Erfolgreicher Hamburger Parteitag der MLPD!
Rote Fahne: Soeben haben wir erfahren, dass die MLPD ihren VIII. Parteitag durchgeführt hat. Kannst du kurz darstellen, was seine wichtigsten Aufgaben und Ergebnisse waren?
Stefan Engel: Der
VIII. Parteitag konnte auf die erfolgreichste Leitungsperiode eines
Zentralkomitees seit der Parteigründung zurückblicken. Es gelang uns
wie nie zuvor, die relative Isolierung der Partei nachhaltig zu
durchbrechen und zu einer gesamtgesellschaftlich bedeutenden Kraft zu
reifen. Das musste gründlich ausgewertet werden, um daraus
Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen. Politisch befinden wir
uns auf Grundlage der Neuorganisation der internationalen Produktion in
einer allgemeinen Übergangssituation. Das führt zu einer komplizierten
wirtschaftlichen und politischen Gemengelage, die sich entsprechend in
der Entwicklung des Klassenbewusstseins niederschlägt. Die wichtigste
Entwicklung im Klassenbewusstsein ist der allgemeine Linkstrend,
der sich seit 2003 unter den breiten Massen insbesondere im Kern des
Industrieproletariats herausgebildet hat. Der Parteitag musste sich mit
diesem Linkstrend befassen, die Rolle der MLPD in diesem Linkstrend
analysieren und sich für die Zukunft positionieren.
Der VIII. Parteitag nimmt sicherlich eine herausragende Bedeutung in
der Geschichte der MLPD ein, weil er den Übergang zur neuen Grundlage
des Parteiaufbaus - der Arbeit auf der Grundlage der proletarischen
Denkweise - nach 13 Jahren vollenden konnte. Er bewies eine große Reife
der Partei, eine gewachsene Schlagkraft und Anziehungskraft auf die
Massen, was sich insbesondere in dem deutlichen Mitgliederwachstum
ausdrückte.
Die ausführlichen Vorbereitungen des Parteitags beinhalteten nicht
zuletzt auch die Gründung von sechs neuen Landesverbänden. Nach diesen
vor allem innerparteilichen Diskussionen drängt die Organisation
bereits darauf, die neuen Erkenntnisse und Beschlüsse in der Praxis
anzuwenden.
Rote Fahne: Wird die MLPD vom Linkstrend profitieren können?
Stefan Engel: Ja,
auf jeden Fall, weil er eine gewachsene Offenheit für eine
sozialistische Alternative zum Ausdruck bringt. Es ist heute wieder
selbstverständlich, dass man vom Kapitalismus, seiner Profitmacherei,
von Ausbeutung usw. spricht, statt von "sozialer Marktwirtschaft", vom
"Sozialstaat" und "sozialen Frieden". Der Linkstrend ist eine
Widerspiegelung der objektiven Entwicklung der historischen
Umbruchphase vom Kapitalismus zum Sozialismus. Dies hat mit der
Neuorganisation der internationalen Produktion eingesetzt. Sie lässt
die Realitäten und Klassenwidersprüche in der Entwicklung des
Imperialismus krass zu Tage treten und die Massen verstärkt nach einer
gesellschaftlichen Alternative suchen.
Zugleich wäre es eine Illusion, den Linkstrend pauschal als Ausdruck
der proletarischen Denkweise anzusehen. Der Linkstrend ist eine neue qualitative Stufe in der Entwicklung des Klassenbewusstseins:
Die seit Jahren beobachtete Loslösung der Massen von den bürgerlichen
Parteien, dem bürgerlichen Parlamentarismus und seinen Institutionen
hat jetzt eine eindeutige Richtung genommen gegen den Kapitalismus und
seine menschenverachtende Profitmacherei. Auf der anderen Seite sind
die Massen noch nicht fertig mit kleinbürgerlich-reformistischen oder
kleinbürgerlich-revisionistischen Prägungen, die sich in Jahrzehnten
herausgebildet haben. So geht der Linkstrend noch vielfach einher mit
einer Hoffnung auf die Durchsetzung einer gesellschaftlichen
Alternative auf parlamentarischem Wege oder auf andere Lösungen
innerhalb des kapitalistischen Systems. Der gegenwärtige Linkstrend ist
also noch kein sozialistisches Bewusstsein, sondern kennzeichnet einen Übergang zu einem solchen sozialistischen Bewusstsein, das sich allerdings nicht automatisch herausbilden wird.
Unsere internationalen Gäste auf dem VIII. Parteitag verdeutlichten uns
anschaulich, dass der Linkstrend und die damit verbundene
Auseinandersetzung eine internationale Erscheinung ist. So sind
insbesondere in Nepal, Venezuela, in Ecuador oder in Bolivien
fortschrittliche antiimperialistische Regierungen gewählt und die
reaktionären Regierungen abgelöst worden. Doch eine fortschrittliche
Regierung zu haben, bedeutet noch lange nicht, die Macht zu haben! Die
antiimperialistischen Regierungen erweitern einerseits den Spielraum
der revolutionären antiimperialistischen Massenbewegungen, andererseits
haben diese Regierungen oft eine linksreformistische und
neorevisionistische Grundlage. Sie bewegen sich im Rahmen des Systems,
verbreiten die Illusion systemüberwindender Reformen und stärken somit
objektiv - ob sie das wollen oder nicht - die Illusion in die
Reformierbarkeit der kapitalistischen und imperialistischen
Ausbeutungsverhältnisse. Dabei gibt es derzeit in Lateinamerika immer
mehr Anzeichen für eine konterrevolutionäre und kriegerische
Unterdrückung der linken Entwicklungsrichtung. In dieser Situation ist
es besonders wichtig, dass die Lehren des blutigen Massakers in Chile
1973 eindringlich in Erinnerung gerufen werden: Es gibt keinen Weg zum
Sozialismus ohne die Zerschlagung der bürgerlichen Staatsmacht und die
Errichtung der Diktatur des Proletariats! Deshalb ist unsere wichtigste
Schlussfolgerung für die Arbeit der nächsten Zeit eine neue taktische
Offensive für den echten Sozialismus!
Rote Fahne: Was soll man sich darunter vorstellen?
