Kapitel C - Die Arbeiter- und Frauenbewegung in Deutschland und der Kampf um die Denkweise der Massen
1. Die Arbeiterklasse in Deutschland, die sich aus Menschen unterschiedlicher nationaler Herkunft zusammensetzt, trägt die Hauptlast der Ausbeutung und Unterdrückung und der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen. Sie steht als einzig revolutionäre Klasse im unversöhnlichen Gegensatz zum Monopolkapital. Sie verfügt über konzentrierte Erfahrungen mit dem staatsmonopolistischen Kapitalismus des Westens, mit dem bürokratischen Kapitalismus des Ostens und mit den hoffnungsvollen Anfängen des sozialistischen Aufbaus in den ersten Jahren der DDR. Sie ist massenhaft konzentriert in der industriellen Großproduktion sowie den industrialisierten Logistik-, Gesundheits-, Versorgungs-, Handels-, Bildungs- und Kommunikationskonzernen. Darin erlernt sie die Organisationsdisziplin, die es ihr ermöglicht, die Führung im Klassenkampf zu übernehmen. An der Spitze der Arbeiterklasse in Deutschland stehen diejenigen Arbeiter und Arbeiterinnen, die in internationalen Produktionsverbünden Teil des internationalen Industrieproletariats sind. Dieses ist die führende Kraft im nationalen und internationalen Klassenkampf. Es repräsentiert das Potenzial der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt, der Lösung der Umwelt- ebenso wie der sozialen Frage im Sozialismus/Kommunismus.
Die Arbeiterjugend leidet besonders unter Ausbeutung und Rechtlosigkeit. Sie verkörpert die Zukunft der Arbeiterklasse und bildet den Kern der Rebellion der Jugend gegen das kapitalistische System.
2. Den doppelt ausgebeuteten und unterdrückten Arbeiterinnen kommt bei der Entwicklung der kämpferischen Frauenbewegung die führende Rolle zu. Sie repräsentieren den Kampf um die Befreiung der Frau in einer sozialistischen Gesellschaft und sind in der Arbeiterbewegung die Vorkämpferinnen für die Befreiung der Frau. Das sich entwickelnde Frauenbewusstsein ist ein maßgeblicher Gradmesser für die Entwicklung des Klassenbewusstseins der Arbeiterklasse.
3. Als Folge der zwölfjährigen faschistischen Hitlerdiktatur und der weitgehenden Zerschlagung der deutschen Arbeiterbewegung war das Klassenbewusstsein in den Nachkriegsjahren nur schwach entwickelt. Die Teilung Deutschlands spaltete die Arbeiterbewegung. Der Kampf für die Einheit Deutschlands, gegen den Aufstieg des neudeutschen Imperialismus und gegen die Remilitarisierung in den 1950er-Jahren war bis zur Wiedervereinigung die letzte gemeinsame Aktion der Arbeiterklasse in Ost und West.
4. In der DDR war der Übergang von der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung zum beginnenden Aufbau des Sozialismus 1952 zunächst mit einer Stärkung des sozialistischen Bewusstseins unter einem wachsenden Teil der Arbeiterklasse verbunden. Die revisionistische Entartung der SED nach 1956 beraubte jedoch die Arbeiterklasse in der DDR ihrer revolutionären Führung. Der moderne Revisionismus drang tief in die Massen ein und zersetzte ihr sozialistisches Bewusstsein. Das machte den Prozess der Restauration des Kapitalismus in der DDR ohne wesentlichen Widerstand möglich.
Die KPD in Westdeutschland entartete zu einer revisionistischen Partei, was durch die Abhängigkeit von der SED und zusätzlich durch das 1956 verhängte Verbot der Partei begünstigt wurde. Die bürokratisch-kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse in der ehemaligen Sowjetunion und DDR als »realen Sozialismus« zu bezeichnen, brachte die Idee des Sozialismus nachhaltig in Misskredit. Die negativen Erfahrungen mit der Wiederherstellung des Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern bilden eine wesentliche Grundlage für die Wirkung des modernen Antikommunismus.
Der Aufbau einer marxistisch-leninistischen Partei seit Ende der 1960er-Jahre in der BRD, die Gründung als MLPD 1982 und ihr bundesweiter Aufbau im wiedervereinigten Deutschland waren notwendige Voraussetzungen für einen neuen Aufschwung des Kampfs um den Sozialismus.
5. Der moderne Revisionismus tarnt sich marxistisch, verleugnet und verfälscht aber in Wahrheit die Grundprinzipien des wissenschaftlichen Sozialismus. Er ist eine Form der bürgerlichen Ideologie in der Arbeiterbewegung. Er verbreitet Opportunismus und desorientiert die nach einer gesellschaftlichen Alternative zum Kapitalismus suchenden Menschen durch eine pseudosozialistische Politik.
