch ökonomisch, die Wahrscheinlichkeit der Neuauflage eines weltweit koordinierten Krisenmanagements wie 2008 erheblich gesunken. Man kann also davon ausgehen, dass ökonomische Krisen künftig wieder unmittelbarer zu politischen Krisen durchschlagen werden. Ihren machtpolitischen Niederschlag findet die Verschärfung der zwischenimperialistischen Widersprüche in der allgemeinen Tendenz der imperialistischen Kriegsvorbereitung. Erhöhung der Rüstungshaushalte, explodierende Rüstungsexporte; gewachsene Bereitschaft, zwischenimperialistische Widersprüche militärisch auszutragen und Befreiungskämpfe gewaltsam zu unterdrücken; Neueröffnung des atomaren Wettrüstens oder auch die Bedrohung der Souveränität Venezuelas durch eine Invasion des US-Imperialismus. All das dokumentiert die Vorbereitung der imperialistischen Mächte auf gewaltsame Großkonflikte.
Es gibt immer wieder Diskussionen, ob man bei dieser gesellschaftlichen Polarisierung von einem fortschrittlichen Stimmungsumschwung sprechen kann? Wie beurteilt das Zentralkomitee die Entwicklung?
Die tiefe Vertrauenskrise von immer breiteren Teilen der Massen richtet sich gegen die gesamte bürgerliche Politik. Ihr Kern ist eine wachsende Kritik an deren Rolle als Dienstleisterin der Diktatur der Monopole. Denn sie setzt die Vorgaben der Monopole in der Umwelt-, der Verkehrs-, Gesundheits-, Wohnungs- oder Sozialpolitik um. Diesen Unmut gegen die bürgerliche Politik haben weit mehr Menschen als die, die schon im fortschrittlichen Stimmungsumschwung aktiv sind. Die gesellschaftliche Polarisierung drückt sich unter den Massen in zwei Seiten aus, die wiederum aufeinander einwirken: Ein Teil der Massen wird beeinflusst von der Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien. Wo das Klassenbewusstsein noch unterentwickelt ist, können der Chauvinismus, der moderne Antikommunismus, die Spaltung und zum Teil rassistische Hetze der Herrschenden wirken. Ein größerer Teil der Bevölkerung fühlt sich allerdings gerade fortschrittlich herausgefordert durch die Rechtsentwicklung der Regierung. Das spontane gewerkschaftliche, internationalistische, umweltpolitische und rebellische Bewusstsein erwachte auf breiter Front. Der fortschrittliche Stimmungsumschwung entwickelt sich also gerade angesichts und als Teil der gesellschaftlichen Polarisierung. Er kennzeichnet zugleich selbst einen Kampf um die Denkweise, sowohl Angriffe als auch Zugeständnisse der Herrschenden richtig zu verarbeiten. Der fortschrittliche Stimmungsumschwung ist wiederum nicht in jeder konkreten Situation die Hauptseite in der gesellschaftlichen Polarisierung. Das muss jeweils analysiert werden.
Die Arbeiter- und Volkskämpfe umfassten im Jahr 2018 zusammen 3,78 Millionen Menschen. Das ist quantitativ vergleichbar zum Beispiel mit den 3,9 Millionen Beteiligten 2004. Damals bildete sich die politisch selbständige Montagsdemobewegung gegen die Hartz-Gesetze heraus. Wichtig ist aber vor allem eine qualitative Weiterentwicklung: 2018 richteten sich die Kämpfe in ihrer Stoßrichtung mehr und mehr gegen die ganze Bandbreite der Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien. Sie nahmen so verstärkt politischen Charakter an. Auffallend ist auch, dass viele Kämpfe ohne unmittelbare Angriffe erfolg(t)en. Sie finden statt vor dem Hintergrund einer langjährigen, relativen wirtschaftlichen Stabilisierung – mit einer Höchstzahl an Beschäftigten und einer Reihe von Zugeständnissen. Das ist Ausdruck eines höheren Bewusstseins; höher beispielsweise als bei den Kämpfen gegen Hartz IV 2004/2005, die sich gegen eine unmittelbar spürbare Betroffenheit von Millionen Arbeitern und Arbeitslosen richteten.