Stefan Engel: Für
diese neue Offensive für den echten Sozialismus werden wir das Wahljahr
2009 nutzen. Die MLPD wird dazu an den Bundestagswahlen 2009
teilnehmen. Noch im September werden wir die Aufstellung unserer
Landeslisten in allen Bundesländern abgeschlossen haben. Wir
kandidieren als MLPD/Offene Liste, öffnen also unsere Listen auch bei
dieser Wahl wieder für parteilose Menschen aus der kämpferischen
Opposition.
Der Kern dieser Arbeit wird eine weltanschauliche Offensive für den
echten Sozialismus sein. Die Massen müssen eine positive und greifbare
Vorstellung von dem bekommen, was wir unter "echtem Sozialismus"
verstehen. Und sie müssen - zumindest in groben Zügen - unsere Kritik
an der revisionistischen Entartung der alten kommunistischen Bewegung
und die Schlussfolgerungen der MLPD begreifen. Das gilt ebenso für
unsere Kritik an der Untauglichkeit der linksreformistischen Strategie
Lafontaines und seiner Linkspartei.
Diese weltanschauliche Offensive steht in Verbindung mit der
Verankerung und Entfaltung des Kampfes für die wichtigsten ökonomischen
und politischen Forderungen der Massen und die vielfältige Förderung
ihrer Organisiertheit. Auf dieser taktischen Ebene gibt es viele
Übereinstimmungen mit der Linkspartei, die wir auch entsprechend
würdigen. Ich denke z.B. an die Forderungen "Weg mit Hartz IV",
"Sofortiger Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan" usw. Wir werden
das besondere politische Interesse der Massen in Wahlkampfzeiten auch
nutzen, weiter an der nachhaltigen Durchbrechung der relativen
Isolierung der MLPD zu arbeiten. Wir müssen dazu systematisch
öffentlich in Erscheinung treten und immer umfassender zu einem nicht
mehr wegzudenkenden Faktor in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung
werden. Das ist angesichts der weitgehenden Mediensperre gegenüber der
MLPD heute noch in erster Linie eine Frage der systematischen
Kleinarbeit, des entscheidenden Trumpfs der MLPD.
Bei den letzten Bundestagswahlen lag unser Aufbauschwerpunkt mehr
in der Ausweitung der Parteiarbeit auf neue Städte und Regionen. Das
ist damals gut gelungen. Diesmal werden wir den Schwerpunkt auf die
Stärkung unserer Parteiarbeit in den wichtigsten wirtschaftlichen und
politischen Zentren legen. Wir werden dabei noch mehr Gewicht auf die
Methoden der nachhaltigen Mitgliedergewinnung, der Festigung und
Entwicklung neuer Mitglieder in größere Verantwortung und der
Einarbeitung unserer Funktionäre in neue Funktionen legen. Wir haben
zwischen dem VII. und VIII. Parteitag mit 60 Prozent Neuaufnahmen die
große Attraktion der Partei auf die Massen erleben können. Ein Teil
dieser Neuaufnahmen ging allerdings wieder verloren. Das hat - neben
verschiedenen Faktoren, die außerhalb unserer Einflussnahme liegen -
auch die Ursache, dass wir ihrer Betreuung und Ausbildung zu wenig
Bedeutung beimaßen.
Wir werden noch im September mit dem Kampf um unsere Wahlzulassung
beginnen, der Sammlung der notwendigen Unterstützungsunterschriften
usw. Dies soll hauptsächlich im Rahmen der tagtäglichen Kleinarbeit
stattfinden, in Verbindung mit den verschiedensten Aufgaben im
Klassenkampf und Parteiaufbau. Wir werden auch wieder Wählerinitiativen
aufbauen, allerdings zunächst in einigen regionalen Zentren. Die
eigentliche Wahlkampagne wird dann im Sommer 2009 losgehen und von
einem offensiven Straßenwahlkampf geprägt sein.
Der Wahlkampf und vor allem seine Ergebnisse im Parteiaufbau werden
sicherlich ein Test werden, wie es der MLPD gelingt, im Linkstrend die
revolutionäre und sozialistische Richtung zu stärken.
Rote Fahne: Wird die SPD ihre Krise überwinden?
Stefan Engel: Der
"freie Fall" der SPD in den letzten Monaten war für viele politische
Beobachter atemberaubend. In den Forsa-Meinungsumfragen lag sie
zeitweise nur noch bei 20 Prozent, im Saarland sogar hinter der
Linkspartei.
Dass Kurt Beck als vierter Parteivorsitzender der SPD in nur fünf
Jahren so grandios scheiterte, wundert mich nicht. Er versuchte
einerseits, das soziale Image der SPD wieder aufzupolieren, nahm dazu
einige kleinere "Korrekturen" an der Agenda 2010 vor - um gleichzeitig
am Kern des volksfeindlichen Agenda-2010-Kurses festzuhalten. Bereits
Ende 2007 schlitterte die SPD wieder in eine offene Parteienkrise, die
mit der putschartigen Ablösung Becks einen neuen Höhepunkt fand. Der
Grund für die Krise der Sozialdemokratie liegt weniger in den falschen
Personen an der Spitze der SPD, sondern in ihrer volksfeindlichen
Politik, die sie ihrer Massenbasis unter Arbeitern einfach nicht mehr
als sozial verkaufen kann. Solange sich hier nichts ändert, wird die
SPD auch nicht aus ihrem Schlamassel heraus kommen.
Mit Steinmeier als Kanzleramtsminister unter Schröder wurde nun der
Architekt der Agenda 2010 als Kanzlerkandidat inthronisiert und
Müntefering als maßgeblicher Vollstrecker dieser Politik in der SPD
wieder an die Parteispitze geholt. Das ist mit einem klaren Bekenntnis
zur von Schröder eingeleiteten offen volksfeindlichen Agenda-Politik
verbunden. Der meiste Applaus dafür kommt bislang bezeichnenderweise
von den Unternehmerverbänden.
Die Parteienkrise der SPD ist ein grundsätzliches Problem für die
Herrschaftsausübung der Diktatur der Monopole im Rahmen der
bürgerlichen Demokratie. Es ist die Hauptaufgabe der Sozialdemokratie,
die Arbeiterklasse an den Kapitalismus zu binden. Mit dem "neuen" alten
Kurs der SPD wird sich der Loslösungsprozess von der Sozialdemokratie
in der Arbeiterklasse letztlich weiter verstärken.
Rote Fahne: Wie steht die MLPD zur Linkspartei?
