Kapitel B - Die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland und das System der kleinbürgerlichen Denkweise

Kapitel B - Die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland und das System der kleinbürgerlichen Denkweise

1. In Deutschland besteht eine kapitalistische Gesellschaftsordnung auf der Entwicklungsstufe des staatsmonopolistischen Kapitalismus im Rahmen der internationalisierten kapitalistischen Produktion. Sie stellt die unmittelbare Vorstufe einer sozialistischen Gesellschaft dar. Die hier ansässigen internationalen Übermonopole, die zum allein herrschenden internationalen Finanzkapital gehören, haben sich den Staat vollkommen untergeordnet, und die Organe des Monopolkapitals sind mit den Organen des Staatsapparats verschmolzen. Sie haben ihre allseitige Herrschaft über die gesamte Gesellschaft, auch über andere Monopole und die nicht monopolisierten Kapitalisten, errichtet. Über die Organe der EU nehmen sie Einfluss auf andere europäische Staaten. Dies geschieht ebenso durch Übermonopole anderer Länder in Deutschland.

2. Die gesellschaftliche Großproduktion unterliegt der privaten Aneignung durch die Kapitaleigner, insbesondere durch die zum Finanzkapital verschmolzenen Industrie-, Agrar-, Handels- und Bankmonopole. Diese internationalisierten staatsmonopolistischen Produktionsverhältnisse bilden heute den Grundwiderspruch in der Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland. Sie stellen den Nationalstaat permanent infrage, da er zu einem Hemmnis der Fortentwicklung der internationalisierten Produktivkräfte geworden ist. Zugleich wächst die Bedeutung der Nationalstaaten und der Aufrüstung ihres Machtapparats. Er bleibt entscheidendes Instrument zur Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft und wirtschaftliche, politische und militärische Machtbasis im Kampf um die Neuaufteilung der Welt.

3. Die Lösung der sozialen Frage erfordert, die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit ebenso zu überwinden wie die bürgerliche Staats- und Familienordnung. Diese sind auch die Grundlage für die doppelte Ausbeutung und Unterdrückung der Masse der werktätigen Frauen. Das gesellschaftliche Leben ist vollständig dem Prozess der Maximalprofit bringenden Produktion und Reproduktion von Waren unterworfen. Während der Prozess der Lebensmittelproduktion vergesellschaftet ist, wird die Erhaltung und Fortpflanzung der Gattung Mensch weitgehend der Einzelfamilie privat auferlegt. Auf diesem Widerspruch beruht die gesellschaftliche Ungleichheit von Mann und Frau im Kapitalismus. Die vorherrschende ökonomische Abhängigkeit vom Mann, die hauptsächliche Verantwortung für Hausarbeit und Familienführung, die Ketten der bürgerlichen Moral und der Religion sowie der weit verbreitete Sexismus und häusliche Gewalt bilden ein System der besonderen Unterdrückung der Frau in der kapitalistischen Gesellschaft.

4. Aufgrund seiner späten Entwicklung am Ende des 19. Jahrhunderts suchte der aufstrebende deutsche Imperialismus durch moderne Technik und bessere Organisation gegenüber den konkurrierenden imperialistischen Großmächten Boden gutzumachen. Er drängte besonders aggressiv auf eine Neuaufteilung der Welt und entfesselte dazu zwei imperialistische Weltkriege. Diese wurden zum Schrittmacher des Übergangs vom Monopolkapitalismus zum staatsmonopolistischen Kapitalismus in allen imperialistischen Ländern.

5. Als Reaktion auf die siegreiche Oktoberrevolution 1917 und auf die Revolutionierung der Massen nach dem I. Weltkrieg errichteten die Monopole 1933 eine faschistische Diktatur zum Erhalt ihrer Macht. Dabei verwirklichten sie einen aggressiven Antikommunismus und benutzten eine rassistische, die Begriffe des Sozialismus missbrauchende sozialfaschistische Demagogie. Infolge der Spaltung der Arbeiterklasse konnte die Errichtung der faschistischen Diktatur nicht verhindert werden. Nach deren Zerschlagung durch die Anti-Hitler-Koalition, deren Hauptkraft die sozialistische Sowjetunion war, wurde am Ende des II. Weltkriegs maßgeblich unter Führung Stalins zwischen den Siegermächten das Potsdamer Abkommen ausgehandelt. Es sah die Entmachtung des deutschen Imperialismus bei Wahrung der Einheit der deutschen Nation vor.