Die Arbeiterklasse steht an der Spitze des Kampfs gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien. Das zeigt sich in starken gewerkschaftlichen Arbeiterkämpfen, aber auch in der Rolle der MLPD als proletarisches und revolutionäres Rückgrat der Bewegung. Für die Herrschenden und die rechte Gewerkschaftsführung hatten verschiedene Streiks eine überraschende Wucht. Sie konnten nicht so einfach im geplanten Rahmen der Tariftaktiererei gehalten werden. So stellten Tausende von am Streik beteiligten Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter der Eisenbahn- und Verkehrsgesellschaft (EVG) fest, dass ihr konsequenter Streik ganz Deutschland durcheinanderbringt. Die Ablehnung des Tarifabschlusses durch die 23 000 Sicherheitskräfte in Flughäfen erfolgte aus Solidarität. Denn darin sollten Teile der Belegschaft von Verbesserungen ausgeschlossen werden.
Anfang 2019 entwickelt sich der fortschrittliche Stimmungsumschwung weiter – trotz verschiedener Zugeständnisse und Dämpfungsversuche der Herrschenden. Wieder sind gewerkschaftliche Arbeiterkämpfe in kämpferischen Tarifrunden prägend. Mit den „Fridays for Future“-Protesten Zehntausender Schülerinnen und Schüler sowie Studierenden rückt 2019 die Rebellion der Jugend noch stärker in den Blickpunkt. Das spontan erwachte Umweltbewusstsein auf breiter Front drückt sich aus in verschiedenen Demonstrationen und Protesten. Die deutlich höhere Beteiligung an den Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Aktivitäten im Januar und die Präsenz der MLPD und des Internationalistischen Bündnisses als stärkstem Block zeigen, dass sich der revolutionäre Pol im fortschrittlichen Stimmungsumschwung stärkt.
Die Flüchtlingssolidarität von Millionen Menschen ist ungebrochen. Auch wenn – oder gerade weil – die gesellschaftliche Polarisierung an dieser Frage besonders hervortritt. Als Speerspitze der demokratischen Flüchtlingsbewegung und -solidarität hat sich eine bundesweite Solidaritätskampagne entwickelt mit einem führenden Repräsentanten der demokratischen Flüchtlingsbewegung, Alassa Mfouapon.3 Sie steht in direkter Konfrontation mit der ultrareaktionären bürgerlichen Flüchtlingspolitik im Verbund mit der Bild-Zeitung. Die Selbstorganisation der Flüchtlinge verteidigt sich nicht nur, sie geht auch in die Offensive gegen den martialischen Polizeieinsatz in Ellwangen, am 3. Mai 2018.
Die MLPD hat zweifellos an Bekanntheit und Einfluss zugelegt. Aber auch Angriffe auf sie nehmen zu. Hat das nicht erkämpfte Positionen wieder geschwächt?
In all diesen Kämpfen sind MLPD und REBELL nicht nur aktiv, sondern vielfach auch initiativ und prägend. Mit dem fortschrittlichen Stimmungsumschwung büßt der moderne Antikommunismus, als Kern des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise, weiter an Wirkung auf die Massen ein. Der Blick nach Frankreich und die dortige Gelbwesten-Bewegung macht deutlich, wie ein politischer Gärungsprozess entstehen kann. Auch in Deutschland hat die Entwicklung in den objektiven und subjektiven Faktoren durchaus das Potenzial, zu einer revolutionären Gärung auszureifen. Das Potenzial der MLPD für einen wachsenden Masseneinfluss im Übergang zu einer revolutionären Gärung ist den Herrschenden nicht entgangen. Dagegen haben sie gezielt Maßnahmen ergriffen: Im Zusammenhang mit dem Rebellischen Musikfestival an Pfingsten 2018 entwickelte sich eine neue Qualität der Angriffe seitens der Herrschenden auf die MLPD. Derzeit beschränken sie sich noch darauf, uns Steine in den Weg zu legen, unsere Arbeit zu schädigen oder öffentliche Repräsentanten der MLPD zu diffamieren. Dabei muss man von einem eingeleiteten konkreten Taktikwechsel der Herrschenden gegenüber der MLPD sprechen. Dazu gehört die erhebliche Behinderung der Arbeit in der Parteizentrale „Horster Mitte“ durch die unsägliche Nutzungsuntersagung für den Kultursaal; und das geht bis zur Kündigung von Bankkonten, Anzeigen und anderen Kriminalisierungsversuchen.