Stefan Engel: Auf
parlamentarischer Ebene ist die Linkspartei zweifellos die derzeitige
Hauptgewinnerin des Linkstrends. Sie profitierte vor allem von der
offenen Parteienkrise der SPD und liegt in verschiedenen Umfragen
derzeit bei 15 Prozent. Das ist fast doppelt so viel wie noch bei den
Bundestagswahlen 2005. Oskar Lafontaine beschrieb als strategische
Position seiner Partei auf dem Cottbuser Parteitag im Mai 2008, "die Demokratie zu retten" und "dem sich immer schneller drehenden Rad des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus in die Speichen zu greifen". Er will also gar nicht den Kapitalismus abschaffen, sondern ihm allenfalls "in die Speichen greifen",
damit er nicht allzu rigoros rotiert. Durch den Höhenflug in
Wahlergebnissen sind allerdings verschiedene führende Repräsentanten
der Linkspartei schon von Schwindel befallen und für manchen wird im
Erfolgsrausch der Drang nach Parlamentssitzen oder gar
Regierungsmandaten unwiderstehlich. So sind die offiziellen
Parteideklarationen immer mehr von dem Ziel geprägt, gemeinsam mit
einer nach links geläuterten SPD und den revitalisierten Grünen die
Regierungsgeschäfte der Diktatur der Monopole zu übernehmen. Diese so
genannte "strategische Option" verstärkt gleichzeitig
unübersehbar die Neigung der entsprechenden Strategen der Linkspartei
zu verschärftem Antikommunismus in linkem Gewand. Das ist der Preis, um
sich als salonfähig - sprich regierungsfähig - zu erweisen.
Die
forcierte Ausrichtung als Mehrheitsbeschafferin der SPD verschärft
allerdings die Widersprüche innerhalb der Linkspartei, zumal sich ein
großer Teil der Wähler der Linkspartei eine linke Alternative zur SPD
wünscht und nicht eine Unterstützung der selben SPD von links. An
vielen Orten entfalten sich die innerparteilichen Konflikte, brechen
Fraktionen, Zerwürfnisse und fundamentale Widersprüche auf. Wir sehen
das auch mit Sorge, weil sich das auch gegen den Linkstrend auswirken
und engagierte Leute in die Resignation treiben kann. Tragfähige
Bündnisse sind unter solchen Umständen nur schwer zu realisieren.
Auf unserem Parteitag wurde das Phänomen des Linkstrends als
Übergangserscheinung in der Entwicklung des Klassenbewusstseins
betrachtet, das nach einer Entscheidung drängt. Dafür gibt es durchaus
auch historische Parallelen wie den Aufstieg und Fall der USPD nach dem
I. Weltkrieg in den 1920er Jahren. In ihr hatten sich die verschiedenen
Kritiker der SPD von Eduard Bernstein über Karl Kautsky bis Ernst
Thälmann zusammen gefunden. Sie erreichte bei den Wahlen Anfang der
1920er Jahre 17 Prozent und 84 Mandate, die allerdings alle bei den
nächsten Wahlen wieder verloren gingen. Heute müssen die Massen mit
einer relativ tief verwurzelten kleinbürgerlich-reformistischen und
kleinbürgerlich-parlamentarischen Denkweise fertig werden. Wir müssen
alle nur möglichen Bemühungen unternehmen, um auf der Grundlage des
Kampfes mit Mitgliedern und Anhängern der Linkspartei gegen die
Massenarbeitslosigkeit, imperialistische Kriege, Neofaschismus, im
Kampf um die Befreiung der Frau und für den Sozialismus zusammen zu
arbeiten und auf dieser Grundlage unermüdliche Überzeugungsarbeit gegen
die linksreformistischen und neorevisionistischen Theorien leisten.
Rote Fahne: Mit der Reorganisierung in Landesverbände und Kreise im Vorfeld des VIII. Parteitags hatte sich die MLPD viel vorgenommen. Wie ist das Ergebnis zu beurteilen?
Stefan Engel: Der
VIII. Parteitag wurde zum Höhepunkt und relativen Abschluss der
Reorganisierung in sieben Landes- und der Gründung neuer Kreisverbände.
Das durchdrang sich mit der Selbstveränderung unserer Kleinarbeit, um
sie auf die bevorstehenden Aufgaben im Klassenkampf einzustellen. Das
alles hat viel Kraft gekostet. Aber dazu gab es keine Alternative. Die
Arbeit der MLPD ist vielfältiger und komplexer geworden. Wir haben uns
neue Aufgaben gestellt, aber auch die Erwartungen der Massen an unsere
Genossen sind gewachsen. So wurde z.B. unsere umweltpolitische oder
auch internationalistische Kleinarbeit verstärkt. Wir haben uns in der
Jugendarbeit viel vorgenommen und unseren Einfluss in den Betrieben der
internationalen Übermonopole quantitativ und qualitativ ausgebaut. Wir
haben mit parlamentarischer Arbeit auf kommunaler Ebene begonnen.
Dieses entwickelte System der marxistisch-leninistischen Kleinarbeit in
über 400 Städten und Regionen konnte unmöglich im ganzen Bundesgebiet
weiter unmittelbar vom ZK angeleitet werden. Denn auch die
theoretischen und praktischen Aufgaben des ZK für die Vorbereitung der
internationalen Revolution haben sich erweitert.
Es hat strategische Bedeutung, dass wir im föderalistisch aufgebauten
Deutschland Landesverbände und -leitungen haben, in denen unsere Arbeit
in den regionalen Zentren unmittelbar geführt wird. Die Hauptaufgabe
der Landesleitungen ist eine differenzierte Anleitung und Kontrolle
unserer Organisationsbasis. Die sieben Landesverbände konnten direkt
auf hohem Niveau starten. So haben wir unsere Selbstverpflichtung wahr
gemacht, unsere Leute auszubilden, bevor sie neue Aufgaben übernehmen.
Dazu haben wir drei Dialektikkurse ausgearbeitet: "Die
Landesleitungsarbeit auf der Grundlage der proletarischen Denkweise
erlernen". Daran nahmen hunderte Genossinnen und Genossen teil, die nun
neue Verantwortung übernehmen. Überall gab es eine große Auswahl an
Kandidaten für die demokratischen Wahlen der Landesgremien. Insgesamt
haben seit Frühjahr 2006 mehr als 50 Prozent unserer Genossinnen und
Genossen neue Aufgaben übernommen! Das neue System der Zwischenebenen
und seine Durchdringung mit dem ZK zielt in den nächsten Jahren auf die
Verwirklichung der neuen organisationspolitischen Leitlinie des
Kreisaufbaus auf breiter Front und der marxistisch-leninistischen
Jugendarbeit als Lebensschule der proletarischen Denkweise.
