Eine jederzeit zutreffende Wirtschaftsanalyse als Voraussetzung für die vorausschauende Führung im Klassenkampf

Zur Jahreswende stellen sich viele Menschen die Frage nach der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung. In den bürgerlichen Medien stochern ganze Heerscharen von Propheten mit immer neuen Prognosen im Nebel. In ihrem Leitfaden für „Vermögensanlagen in Wertpapieren“ warnt die Sparkassen-Finanzgruppe sorgenvoll davor, dass neben der staatlichen Konjunktur- und Finanzpolitik „auch Streiks einen starken Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Situation eines Landes ausüben“. Sie treibt die Sorge um, ob es der Regierung gelingt, die Massen zum Stillhalten zu bewegen. So wird Merkels Aufschwungseuphorie bereits von Krisenwarnungen getrübt, es entwickeln sich Kämpfe für die Durchsetzung tatsächlicher Lohnerhöhungen und Ankündigungen weiterer Arbeitsplatzvernichtung wie bei BMW lassen neue Auseinandersetzungen erwarten.


Die Wirtschaftsanalyse spielt deshalb in der augenblicklichen Diskussion des Rechenschaftsberichts (Entwurf) des ZK eine wichtige Rolle. Denn nur diejenige Partei kann eine ernsthafte Führung im Klassenkampf ausüben, die zu jedem Zeitpunkt eine sichere Einschätzung hat, „nicht nur, wie und wohin sich die Ereignisse gegenwärtig entwickeln, sondern auch wie und wohin sie sich künftig entwickeln müssen“ (Stalin).

Andernfalls wird die Partei überrascht oder selbst von der Propaganda der Herrschenden beeinflusst. So glaubte die SPD-Führung nach dem II. Weltkrieg an einen krisenfreien Kapitalismus und Helmut Schmidt (SPD-Bundeskanzler von 1974–1982) verkündete, dass die „Gewinne von heute, die Arbeitsplätze von morgen“ seien. Als es 1973/74 zu ersten Rezessionserscheinungen kam, stiftete der Zweckpessimismus der Monopole riesige Verwirrung in der kleinbürgerlichen ml-Bewegung, auf den nur der KABD (Vorläuferorganisation der MLPD) nicht hereinfiel.

Index der Industrieproduktion wichtiger Staaten 2000=100
Jahr D F GB Indien Italien Japan Kan. Russland China USA OECD
2000 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
2001 100,2 101,3 98,5 102,7 98,8 93,7 96 105,2 109,7 96,5 97,6
2002 99,2 100 96,6 107,7 97,5 92,6 97,5 109,2 123,6 96,5 98
2003 99,6 99,6 96,3 114,8 97 95,4 98,1 112,8 144,3 97,6 99,4
2004 102,6 102,1 97,1 124,5 96,7 100,5 100,1 121,9 167,8 100 102,9
2005 106,1 102,3 95,2 134,4 95,9 101,7 101,4 126,7 194,5 103,2 105,1
2006 112,2 102,7 95,2 148,5 98,4 106,6 100,7 132,7 224,4 107,3 109,6
Quelle: OECD, lange Reihen 1960–2006
Während Länder wie z. B. China und Indien seit 2002 einen Wirtschaftsaufschwung erleben, weisen andere Länder eine stagnierende Entwicklung auf (Frankreich, Italien). Einige Länder verzeichnen sogar eine rückgängige Entwicklung (Großbritannien, Kanada).
Ob sich Deutschland in einem Wirtschaftsaufschwung befindet oder ob es sich 2005 und 2006 um einen größeren Ausschlag noch oben im Rahmen der Schwankenden Stagnation handelt, kann erst die weitere Entwicklung zeigen.
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Willi Dickhut:
Der staatsmonopolitische
Kapitalismus in der BRD

892 Seiten; 26 €

Weiterentwicklung der marxistischen Krisentheorie

Der erfolgreiche Aufbau der MLPD basierte von Anfang an darauf, dass ihre Leitungen und Mitglieder es lernten, die objektive Entwicklung fortlaufend vom Standpunkt des dialektischen Materialismus zu analysieren. Mit der Herausgabe des Bandes „Die wirtschaftliche Macht im staatsmonopolistischen Kapitalismus“ (REVOLUTIONÄRER WEG Nr. 17, 1977) wurde die Krisentheorie des Marxismus-Leninismus auf die Bedingungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus schöpferisch weiter entwickelt: Der Zyklus der gesetzmäßig auftretenden Überproduktionskrisen hatte sich aufgrund der staatlichen Regulierung verändert: Der Wirtschaftskrise ist eine Phase der Schwankenden Stagnation vorgelagert, die an die Stelle des Aufschwungs tritt, die Widersprüche zeitweilig in Spannung hält und den Ausbruch der Krise hinauszögert, ohne sie jedoch verhindern zu können. (Siehe Seite 28)