Doch je mehr deutlich wurde, dass uns so etwas nicht einschüchtert, und die Relevanz der MLPD weiter wächst, umso mehr wurde ein aggressives, gesamtgesellschaftliches Liquidatorentum4 gegen die MLPD aufgefahren. Rüde und intrigant wurden wir attackiert und zu unterdrücken versucht. Teils wurden wir mit körperlicher Gewalt aus Bündnissen wie „Unteilbar“ hinausgedrängt; es wurde versucht, das Auftreten von MLPD und REBELL bei Demonstrationen zu unterbinden, ihre Fahnen zu verbieten oder gar zu zerstören. Bei den Akteuren handelt es sich um Agenturen der bürgerlichen Politik, oftmals vor allem um Mitglieder der SPD, der Grünen oder der Linkspartei. Sie machen, zumindest objektiv, gemeinsame Sache mit Geheimdienstkräften und bürgerlichen Medien, verbreiten deren Sprachregelungen gegen die MLPD und so weiter. Flankierend streuen vor allem „Antideutsche“ eine üble Hetze, die MLPD sei antisemitisch, weil sie den palästinensischen Befreiungskampf unterstützt.
Es gab mehrere Medienkampagnen, die die MLPD und das Internationalistische Bündnis verunglimpfen sollten, unter anderem durch die Bild-Zeitung oder eine ultrareaktionäre Connection um Verbündete der faschistoiden israelischen Netanjahu-Regierung. Sicherlich haben diese Angriffe auf einen Teil der Massen auch eine einschüchternde Wirkung. Und ihr Ziel ist vor allem, den Aufbau der Partei zu behindern.
Allerdings mussten diese zerstörerischen Kräfte einige Schlappen einstecken. Der Preis, den die Herrschenden für diese Angriffe auf die MLPD bezahlen, ist: Ihre Politik des Totschweigens hat deutliche Risse bekommen. Viele Menschen interessieren sich jetzt erst recht für die „berühmt-berüchtigte“ MLPD. Unter den Massen ist es heutzutage oft kein Makel, von den Herrschenden angegriffen zu werden – sondern eher ein Gütezeichen.
Natürlich: Die Durchbrechung der relativen Isolierung einer marxistisch-leninistischen Partei wird in einem imperialistischen Kernland niemals unter dem Beifall der staatstragenden Kräfte vor sich gehen; auch nicht begleitet sein von Jubelberichten in den bürgerlichen Medien. Im Gegenteil: Die neue gesellschaftliche Rolle der MLPD wird nur im Gewoge der heftigen gesellschaftlichen Polarisierung erkämpft!
Alarmierend sind Morddrohungen gegen die Internationalismus-Verantwortliche des Zentralkomitees, Monika Gärtner-Engel, die sich nun seit Dezember häufen. Es gab außerdem Mordversuche an zwei weiteren Repräsentanten unserer Partei. Dabei wurden Reifen professionell zerstochen, sodass Unfälle ausgelöst werden sollten. Dazu gab es faschistische Übergriffe auf unsere Parteizentrale. Die MLPD gerät also stärker ins Visier der Faschisten. Es bleibt allerdings ein Wunschtraum dieser faschistischen Verbrecher, dass wir uns davon beirren oder einschüchtern lassen.