Rote Fahne: Was hat der Parteitag zur Lösung des Problems der Jugendarbeit diskutiert?
Stefan Engel: Der
VIII. Parteitag stellte eine Trendwende in der
marxistisch-leninistischen Jugendarbeit fest. Der wichtigste Erfolg
dabei besteht sicherlich darin, dass sich unsere Kinderorganisation,
die Rotfüchse, wieder zu einer quicklebendigen bundesweiten
Organisation mit eigener Leitung gemausert hat. An den Dialektik-Kursen
zur marxistisch-leninistischen Jugendarbeit nahmen bisher über 350
Genossen teil, was die Grundlage für diese positive Entwicklung legte,
uns aber auch auf die Tiefe des Problems hinwies. Der Parteitag
diskutierte, dass zur Lösung des Problems in der Jugendarbeit eine
ganze Kritik-Selbstkritik-Kampagne notwendig ist. In der Partei ist -
auch unter dem Einfluss des Antiautoritarismus und der bürgerlichen
Sozialpädagogik - ein richtiger Wildwuchs entstanden, bei dem unsere
jugendpolitische Linie verdrängt wurde. Um dies nachhaltig zu ändern,
reichen einzelne gute Ansätze oder auch hervorragende Initiativen nicht
aus, die es zweifellos die ganzen letzten Jahre immer wieder und
überall gab. Dafür ist eine ganze Periode der Selbstveränderung der
gesamten Partei, des Jugendverbands REBELL und der Rotfüchse notwendig.
Wir haben es bei diesem Problem nicht einfach mit innerparteilichen
Fragen zu tun. Die Frage der Jugend ist ein fundamentales
gesellschaftliches Problem. Die Destruktivkräfte des Imperialismus
konzentrieren sich bei der Jugend: in Kinderarmut, Perspektivlosigkeit,
ätzender Jugendkultur, der Jugend als Kanonenfutter oder auch
zerstörerischen Massenerkrankungen wie ADHS schon im Kindesalter.
Zugleich sucht die Jugend am intensivsten nach einer sozialistischen
Perspektive. An der Stellung zu diesem gesellschaftlichen Problem zeigt
sich die Stellung zur Zukunft, zu den strategischen Fragen des
Klassenkampfes. Deshalb ist die Selbstveränderung der Jugendarbeit die
Schlüsselfrage der zukunftsweisenden Selbstveränderung der gesamten
Parteiarbeit!
Die marxistisch-leninistische Jugendarbeit muss eine Lebensschule der
proletarischen Denkweise unter der Masse der Jugend verwirklichen und
ihr helfen, mit der kleinbürgerlich-antiautoritären Denkweise, vor
allem einer verbreiteten Organisationsfeindlichkeit, fertig zu werden.
Die Jugendlichen müssen selbständig werden. Sie sollen Respekt vor der
körperlichen Arbeit haben und Weltoffenheit lernen, Kämpfer und
Marxisten-Leninisten werden usw. Sie sollen gesellschaftliche
Verantwortung übernehmen, was der Grundansatz in der selbständigen
Verantwortung des REBELL für die Kinder- bzw. Rotfuchsarbeit ist.
Wichtig ist auch, dass die Jugendlichen einen gleichberechtigten und
offenen Umgang unter Mädchen und Jungen lernen, gegen den ätzenden
Sexismus, wie er in dieser kapitalistischen Gesellschaft weit
verbreitet ist. Mit einem erfüllten Lebensinhalt und dem nötigen
Selbstbewusstsein werden sie auch nicht anfällig für Drogen und
Alkoholismus sein.
Der künftige Parteiaufbau steht und fällt damit, dass der REBELL wieder
zum Hauptreservoir für die Mitgliedergewinnung der MLPD wird.
Rote Fahne: Es gab 2005 erstmals einen außerordentlichen Parteitag der MLPD wegen ernsthafter Probleme in der Zentralen Kontrollkommission (ZKK). Wie hat sich die ZKK seither entwickelt?
Stefan Engel: Das war tatsächlich eine sehr einschneidende Auseinandersetzung! Die Zentrale Kontrollkommission ist immerhin eine wesentliche Schlussfolgerung der MLPD als Partei neuen Typs. Die revisionistische Entartung und die Zerstörung des Sozialismus in der Sowjetunion seit Mitte der 1950er Jahre gingen von der Führung aus. Deshalb muss neben einer funktionierenden Kontrolle von unten und der Selbstkontrolle jedes Einzelnen ein Gremium existieren, welches das ZK und insbesondere die Denkweise der führenden Funktionäre der Partei unabhängig kontrolliert. Die Notwendigkeit zu einem außerordentlichen Parteitag war entstanden, weil ausgerechnet dieses Gremium, das ein wesentlicher Damm gegen das Vordringen der kleinbürgerlichen Denkweise sein muss, selbst zum Ausgangspunkt negativer Entwicklungen wurde. Es kam zum Verlust der Unabhängigkeit der ZKK in Form von Verstößen gegen die Richtlinien der Kontrollkommissionen. Diese äußerten sich in herzloser Kaderbehandlung oder auch vereinzelten, aber schwer wiegenden ungerechtfertigten bürokratisch-administrativen Maßnahmen. Es ist eine herausragende Errungenschaft der MLPD, solche Fehlentwicklungen schonungslos aufzuklären, aufzuarbeiten und demokratisch in der Mitgliedschaft zu diskutieren. Gleichzeitig werden dafür verantwortliche Genossen nicht vorschnell aufgegeben und ihnen nicht das Vertrauen entzogen, solange noch eine Klärung möglich ist. So ist es gelungen, ausgehend vom außerordentlichen Parteitag und der dortigen Neuwahl der ZKK eine Überwindung der Krise in ihrer Tätigkeit und einen Neuanfang zu erreichen. In der gesamten Mitgliedschaft wuchs eine tiefe Sensibilisierung über die Bedeutung des Systems der Selbstkontrolle. Der VIII. Parteitag würdigte die freimütige selbstkritische Offenlegung ihrer groben Fehler durch die ZKK und ihre große Bereitschaft zur Selbstveränderung, damit diese Erscheinungen einer kleinbürgerlich-bürokratischen Kontrolle und Selbstkontrolle nicht mehr vorkommen. All das wurde im Bericht der ZKK, die nur gegenüber dem Parteitag rechenschaftspflichtig ist, umfassend aufgearbeitet, der Bericht einstimmig angenommen und eine gestärkte ZKK gewählt. Der Parteitag gab zugleich den Auftrag, dass die Genossen der ZKK weiter hart an der tatsächlichen Verwirklichung ihrer unabhängigen Kontrolle arbeiten müssen. Das ist vor allem eine hohe Herausforderung an den proletarischen Ehrgeiz zur ideologisch-politischen Initiative sowie zur Beherrschung der dialektischen Methode auf dem Niveau der Lehre von der Denkweise. Jede Passivität oder Labilität in der Unabhängigkeit bringt einen kleinbürgerlichen Einfluss zum Ausdruck, d.h. eine unzureichende Fähigkeit, in jeder Situation mit der kleinbürgerlichen Denkweise fertig zu werden. Ebenso wie das allseitig funktionierende System der Selbstkontrolle der Partei das Geheimnis des begeisternden und erfolgreichen Parteitags war, ist es der Schlüssel, um mit allen Einflüssen der kleinbürgerlichen Denkweise auf dem Weg zur Partei der Massen fertig zu werden.