Mit dem Zusammenbruch des bürokratischen Kapitalismus in der Sowjetunion, in Osteuropa und in der DDR ist der moderne Revisionismus in eine offene Krise geraten. Das machte den Weg frei für einen neuen Aufschwung im Kampf um den Sozialismus.
6. Der Reformismus gelangte auf Grundlage einer lang anhaltenden Reformpolitik von oben und der Herausbildung kleinbürgerlicher Lebensverhältnisse unter einer Masse von Arbeitern in Westdeutschland bis in die 1970er-Jahre zu einer einzigartigen Blüte. Statt Klassenkampf zum Sturz der kapitalistischen Herrschaft betreibt er Klassenversöhnung zur Rettung des Kapitalismus und lähmt so den Kampfwillen der Arbeiterklasse. Seit dem Ende der Politik der sozialen Reformen Anfang der 1980er-Jahre ist auch der Reformismus in eine Krise geraten. Er hat inzwischen die Aufgabe, den Massen die kampflose Hinnahme von Verschlechterungen ihrer Lohn-, Arbeits- und Lebensbedingungen als alternativlos zu verkaufen. Das hat seine Bindungskraft gegenüber den Massen erheblich beeinträchtigt.
7. Die relative Stabilisierung des Kapitalismus in der BRD führte zu einer lang andauernden Etappe des Klassenkampfs ohne revolutionäre Situation. Seit den 1980er-Jahren kam es jedoch zu einer Wende in der Entwicklung des Klassenbewusstseins. Das Klassenbewusstsein, das Umweltbewusstsein und das Frauenbewusstsein erwachten. Mehrfach wurde der Übergang zur Arbeiteroffensive eingeleitet.
8. In der Arbeiter-, Frauen-, Umwelt-, Volks- und Jugendbewegung wirken die Strömungen der bürgerlichen Ideologie heute vor allem vermittels der kleinbürgerlichen Denkweise. Vom Masseneinfluss her ist der Reformismus und vom ideologischen Einfluss her der Revisionismus die Hauptgefahr innerhalb der Arbeiterbewegung. Gegenstück des Rechtsopportunismus ist das ultralinke Sektierertum, das die Werktätigen vom Sozialismus abschreckt. Unter der Jugend spielt insbesondere der moderne Antiautoritarismus eine schädliche Rolle. Mit der tendenziellen Auflösung der Phase der relativen Ruhe im Klassenkampf rückt der moderne Antikommunismus ins Zentrum der bürgerlichen Propaganda. Die kleinbürgerlich-antikommunistische Denkweise wird zum Haupthemmnis für die Entfaltung des Klassenbewusstseins und der Arbeiteroffensive.
9. Die jahrzehntelange Verinnerlichung der kleinbürgerlichen Denkweise im Denken, Fühlen und Handeln der Massen und die allseitige Manipulation der »öffentlichen Meinung« verhindern ein plötzliches Umschlagen einer wirtschaftlichen, ökologischen oder politischen Krise in eine revolutionäre Krise. Systematisch wird die bürgerliche Weltanschauung in die Arbeiter- und Massenbewegung getragen und spielt auch in Wissenschaft und Kultur eine beherrschende Rolle.
Damit die Arbeiterklasse strategisch in die Offensive kommt, muss sie mit Hilfe der marxistisch-leninistischen Partei mit den verschiedensten Varianten der kleinbürgerlichen Denkweise fertigwerden. Deren bewusste Verdrängung durch die proletarische Denkweise bedeutet in der Praxis den Übergang zur Arbeiteroffensive und des aktiven Volkswiderstands gegen die Regierung. Das ist eine grundlegende Voraussetzung für das Heranreifen der sozialistischen Revolution.
10. Die Krise des bürgerlichen Parlamentarismus, seiner Parteien und Institutionen drückt sich in einer zunehmenden Wahlenthaltung und »Parteiverdrossenheit« der Massen aus. Sie äußert sich auch in den ständigen Veränderungen in der Parteienlandschaft in Deutschland mit immer neuen linksreformistischen, revisionistischen, aber auch ultrareaktionären bis faschistischen Parteien und Bewegungen. Die Herrschenden nutzen und fördern diese gezielt, um das Protestpotential zu absorbieren und einer Revolutionierung der Massen entgegenzuwirken.
11. Ohne die Führung durch ihre revolutionäre Partei wird die Arbeiterklasse nicht erfolgreich zum Sturm gegen die staatliche Macht des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals übergehen können. Die revolutionäre Partei muss sich auf Grundlage der proletarischen Denkweise zu einer wirklichen Partei der Massen entwickeln, die allseitige Wechselbeziehungen mit den verschiedenen Selbstorganisationen der Massen und organisierten Massenbewegungen auf den unterschiedlichsten Gebieten hat.