Der erkämpfte souveräne Umgang, die klare Kante gegen solche Angriffe stärkte das Ansehen, das Selbstbewusstsein und auch die Geradlinigkeit von MLPD und REBELL. Wir erlebten breite Solidarität und Rückhalt, in der Organisation und in der Bevölkerung. Und wir bekamen viele Spenden gegen diese Angriffe. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken!
Um auf die Frage zurückzukommen: Die gesellschaftliche Polarisierung, in der sich die Fronten klären, klare Positionen und Rückgrat gefragt sind, die ist sogar ein geeignetes Umfeld, in dem sich die MLPD stärken konnte und weiter stärken wird.
Aber besteht bei so viel Aktivität nicht die Gefahr, sich zu übernehmen?
Tatsächlich hat diese Entwicklung die kräftemäßige Stärkung der MLPD unmissverständlich auf die Tagesordnung gesetzt. Diese ist notwendig, aber auch möglich! Dabei müssen wir an morgen und übermorgen denken. Unsere Arbeit zu 100 Jahre Novemberrevolution, das Gedenken an die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg hat uns eindringlich verdeutlicht: Die starke, fest in den Massen verankerte, erfahrene und gestählte kommunistische Partei kann und darf nicht erst bei revolutionären Erschütterungen entstehen. Wir sind heute schon einen guten Schritt weiter, und die MLPD kann auf eine 50-jährige revolutionäre Geschichte zurückblicken. Sie hat überzeugende Antworten auf die zunehmenden Fragen der Massen nach einer gesellschaftlichen Alternative, und sie steht selbstbewusst für eine sozialistische Gesellschaft. Aber: Sie ist schlicht und einfach noch nicht stark genug. Sie konnte sich seit dem letzten Parteitag zwar mitgliedermäßig um elf Prozent stärken. Doch erstens reicht das bei Weitem nicht aus, und zweitens ist unser Organisationszustand noch nicht konsequent ausgerichtet auf die Aufbauarbeit. Zweifellos gibt es noch viel mehr Menschen, die uns suchen, uns aber noch nicht gefunden haben.
Schon im letzten Jahr haben wir die Partei verstärkt auf die Mitgliedergewinnung ausgerichtet. Selbstkritisch stellte das Zentralkomitee der MLPD allerdings fest, dass die bisher getroffenen Maßnahmen noch zu kurz griffen. Es ist nicht nur eine Frage der Einstellung zum Parteiaufbau oder der guten Initiativen. Es hängt auch mit den organisationspolitischen Voraussetzungen zusammen, ob wir hier einen großen Schritt vorankommen. Deshalb haben wir eine konzentrierte Phase der Reorganisierung der MLPD beschlossen, um sie auf eine beschleunigte und bewusstseinsbildende Aufbauarbeit auszurichten.
Es gibt unübersehbar ein gewachsenes Potenzial für eine stärkere Organisiertheit. Gerade da, wo im letzten Jahr gekämpft wurde, stieg der gewerkschaftliche Organisationsgrad deutlich an. Unter Jugendlichen wächst wieder die Bereitschaft, sich zu organisieren. Das berichten auch international revolutionäre Parteien, so zum Beispiel bei einer Reise von Stefan Engel und mir nach Lateinamerika, Ende letzten Jahres. Oftmals gelingt es ihnen – in Verbindung mit einem fortschrittlichen Stimmungsumschwung und Massenbewegungen in ihren Ländern – ihre Organisationskraft zu stärken. Diese Organisationsarbeit unter den Massen ist nicht etwa „Eigennutz“ der MLPD, wie manche Antikommunisten behaupten. Mit ihrer Reorganisierung unterstreicht die MLPD ihren gesellschaftlichen Anspruch, den Massen zu helfen, die richtigen Schlüsse aus der Situation zu ziehen. Der Kampf gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien, zur revolutionären Überwindung des Kapitalismus und zum Aufbau einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung – der kann nur organisiert erfolgreich sein. Eine Situation, in der das Bedürfnis nach Bewusstheit wächst und die Bereitschaft, sich zu organisieren, müssen wir zielstrebig nutzen! Es ist nicht in jeder Situation gleichermaßen möglich, die Partei beschleunigt aufzubauen. Eine Zeit lang war es auch richtig, die Arbeit in erster Linie in den bisherigen Strukturen zu festigen und weiterzuentwickeln. Aber jetzt ist eine Aufbausituation! Dem hätte das Zentralkomitee schon früher Rechnung tragen müssen.