Rote Fahne: Hat die Auseinandersetzung mit der ZKK die Partei nicht zurück geworfen?
Stefan Engel: Im Endergebnis nicht. Natürlich waren die prinzipiellen Verstöße gegen die Richtlinien der Kontrollkommissionen und das Vordringen von Erscheinungsformen einer kleinbürgerlich-bürokratischen Kontrolle und Selbstkontrolle der ZKK ein ernstes Problem mit schwerwiegenden Fehlern und Folgen, deren Aufarbeitung uns zeitweilig stark in Anspruch nahm. In der Aufarbeitung dieses Problems ist es der Partei allerdings gelungen, das System der Selbstkontrolle der Partei tiefgehend zu begreifen, höher zu entwickeln und zur Entfaltung zu bringen. Dieses System der Selbstkontrolle der Partei ist eine entscheidende Schlussfolgerung aus der revisionistischen Entartung der alten kommunistischen Bewegung, bei der führende Kader der Partei- und Wirtschaftsführung der ehemals sozialistischen Länder von der kleinbürgerlichen Denkweise erfasst wurden und sich zu einer neuen herrschenden Klasse entwickelt hatten. Um dieser Entwicklung vorzubeugen, muss die marxistisch-leninistische Partei Wege finden, das rechtzeitig zu erkennen, solche Entwicklungen aufzuhalten und zu korrigieren. Als solches Instrumentarium hat sich das System der Selbstkontrolle der Partei erwiesen. Es war das Meisterstück in der Einführung der neuen Grundlage des Parteiaufbaus und man kann zusammen mit der erfolgreichen Auseinandersetzung um die ZKK sagen, dass damit auch der Übergang zur neuen Grundlage des Parteiaufbaus vollendet ist.
Rote Fahne: Was bedeutet das eigentlich, Übergang zur neuen Grundlage des Parteiaufbaus?
Stefan Engel: Die
neue Grundlage bedeutet, dass die Partei zu jeder Zeit gewährleisten
muss, dass ihre führenden Kader nicht aus kleinbürgerlich-egoistischen
oder individualistischen Motiven heraus ihre Tätigkeit ausüben, sondern
selbstlos im Sinne des Befreiungskampfes von Ausbeutung und
Unterdrückung. Dazu gehört, dass sie eine dialektisch-materialistische
Denk- und Arbeitsweise zur Herstellung der Einheit von Theorie und
Praxis verwirklichen, um Fehler zu vermeiden und durch die ganze Art
ihres Denkens, Fühlens und Handelns der Partei eine proletarische
Prägung verleihen. Die Partei hat sich dazu bestimmte Methoden
erkämpft: die konkrete Analyse des Kampfs zwischen proletarischer und
kleinbürgerlicher Denkweise unter den Massen und in der Partei; die
Strategie und Taktik im Kampf um die Denkweise der Massen und in der
internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung; eine
proletarische Streitkultur zur richtigen Behandlung der Widersprüche
zwischen Partei und Massen.
Mit der neuen Grundlage des Parteiaufbaus können nicht alle Probleme
gelöst sein, da die kleinbürgerliche Denkweise aufgrund der
vorherrschenden bürgerlichen Ideologie in der kapitalistischen
Gesellschaft immer wieder in die Partei eindringen und sich dort
ausbreiten kann. Auch kann die neue Grundlage nicht das Gesetz des
Vordringens der kleinbürgerlichen Denkweise und das Gesetz des Kampfs
zweier Linien außer Kraft setzen. Aber wir haben mit dem System der
Selbstkontrolle innerhalb der Partei eine überlegene Methode, sozusagen
eine stärkere Kraft entwickelt, um mit diesen Gesetzmäßigkeiten fertig
zu werden und den proletarischen Charakter der Partei zu verteidigen,
zu festigen und Fehler zu vermeiden.
Rote Fahne: Auf dem Parteitag waren offensichtlich auch viele internationale Gäste?
Stefan Engel: Es
war uns eine besondere Ehre auf unserem Parteitag, zehn Delegationen
der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung aus
vier Kontinenten begrüßen zu können. Insgesamt hat die MLPD 50
internationale Grußadressen aus aller Welt zu ihrem Parteitag erhalten.
Das zeigt, dass der Hamburger Parteitag unter einer großen Anteilnahme
der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung
stattfand.
Die internationalen Gäste verfolgten nicht nur den Parteitag, sondern
brachten sich auch aktiv und konstruktiv in die Beratungen ein, so dass
ein gegenseitiger Lernprozess stattfand, der den Parteitag enorm
bereicherte.
Auf diese Weise bekam der Parteitag eine besondere
proletarisch-internationalistische Prägung, von der eine große
Begeisterung ausging. Die Stärkung des gegenseitigen Verständnisses und
des Vertrauensverhältnisses wird sich sicherlich positiv auf die
Entwicklung der Zusammenarbeit der internationalen
marxistisch-leninistischen und revolutionären Organisationen zur
Koordinierung und Revolutionierung der Kämpfe auswirken.