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Stefan Engel:
Götterdämmerung über der
neuen Weltordnung

560 Seiten
Taschenbuch: 14,80 €
Hardcover: 27 €

Versagen der staatlichen Krisenregulierung

In der Folgezeit bestätigte sich diese Gesetzmäßigkeit, wobei die Weltwirtschaftskrise von 2001 bis 2003 wiederum neue Entwicklungen auf der Grundlage der Neuordnung der internationalen Produktion zeigte, die im Buch Götterdämmerung über der ,neuen Weltordnung‘ analysiert worden war. Die Weltwirtschaftskrise durchdrang sich mit einer internationalen Strukturkrise. Die staatliche Krisenregulierung versagte weitgehend, da die Staaten nicht im selben Maß auf den Weltmarkt und die Weltwirtschaft einwirken können, wie auf die nationalstaatliche Produktion. Die Weltwirtschaftskrise war die bisher längste, tiefste und umfassendste seit dem II. Weltkrieg. Der VII. Parteitag richtete die Leitungen und Mitglieder vorausschauend darauf aus, sich auf „neue Entwicklungen ein(zu)stellen“.

Inzwischen haben sich verschiedene neue Erscheinungen herausgebildet, die gegenüber der Schwankenden Stagnation zu einer weiteren Modifikation des kapitalistischen Krisenzyklus geführt haben. Der Rechenschaftsberichtsentwurf an den VIII. Parteitag analysiert diese neuen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen, die von der Grundlagenabteilung des ZK zunächst ignoriert wurden. Eindeutige Merkmale eines Aufschwungs der Weltwirtschaft wurden als „Sonderfaktoren“ und Zweckoptimismus der Merkel-Regierung abgetan, weil dogmatisch an der bisherigen Analyse festgehalten wurde.

Die neuen Erscheinungen sind durch eine extrem widersprüchliche Entwicklung gekennzeichnet. Darin zeigt sich, dass der Aufschwung den Prozess der zunehmenden Destabilierung keineswegs stoppt, und sogar eine noch tiefere Destabilisierung des kapitalistischen Weltsystems vorbereitet.

Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten der Industrieproduktion

1984–1990 1994–2000 2004–2006
Deutschland 3,4 2,4 4,6
Frankreich 2,2 2,7 0,3
Großbritannien 3,1 1,5 –1,0
Italien 2,8 2,2 0,9
Japan 4,3 1,3 3
Kanada 2 4,9 0,3
USA 2,2 5,3 3,6
OECD 3 3,7 3,2
Quelle: OECD; eigene Berechnung
Die Unterschiedlichkeit der Entwicklung vor allem seit der letzten Weltwirtschaftskrise
von 2000 bis 2003 spiegelt der Vergleich der führenden
OECD-Staaten wieder.

Enorme Ausweitung des Weltmarktes

• Die Aussage, „die Belebung nach der Krise mündet nicht mehr in einen Aufschwung, sondern in eine erneute Schwankende Stagnation“ („Geschichte der MLPD“, II. Teil, S. 345), von der auch der VII. Parteitag ausgegangen war, galt für die Phase der Einengung des damals noch geteilten Weltmarktes durch die oben genannten Maßnahmen der Monopole. Inzwischen ist aber durch die vollständige Integration der ehemaligen RGW-Länder ein einheitlicher Weltmarkt entstanden. Das hat verbunden mit der Öffnung der neokolonial abhängigen Länder für den Weltmarkt zu einer enormen Ausweitung des Weltmarktes geführt. Hierin liegen die konkreten Ursachen für einen Aufschwung der Weltwirtschaft. Dazu gehören auch neue Anlagemöglichkeiten mit der Privatisierung ehemals staatlicher Dienstleistungen und die sprunghafte Zunahme der Kapitalakkumulation durch höchst spekulativ eingesetztes Kapital. Die Kehrseite davon sind jedoch weltweite Abhängigkeiten, sodass das Finanzkapital völlig überrascht wurde, „wie schnell und wie umfassend“ die nationale Immobilienkrise in den USA „auf andere Marktsegmente übergriff und sich über Ländergrenzen hinweg ausbreitete“ und zu einer internationalen Kredit-, Finanz- und Bankenkrise geführt hat, „ein bis dahin nicht für möglich gehaltenes Phänomen“ (Deutsche Bank Chef Josef Ackermann). Mit einer konzertierten Aktion versuchen die führenden Zentralbanken der Welt immer noch fieberhaft ein Übergreifen auf die Weltwirtschaft ("Realwirtschaft") zu verhindern.