Was ist unter bewusstseinsbildender und beschleunigter Aufbauarbeit zu verstehen?
Als marxistisch-leninistische Partei haben wir die Aufgabe, bewusstseinsbildend zu arbeiten. Das bezieht sich auf alle Bewusstseinsstufen: Es gilt, das spontane Bewusstsein zu wecken, zu festigen und höherzuentwickeln. Das muss sich ausdrücken im organisierten Bewusstsein, mit dem sich Leute in den Gewerkschaften und anderen überparteilichen Selbstorganisationen der Massen zusammenschließen, und nicht zuletzt im sozialistischen Bewusstsein. Dieses drückt sich aus in der Organisierung in der marxistisch-leninistischen Partei. Es geht also darum, in Prozessen zu denken: Wie entwickelt sich das Bewusstsein in Wechselwirkung zur Organisiertheit – und wie können wir systematisch darauf Einfluss nehmen? Bewusstseinsbildung bedeutet auch, mit der bewussten Anwendung der dialektischen Methode immer besser in Übereinstimmung mit der objektiven Wirklichkeit zu kommen, um diese verändern zu können. Die bewusstseinsbildende Aufbauarbeit hilft den Massen, organisiert mit der demoralisierenden, desorientierenden und desorganisierenden Wirkung des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise fertigzuwerden.
Um den Übergängen im Bewusstsein besser Rechnung zu tragen, werden wir auch die Aufgaben unserer Parteigruppen stärker differenzieren. Bisher sind wir in 500 Städten aktiv, darunter den größten und wichtigsten – insgesamt gibt es aber 11054 Gemeinden in Deutschland, darunter 2056 Städte. Wir müssen also wieder zielstrebiger neue Gebiete, Städte, Betriebe, Universitäten und auch Stadtgebiete für unsere Parteiarbeit „erobern“. Dafür werden viele neue Aufbaugruppen entstehen. Unser Schwerpunkt liegt weiter bei den 500 größten Betrieben der internationalen (Über-)Monopole in Deutschland, in denen das internationale Industrieproletariat konzentriert ist. Aber auch in deren Struktur gibt es Veränderungen. So haben sich riesige Logistikzentren herausgebildet. Allein am Frankfurter Flughafen arbeiten 81000 Menschen. Logistikkonzerne haben neue, kämpferische Belegschaften hervorgebracht, wie bei Amazon. Die marxistisch-leninistische Jugendarbeit bleibt die Massentaktik des Parteiaufbaus. Heute konzentriert sich eine Masse von Jugendlichen an den Hochschulen, allein in Berlin sind das 175000, in Essen/Duisburg 39000.
Wir verbinden diese Reorganisierung mit einer Mitgliederwerbeinitiative vor allem unter Jugendlichen und Frauen und der Arbeiterklasse. Diese Initiative hat bereits erfolgreich begonnen. Jeder ist eingeladen, in einer so bewegten Zeit Mitglied der MLPD zu werden. Außergewöhnliche Zeiten erfordern mutige Entscheidungen! Die Reorganisierung steht auch in Wechselwirkung mit den Aufgaben im Klassenkampf: der breiten Öffentlichkeitsarbeit in den taktischen Offensiven zur Europawahl und Landtagswahl in Thüringen, dem Kampf gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und bürgerlichen Parteien, gegen den beschleunigten Übergang in die globale Umweltkatastrophe und gegen die verschärften Angriffe in den Betrieben und auf bürgerlich-demokratische Rechte und Freiheiten.