Zunächst wurden die Monopolherren gezwungen, sich aus der Leitung der Konzerne zurückzuziehen. Doch sehr bald verhalfen die westlichen Besatzungsmächte infolge der antikommunistischen Änderung der US-amerikanischen Deutschlandpolitik den deutschen Monopolkapitalisten in Westdeutschland wieder zur Macht. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) am 23. Mai 1949 spalteten sie Deutschland und trieben unter Bruch des Potsdamer Abkommens den Aufstieg des neudeutschen Imperialismus voran.

6. Als Antwort auf die Spaltung Deutschlands durch die Westmächte wurde am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) gegründet. Aus der Initiative der Massen und mit Unterstützung der Sowjetunion entwickelte sich in den folgenden Jahren der hoffnungsvolle Übergang von einer antifaschistischen Volksdemokratie zur ersten sozialistischen Gesellschaft auf deutschem Boden.

7. Im Gefolge der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion nach dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 wurde in der DDR von der kleinbürgerlichen Bürokratie in Partei, Staat, Wirtschaft und den bewaffneten Organen ein bürokratisch-kapitalistisches System errichtet. Viele sozialistische Errungenschaften im Leben der Massen blieben zunächst zwar der Form nach erhalten, änderten jedoch durch die Restauration des Kapitalismus ihren Charakter. Sie wurden eingebettet in ein revisionistisches System der Reformen von oben, um den kapitalistischen Charakter der neuen Ordnung zu vertuschen. Mit dem Bau der Berliner Mauer 1961 verabschiedete sich die revisionistische Führung der SED vom Kampf um ein vereinigtes sozialistisches Deutschland.

8. Verursacht durch die weltweite Nachfrage als Folge des II. Weltkriegs und gefördert durch Hochmechanisierung, Automation und staatliche Maßnahmen begann Anfang der 1950er-Jahre in der BRD ein nie dagewesener lang anhaltender wirtschaftlicher Aufschwung. Die sich sprunghaft entwickelnden Produktivkräfte beschleunigten den rasanten Aufstieg des neudeutschen Imperialismus zu einem mächtigen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Faktor.

9. Um in der lang andauernden Hochkonjunktur bis Anfang der 1970er-Jahre den internationalen Vormarsch des deutschen Imperialismus nicht durch Arbeitskämpfe zu gefährden, betrieben die Monopolkapitalisten eine Politik der Arbeitsgemeinschaft vor allem zwischen den rechten SPD- und Gewerkschaftsführern und den Kapitalistenverbänden. Diese Politik der »Reformen von oben« war ein lähmendes Gift gegen die Revolutionierung der Arbeiterklasse. Aber seit der Wende zum Abbau sozialer Reformen Anfang der 1980er-Jahre befindet sich der staatsmonopolistische Kapitalismus in Deutschland in einer latenten politischen Krise, die immer öfter offen aufbricht und die Massen gegen die Diktatur der Monopole aufbringt.

10. Der wachsende technologische und wirtschaftliche Rückfall gegenüber dem Westen geriet in der DDR in den 1980er-Jahren in immer heftigeren Widerspruch zur Aufrechterhaltung der sozialen Errungenschaften. Auf dieser Grundlage und infolge einer ausgeprägten bürokratischen Bevormundung, pseudosozialistischer Phrasendrescherei und politischer Unterdrückung entstand eine tiefe Enttäuschung unter den Massen und entwickelte sich 1989 eine breite demokratische Volksbewegung.

Ihr Ergebnis war die friedliche Wiedervereinigung 1990, wozu auch der tiefe Wunsch im deutschen Volk nach Überwindung der Spaltung der Nation beitrug. Eine wesentliche außenpolitische Bedingung dafür war die Unterhöhlung der Herrschaft des sowjetischen Sozialimperialismus. Da die Wiedervereinigung nicht unter sozialistischem Vorzeichen stattfand, wurde es dem westdeutschen Monopolkapital möglich, die DDR in ihre wirtschaftliche und politische Macht einzuverleiben.

11. Das wiedervereinigte Deutschland bildet das wirtschaftlich stärkste und bevölkerungsreichste Land in der Europäischen Union. Befreit von einigen politischen Beschränkungen, die ihm die Alliierten nach dem II. Weltkrieg auferlegt hatten, strebt der deutsche Imperialismus im Bündnis mit anderen europäischen Großmächten nach Vorherrschaft in der Welt. Er ist der Hauptfeind der Werktätigen in Deutschland.