Inzwischen haben sich 27 Organisationen aus aller Welt der
Initiative der revolutionären Parteien und Organisationen zur
Koordinierung ihrer Arbeit in Klassenkampf und Parteiaufbau (ICOR)
angeschlossen. Hier entsteht ein wichtiges neues Projekt der
gleichberechtigten praktischen Zusammenarbeit zur Vorbereitung der
internationalen Revolution.
Wir brauchen ein sehr differenziertes System der internationalen
Koordinierung, das der Tatsache recht unterschiedlicher Parteien mit
unterschiedlichen strategischen Aufgaben und einem unterschiedlichen
Entwicklungsstand im revolutionären Klassenkampf gerecht wird.
Die internationalistische Arbeit wird einen größeren Stellenwert in der
Arbeit der Partei und des neuen Zentralkomitees bekommen.
Sie ist auch eine entscheidende Grundlage für die weitere Ausarbeitung
des REVOLUTIONÄREN WEG 32-34. Die Strategie und Taktik der
internationalen Revolution kann nicht aus bürgerlicher und
kleinbürgerlicher Literatur abgeleitet werden. Sie entsteht aus dem
sorgfältigen Studium und der theoretischen Verarbeitung der lebendigen
Realität der Internationalisierung des Klassenkampfes und der
weltweiten Erfahrungen im marxistisch-leninistischen Parteiaufbau.
Rote Fahne: Darf man dem alten Parteivorsitzenden zu seiner Wiederwahl gratulieren?
Stefan Engel: Die Wahlen der zentralen Gremien bildeten einen
wichtigen Höhepunkt des VIII. Parteitags. Noch nie hatte die Partei -
trotz der kurz zuvor durchgeführten Wahlen der neuen Landesgremien -
ein so großes Kaderaufgebot geeigneter Genossinnen und Genossen für die
verschiedenen zentralen Gremien, so dass es den Delegierten sehr schwer
fiel, eine Auswahl zu treffen. Im Ergebnis haben die Delegierten einen
Schwerpunkt gelegt auf die Verbindung von Kontinuität in der
Leitungstätigkeit des Zentralkomitees mit neuen Genossen, die die
fortgeschrittenste Arbeit der Partei repräsentieren. Mit
überwältigender Zustimmung wurde gerade den führenden Genossen des
bisherigen Zentralkomitees das Vertrauen geschenkt. In diesem
Zusammenhang steht auch meine Wiederwahl. Dass diese Wiederwahl in
geheimer Abstimmung einstimmig ausfiel, ist vor allem Ausdruck der
großen Zustimmung, Verbundenheit, aber auch Solidarität der Partei mit
meiner Leitungstätigkeit und der des bisherigen Zentralkomitees -
gerade auch angesichts der schäbigen Verleumdungskampagnen, die in den
letzten Jahren insbesondere gegen führende Genossen des Zentralkomitees
über Internetkampagnen, Verfassungsschutzberichte usw. gestartet
wurden. Die ganze Wahl zeigt eine große Vereinheitlichung zwischen dem
Zentralkomitee und der Basis.
So wurde ein starkes Kollektiv
gewählt, das in den nächsten Jahren den Parteitag vertritt und die
Partei führen soll. Inzwischen hat auch das erste konstituierende
Plenum des VIII. Zentralkomitees stattgefunden, wo ich zum Vorsitzenden
der Partei und Monika Gärtner-Engel zur stellvertretenden
Parteivorsitzenden gewählt wurden. Beide Male erfolgte die Wahl geheim
und einstimmig. Ich möchte mich an dieser Stelle besonders für das
große Vertrauen der Partei und des Zentralkomitees in die politische
Führung des ZK bedanken, das eine wichtige Grundlage für die
erfolgreiche Bewältigung der künftigen Aufgaben sein wird. Der Blick
auf die Intrigen und die Missgunst in den bürgerlichen Parteien genügt,
um den grundlegenden Unterschied zur MLPD zu begreifen.
Der
Parteitag beauftragte das ZK, seine Anstrengungen zur Koordinierung und
Revolutionierung der internationalen marxistisch-leninistischen und
Arbeiterbewegung zu verstärken und der theoretischen Arbeit besonderes
Gewicht zu geben. Diese Aufgabenstellung wurde von dem konstituierenden
Plenum des ZK in einer neuen Leitungsstruktur in Angriff genommen und
umgesetzt. In den nächsten Monaten kommt es vor allem darauf an, dass
das Zentralkomitee seine wissenschaftliche Arbeitsorganisation auf die
enge Durchdringung der ZK-Leitungstätigkeit mit der Tätigkeit der neuen
Zwischenebenen umstellt. Diese Zusammenarbeit wird in der neuen
Offensive für den echten Sozialismus eine erste Bewährungsprobe
bestehen müssen.
Rote Fahne: Die "Rote Fahne" hat schon ausführlich über das 3. Internationale Bergarbeiterseminar Ende August in Gelsenkirchen berichtet. Wie beurteilt ihr es im Lichte des VIII. Parteitags?
Stefan Engel: Das
3. Internationale Bergarbeiterseminar wurde von der überparteilichen
Bergarbeiterbewegung "Kumpel für AUF" organisiert und ist äußerst
erfolgreich verlaufen. Das drückt sich unter anderem darin aus, dass
der Vorschlag einstimmig angenommen wurde, dass die Zusammentreffen
künftig nicht mehr als Bergarbeiterseminar, sondern als "internationale
Bergarbeiterkonferenz" durchgeführt werden. Es kam zu einer sehr
organischen natürlichen Durchdringung klassenkämpferischer Bergarbeiter
über Ländergrenzen hinweg mit den revolutionären Positionen der
Marxisten-Leninisten.
Mit bis zu 700 Teilnehmern alleine bei dem
Seminar übertraf es bei weitem die ursprünglichen Erwartungen. Wenn man
die zusätzlichen Besucher der anderen Programmteile dazu zählt, waren
es 900 bis 1.000 Teilnehmer. Viele kamen, weil sie die
Bergarbeiterbewegung unterstützen wollten. Manche kamen auch aus
anderen Branchen, weil sie von der länderübergreifenden Koordinierung
und Revolutionierung lernen wollten, die im Bergbau relativ
fortgeschritten ist.