Die Reorganisierung wird uns viel Aufschluss darüber geben, welche weiteren Veränderungen notwendig sind, etwa in der Anleitung und Kontrolle und der Schulungs- und Bildungsarbeit. Schon jetzt ist eine lebhafte und schöpferische, ideenreiche Aufbruchstimmung spürbar in der ganzen Partei.
Welche weiteren Aufgaben hat die MLPD sich vorgenommen?
Sowohl unter den Massen in Europa als auch weltweit ist eine breite Aufklärung angesagt über die Entwicklung des imperialistischen Weltsystems – und konkret über den imperialistischen und besonders heimtückischen Charakter der EU. Damit setzen wir auch einen Auftrag des letzten ICOR-Weltkongresses um. Natürlich werden wir die Europawahl auch nutzen, die länderübergreifende Zusammenarbeit in der ICOR5 Europa zu intensivieren und die ICOR zu stärken.
An Pfingsten steht mit dem Pfingstjugendtreffen ein Highlight der Jugendarbeit an – erstmals in Thüringen. Die rechtzeitige Organisationsarbeit in örtlichen Vorbereitungsgruppen in Thüringen – mit der Übernahme von Aufgaben und inhaltlichen Beiträgen an der ganzen Bandbreite der Rebellion der Jugend – und die massenhafte Mobilisierung sind dabei der Gradmesser für eine erfolgreiche Arbeit.
Die Kandidatur der Internationalistischen Liste/MLPD zu den Landtagswahlen in Thüringen, in der zweiten Jahreshälfte, wird ein Signal geben für die Arbeitereinheit in Ost und West. Sie wird eine taktische Offensive für den echten Sozialismus und gegen den modernen Antikommunismus. Schon jetzt wird diese Arbeit zu einer wichtigen Schule des Parteiaufbaus. In mehreren Städten Thüringens konnten wir bereits Stützpunkte der MLPD gründen und die bisherigen Gruppen von MLPD und REBELL stärken.
Wir wollen an der Vorbereitung der internationalen Automobilarbeiterkonferenz 2020 in Südafrika mitarbeiten. Im Zentrum der internationalen Arbeit steht die Initiative für den Aufbau einer weltweiten antiimperialistischen Einheitsfront gegen Faschismus und Krieg. Hier berichtet die ICOR aktuell von einem bedeutenden Fortschritt: In einem Spitzengespräch zwischen der Hauptkoordinatorin der ICOR, Monika Gärtner-Engel, und José Maria Sison, dem Vorsitzenden des Koordinierungskreises des ILPS6, wurden eine gemeinsame Initiative, ein Aufruf und eine zielstrebige, koordinierte Arbeit von ICOR und ILPS vereinbart. Damit haben sich die sicherlich stärksten und lebhaftesten internationalen revolutionären Zusammenschlüsse für diese große Aufgabe verbündet.
2019 feiern wir auch 50 Jahre unseres theoretischen Organs REVOLUTIONÄRER WEG. In diesem Geiste arbeitet das Zentralkomitee unter Schriftleitung von Stefan Engel, dem Leiter des theoretischen Organs, systematisch an den Ausgaben 36/37 der Reihe REVOLUTIONÄRER WEG. Unter dem Titel „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und die Lehre von der Denkweise“ werden die vielen weltanschaulichen Auseinandersetzungen behandelt als Vorgefechte für die kommenden Klassenschlachten und Massenkämpfe. Alles, was der Mensch tut, also auch eine künftige internationale sozialistische Revolution, muss vorher durch seinen Kopf!
In diesem Sinn werden wir 2019 auch bei allen Aktivitäten eine intensive Schulungs- und Bildungsarbeit sowie eine intensive Anleitung zum Selbststudium unter unseren Mitgliedern und unter den Massen durchführen.
Kurzum, wir haben uns für 2019 viel vorgenommen und werden zweifellos gestärkt daraus hervorgehen. Für die große Einsatz- und Verantwortungsbereitschaft, für die Initiative und Solidarität unserer Parteimitglieder und vieler Freundinnen und Freunde bedanke ich mich recht herzlich und wünsche uns gemeinsam viel Erfolg!
Vielen Dank!