• Die internationale Strukturkrise vernichtet ständig in großem Umfang Kapital und Arbeitsplätze. Das ist verbunden mit einem neuen Höchststand von Fusionen und Übernahmen von 4,342 Billionen Dollar 2007 und einer weltumspannenden Investitionswelle. Diese ist einerseits der Hauptschrittmacher des weltwirtschaftlichen Aufschwungs, schafft aber auch enorme Überkapazitäten und bereitet eine neue Weltwirtschaftskrise vor.

• Die staatlichen Maßnahmen zur Krisendämpfung im nationalen Rahmen ziehen wie in den USA eine weitere Krisenverschärfung nach sich. Die Zuwachsraten schlagen vor der Krise stärker nach oben aus, was aber zu einem stärkeren Einbruch in der Krise führt, weil die Vernichtung des gewaltig angehäuften überschüssigen Kapitals schlagartig erfolgt. Firmenzusammenbrüche, Massenentlassungen, Zahlungsunfähigkeit der Banken und der Versicherungsfonds, Zwangsräumungen usw. sind die Folgen.

• Ein weiteres Merkmal ist die vertiefte Ungleichmäßigkeit der Entwicklung zwischen Ländern mit hohen Wachstumsraten wie China, Indien, Brasilien, Argentinien, Türkei oder Russland, Ländern mit durchschnittlichen Wachstumsraten wie USA und Japan und Ländern mit einer Schwankenden Stagnation wie Frankreich, Großbritannien, Kanada und Italien. Das erhöht die Labilität der weltwirtschaftlichen Entwicklung.

• Deutschland verzeichnet durch das Wachstum des Weltmarktes relativ hohe Wachstumsraten beim Export und insbesondere den Investitionsgütern. Ob dies Merkmale hoher Ausschläge im Rahmen der Schwankenden Stagnation oder eines wirtschaftlichen Aufschwungs sind, lässt sich erst nach einem längeren Beurteilungszeitraum entscheiden.

 

Produktionsindex (2) Branchen (2000 = 100)

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Vorleistungsgüter 100 99,3 98,9 99,5 103,3 106,5 114,9
Investitionsgüter 100 102,3 101,1 102 105,7 111 118,5
Gebrauchsgüter 100 100,4 92 87,2 87,4 87,8 94
Verbrauchsgüter 100 98,8 98,2 97,4 98 101 101,8

Das Wirtschaftswachstum in der BRD beruht wesentlich auf der Steigerung des Auslandsumsatzes. Das Wachstum auf der Linie der Produktionsmittel und der Konsumtionsmittel zeigt dabei eine sehr unterschiedliche Entwicklung. Während die Vorleistungsgüter und Investitionsgüter seit 2004 deutliche, sich steigernde Wachstumsraten haben, stagnieren die Raten für Gebrauchsgüter und Verbrauchsgüter. Der Index der Gebrauchsgüter liegt auch 2006 noch deutlich unter dem Stand des Jahres 2000, was Ausdruck der gesunkenen Kaufkraft der Massen durch die Ausbeutungsoffensive und die staatliche Umverteilung zu Gunsten der internationalen Monopole und zu Lasten der Massen ist.

Die wesentliche Auswirkung zeigt der Rechenschaftsberichtsentwurfs auf: „Durch die nachlassende Wirkung der staatlichen Krisenregulierung sind die Ausschläge zwischen den Krisen nach oben und nach unten stärker. Das lässt eine einschneidende Destabilisierung der künftigen gesellschaftlichen Entwicklung insbesondere mit dem Ausbruch eine neuen Weltwirtschaftskrise erwarten.“ (S. 19)

Die MLPD stellt sich mit der Beratung des Rechenschaftsberichtsentwurfs darauf ein, dass die kommende Weltwirtschaftskrise mit einer offenen politischen Krise und harten Klassenauseinandersetzungen verbunden sein wird, weil sie bisher nicht gekannte Formen der Unterdrückung und Ruinierung der Massen hervorbringen wird. Wenn wir in den kommenden Monaten mit der Gründung von weiteren Landesverbänden die größte Reorganisierung der Parteigeschichte durchführen, dann ist dies auch eine Vorbereitung auf eine solche Entwicklung. Sie erfordert, dass die Partei in der Lage ist, in allen wirtschaftlichen und politischen Zentren des Landes Kämpfe von strategischer Bedeutung zu führen.

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