12. Für den wirtschaftlichen und politischen Aufstieg des deutschen Imperialismus war nach dem II. Weltkrieg die Herrschaftsform der bürgerlichen Demokratie am besten geeignet. Wenn das Monopolkapital bei einem revolutionären Ansturm der Arbeiterklasse mit ihren Verbündeten und einer Erschütterung seiner Macht die Herrschaft mit den Methoden der bürgerlichen Demokratie nicht mehr ausüben kann, wird es versuchen, die Rechte und Freiheiten der bürgerlichen Demokratie zu beseitigen und eine offen terroristische Diktatur zum Herrschaftssystem zu erheben.

13. Die bürgerliche Ideologie ist in einer Krise und kann in ihren offen reaktionären Formen immer weniger Einfluss auf die Massen ausüben. Um das Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse zu zersetzen bzw. seine Höherentwicklung zu verhindern, haben die Herrschenden schrittweise ein ganzes System der kleinbürgerlichen Denkweise in der Gesellschaft zur Desorientierung, Desorganisation und Demoralisierung des proletarischen Klassenkampfs entwickelt. Es ist politisch zu einem tragenden Bestandteil der Macht der Monopole und zu ihrer gegenwärtigen Hauptmethode der Herrschaftsausübung geworden.

Die kleinbürgerliche Denkweise nimmt scheinbar eine kritische Haltung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen ein, während sie den Kapitalismus zugleich gegen jede gesellschaftliche Alternative verteidigt.

14. Als Monopole und Regierung 1996 demonstrativ die Politik der Klassenzusammenarbeit aufkündigten, leitete eine Welle selbstständiger Streiks des Industrieproletariats als Ausdruck des auf breiter Front erwachenden Klassenbewusstseins das Ende der Kohl-Regierung ein. Die sozialdemokratisch-grüne Schröder/Fischer-Regierung übernahm ab 1998 die Aufgabe, die Glut der Arbeiteroffensive auszutreten. Sie erhob erstmals das System der kleinbürgerlichen Denkweise zur Regierungsmethode.

2004 wurde der Übergang zur Arbeiteroffensive mit dem Höhepunkt des selbstständigen Streiks der Bochumer Opelbelegschaft und der neu entstandenen Montagsdemonstrationsbewegung gegen die Hartz-Gesetze eingeleitet. Die Schröder/Fischer-Regierung verlor ihre Massenbasis, die Sozialdemokratie geriet in eine tiefe Krise und es kam zu einem Wechsel zu einer von Merkel geführten CDU/CSU/FDP-Regierung. Um den eingeleiteten Übergang zur Arbeiteroffensive zu stoppen, modifizierten die Herrschenden das System der kleinbürgerlichen Denkweise: Gegen den echten Sozialismus und den wachsenden Einfluss der MLPD rückten sie die kleinbürgerlich-antikommunistische Denkweise ins Zentrum.

15. Seit dem Scheitern des alten aggressiven Antikommunismus bedienen sich die Herrschenden des modernen Antikommunismus. Dieser täuscht einen kritischen Standpunkt gegenüber der kapitalistischen Gesellschaft nur vor, um gleichzeitig den Sozialismus zu verunglimpfen. Mit immer neuen Gräuelgeschichten und Geschichtsfälschungen über die ehemals sozialistische Sowjetunion und das China Mao Zedongs sollen unter den Massen systematisch antikommunistische Vorbehalte und negative Gefühle gegenüber der sozialistischen Alternative und der MLPD aufgebaut werden. Dazu werden demagogisch bürgerliche Kampfbegriffe wie »Stalinismus« und »Maoismus« verwendet. Zugleich wird die Restauration des Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern geleugnet. Mit Zensur und einem ausgeklügelten Medienboykott betreiben die Herrschenden eine Politik der Isolierung gegen die MLPD.

Die Hauptträger des modernen Antikommunismus sind in der Regel »linke« Karrieristen, »geläuterte« kleinbürgerliche Altlinke oder ehemalige Angehörige der herrschenden Klassen aus den untergegangenen bürokratisch-kapitalistischen Ländern, die ihren eigenen Verrat rechtfertigen wollen. Als Kronzeugen für das angebliche Scheitern des Sozialismus werden sie und ihre Parteien vom Monopolkapital systematisch gefördert und bis zur Regierungsbeteiligung aufgewertet.

In dem Maß, wie die Massen mit der kleinbürgerlichen Denkweise und ihren vielfältigen Schattierungen, Inhalten und Formen fertigwerden und sich die proletarische Denkweise zu eigen machen, werden sie ihre Entscheidung für den Weg des proletarischen Klassenkampfs treffen.

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