Mit 14 internationalen Delegationen, darunter Arbeiterdelegationen mit
Streikführern wichtiger Bergarbeiterkämpfe, hatte es einen wirklich
internationalistischen Charakter. In den Bergbaustädten war das Seminar
in einer breiten Öffentlichkeit verankert und hatte eine
Massendiskussion und -sympathie entfaltet. So viele Bergleute wie nie
zuvor und ihre Familien unterstützten auf verschiedene Weise das
Zustandekommen des Programms und es sind viele neue organisierte
Verbindungen zu aktiven Bergleuten entstanden.
Die Reformisten aus der IGBCE-Führung reagierten äußerst
empfindlich. Sie wirkten auf verschiedene Gewerkschaften im Ausland
ein, um zu verhindern, dass aus ihren Ländern Delegationen am 3.
Internationalen Bergarbeiterseminar teilnehmen. So gab es einzelne
Absagen, die eindeutig vor diesem Hintergrund stattfanden. Das zeigt
nur, wie sehr die Herrschenden die ersten Versuche dieser Koordinierung
fürchten. Vor allem wollen sie verhindern, dass ihre Basis für die
Klassenzusammenarbeitspolitik ernsthaften Schaden erleidet, was in
Verbindung mit den krisenhaften Erscheinungen der Sozialdemokratie für
sie umso brisanter ist. Bezeichnend ist jedoch, dass sie die offene
Auseinandersetzung scheuen wie der Teufel das Weihwasser und in der
Flucht in Intrige und Verleumdung ihre Ziele durchzusetzen versuchen.
Bei
der beeindruckenden Veranstaltungsserie fanden das ganze Leben, die
politischen Hintergründe und auch die kulturellen Interessen der Massen
Berücksichtigung. Ohne das Rahmenprogramm, die Empfänge und die Besuche
in den verschiedenen Museen und Zechensiedlungen und nicht zuletzt ohne
das hervorragende Bergarbeitertheater hätte das Internationale
Bergarbeiterseminar nicht eine solche Attraktion, eine solche
Ausstrahlung entwickeln können.
Es war auch eine Schule des Zusammenwirkens von Parteiaufbau und
Förderung der Selbstorganisation der Massen, indem z.B. systematisch
unter den Kumpels für die Mitgliedschaft in Solidarität International
geworben wurde, aber auch Solidarität International seinerseits eine
hervorragende Unterstützung des Seminars leistete. Sehr bedeutend war
auch, dass es gelungen ist, die große Bedeutung der kämpferischen
Frauenbewegung und ihre Wechselbeziehung zum proletarischen
Klassenkampf herauszustellen. So fand im Anschluss auch ein Treffen von
53 Frauen rund um den Bergbau statt und sie vereinbarten, auf dem
Frauenpolitischen Ratschlag die Beratungen weiterzuführen.
Rote Fahne: Ein Highlight der internationalen Bewegung wird der Frauenpolitische Ratschlag Anfang Oktober in Düsseldorf sein. Welchen Stellenwert hat der VIII. Parteitag der Frauenarbeit beigemessen?
Stefan Engel: Der
VIII. Parteitag musste Bilanz ziehen über den unmissverständlichen
Auftrag des letzten Parteitags, eine Stagnation in der Frauenarbeit
sowie einen Rückgang des Frauenanteils in der Mitgliedschaft zu
überwinden. Das ist unzweifelhaft gelungen! Inzwischen hat sich die
MLPD mit ihrem Frauenanteil von 43 Prozent wieder Platz eins in der
bundesdeutschen Parteienlandschaft erobert. Die MLPD arbeitet ebenso
kontinuierlich an der Frauenförderung in der Partei wie an der
Förderung der kämpferischen Frauenbewegung in Deutschland und
international. Kritisch wurde ein immer noch vorhandenes Defizit aufs
Korn genommen, tatsächlich eine Masse von Frauen für die organisierte
Arbeit zu gewinnen. Dabei verschärft die wirtschaftliche und politische
Entwicklung die doppelte Ausbeutung und Unterdrückung der Masse der
Frauen! 71 Prozent der so genannten "atypisch Beschäftigten" -
Minijobs, Leiharbeit, befristete und Teilzeitstellen unter 20 Stunden
und meist im Niedriglohnbereich - sind Frauen! Das Selbstbewusstsein
gerade der jungen Frauen und Mädchen wird durch den grassierenden
Sexismus attackiert. Der Frauenpolitische Ratschlag, der vom 3. bis 5.
Oktober in Düsseldorf stattfindet, ist ebenso wie der
Vorbereitungsprozess zu einer Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen 2011
in Venezuela eine hervorragende Plattform für die Entwicklung zu einer
tatsächlichen Frauenmassenbewegung. Diese Initiativen kommen genau
richtig in einer Situation, in der die Frauen einen immer bedeutenderen
Anteil des internationalen Industrieproletariats und der kämpferischen
Massenbewegungen ausmachen. Die Krise der bürgerlichen Familienordnung
in den imperialistischen Ländern wächst sich bei einer wachsenden
Masse, die in Armut lebt, regelrecht zur Familienlosigkeit aus. In
dieser Situation, die nach einer kämpferischen Frauenbewegung schreit,
haben sich die kleinbürgerlichen Feministinnen in der internationalen
Frauenbewegung in vielen Nichtregierungsorganisationen als Handlanger
der Imperialisten entlarvt und im erfolglosen Lobbying gegenüber UNO,
Weltbank und IWF erschöpft. Der Gedanke einer Weltfrauenkonferenz der
Basisfrauen hat gerade auf diesem Hintergrund bereits eine erfolgreiche
Reise um die Welt angetreten.
Der entscheidende Prüfstein für die marxistisch-leninistische
Überzeugungsarbeit ist ihr Beitrag zu einer kämpferischen
Frauenmassenbewegung im eigenen Land, die lernt, den Kampf um die
weltweite Befreiung der Frau als Teil der Vorbereitung der
internationalen sozialistischen Revolution zu führen. Im Endspurt der
Vorbereitung des 8. Frauenpolitischen Ratschlags engagiert sich die
MLPD entschieden für ein großartiges Gelingen ebenso wie für das
dauerhafte Resultat einer gestärkten kämpferischen Frauenbewegung.
Rote Fahne: Welche Aufgaben stehen vor der MLPD?
Stefan Engel: Zunächst
ist es wichtig, dass die ganze Partei sich die Ergebnisse des Hamburger
Parteitags gründlich aneignet und systematisch und schöpferisch
umsetzt. Dazu stehen als erstes die Berichterstattung und das
konzentrierte Studium und die Diskussion der Ergebnisse im Zentrum. Die
Hauptgefahr besteht gegenwärtig in einer Geringschätzung des VIII.
Parteitags und seiner Beschlüsse.
Zur Verankerung der Parteitagsergebnisse werden wir von Ende Oktober
bis Anfang November sieben regionale Veranstaltungen "90 Jahre
Novemberrevolution und der Hamburger Parteitag der MLPD" in unseren
neuen Landesverbänden durchführen. Die Novemberrevolution 1918
scheiterte vor allem am Fehlen einer kampferfahrenen, gestählten,
massenverbundenen revolutionären Partei, die mit einer wissenschaftlich
fundierten Strategie und Taktik gewappnet ist. Das erleichterte es den
reaktionären Führern der Sozialdemokratie, die proletarische Revolution
zu verraten, auf den Weg der bürgerlichen Nationalversammlung und in
die Niederlage zu lenken. Das Scheitern der Novemberrevolution stoppte
den Prozess der internationalen Revolution, der mit der
Oktoberrevolution in Russland eingeleitet war. Die Arbeiterbewegung
muss die Erfahrungen der Novemberrevolution studieren und ihre
Konsequenzen ziehen. Es war für die MLPD von Beginn an Ansporn, mit
ihren Anstrengungen des Parteiaufbaus niemals nachzulassen.
Nach der Schaffung der notwendigen inneren Voraussetzungen müssen wir der Entwicklung zur Partei der Massen
größte Aufmerksamkeit schenken. Sie ist vor allem das Ergebnis der
allseitigen Wechselbeziehung einer ideologisch-politisch gefestigten
und organisatorisch starken Partei mit starken Selbstorganisationen der
Massen.
Wir werden dann im November/Dezember den Schwerpunkt unserer Arbeit auf
die Förderung des aktiven Widerstands gegen die globale
Klimakatastrophe legen. Immer deutlicher wird, welch dramatische Folgen
der begonnene Umschlag in die globale Umweltkatastrophe hat. Die
Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen werden bereits zerstört,
wie das bei den Wirbelstürmen in der Karibik und den Überschwemmungen
in Indien deutlich wird. Die Merkel-Regierung gibt sich international
als Vorreiterin für den Klimaschutz. In Wirklichkeit sollen unter der
Flagge des "Umweltschutzes" massiv die Interessen des deutschen
Imperialismus durchgesetzt werden. Das ist imperialistischer Ökologismus und
kein Umweltschutz! Der aktive Widerstand zur Rettung der Umwelt vor der
Profitgier ist für die Menschheit eine Überlebensfrage. Wir werden in
diesem Zeitraum unsere umweltpolitische Arbeit weiter beleben, unsere
umweltpolitische Linie breit bekannt machen und Umweltbündnisse
fördern, die sich am weltweiten Klima-Aktionstag am 8. Dezember
beteiligen. Wir wollen auch unsere internationalen Kontakte nutzen, um
die weltweite Koordinierung dieses Kampfs voran zu bringen.
Das Scheitern der alten Umweltbewegung unter Führung der Grünen
jedenfalls lehrt, dass die von den Grünen geprägte Feindschaft
gegenüber der Arbeiterbewegung und ihr Antikommunismus in die Sackgasse
führen. Es sind die Arbeiter, die als Träger der fortgeschrittensten
Produktivkräfte und damit auch der Möglichkeiten zur Lösung der
Umweltfragen an der Spitze dieser Bewegung stehen müssen und werden.
Wir werden neue Parteigruppen gründen, die in der Umweltarbeit ihren
Schwerpunkt haben. Die Umweltfrage ist untrennbarer Bestandteil des
Kampfs um die Lebensinteressen der Massen und der Arbeiterbewegung und
somit auch Bestandteil jeder Kleinarbeit der MLPD in den Wohngebieten
und an der Hauptkampflinie in Betrieb und Gewerkschaft. Große Bedeutung
messen wir auch dem Umweltratschlag im Juni 2009 bei, zu dem die
"Bürgerbewegung für Kryo-Recycling und Kreislaufwirtschaft" die
Initiative ergriffen hat. Wir erwarten uns von dort auch neue Impulse
für den Aufbau der kämpferischen Umweltbewegung und wir werden diesen
Prozess nach Kräften unterstützen. Die kämpferische Umweltbewegung
braucht dringend entsprechende Organisationsformen, mit denen sie die
nötige Durchschlagskraft entwickeln kann.
Ab Mitte Dezember werden wir uns auf die allseitige Stärkung der MLPD
konzentrieren und Parteiwerbewochen durchführen. Ein Bestandteil davon
ist, dass wir besonders auch unter der Jugend zu der größten
Demonstration für den Sozialismus in Europa, den Aktivitäten zum
Gedenken an die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg am 11.
Januar in Berlin mobilisieren. Anfang des Jahres werden auch die
Gruppenmitgliederversammlungen und die Orts- und Kreisdelegiertentage
der MLPD stattfinden, auf denen die Arbeit im Lichte der
Parteitagsergebnisse ausgewertet und die neue taktische Offensive für
den echten Sozialismus im Jahr 2009 konzipiert und geplant wird.
Ab
dem Frühjahr bis zum Frühsommer 2009 wollen wir den Schwerpunkt auf die
Vorbereitung und Durchführung des Pfingstjugendtreffens legen in
Verbindung mit dem Ausbau des Systems der marxistisch-leninistischen
Jugendarbeit als Lebensschule der proletarischen Denkweise. Ich
verspreche mir, dass von dem internationalen Pfingstjugendtreffen 2009
ein bundesweiter Impuls für die organisierte Rebellion der Jugend und
der Kinder ausgeht.
Ab dem Sommer 2009 rückt dann die Offensive für den echten Sozialismus
in Verbindung mit der Teilnahme an den Bundestagswahlen ins Zentrum.
Die allseitige Wahlkampfvorbereitung und der Aufbau einer breiten
Wahlhelferbewegung soll im September in einer schlagkräftigen
vierwöchigen Wahlkampagne münden.
Rote Fahne: Viel Erfolg und vielen Dank für das Interview!