Neue Herausforderungen an die marxistisch-leninistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
Die Neuorganisation der internationalen kapitalistischen Produktion verändert tiefgreifend die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der internationalen Arbeiterklasse. Die Ausbeutung und Unterdrückung durch Monopole und Staat nimmt in bisher ungekanntem Ausmaß zu. Im Kampf um Konkurrenzvorteile auf dem Weltmarkt gehen sie rücksichtslos über die Interessen der Belegschaften weg. Das untergrub die Grundlage für den Reformismus der SPD- und Gewerkschaftsführungen. Dieser hat die Aufgabe, die Höherentwicklung der Arbeiterkämpfe zum Klassenkampf gegen Mono-
pole und Staat zu verhindern und trachtet deshalb danach, Kämpfe möglichst zu vermeiden bzw. sie möglichst in reformistische Bahnen zu lenken und die Klassenwidersprüche zu dämpfen.
Industriearbeiter, die jahrelang der SPD trotz wachsender Widersprüche die Treue gehalten haben, kehren sich nun zunehmend von ihr ab und suchen nach einer Alternative. Dagegen gelang es der MLPD hervorragend, „ihre Arbeit auf den Kampf um die Denkweise der Massen auszurichten, Kämpfe auszulösen und zu führen …“ (Rechenschaftsberichtsentwurf, S. 1)
MLPD ist erste Adresse bei Arbeiterkämpfen
„Konzernweit kämpfen“ – das war vor Jahren noch eine Agitationslosung, die die MLPD seit Beginn dieses Jahrzehnts systematisch in ihrer Kleinarbeit unter den Industriearbeitern verankert hat. Heute ist das in allen bedeutenden Kämpfen bereits zum Standard unter den Arbeitern in Konzernbetrieben geworden. Das war jeweils ein Sieg über die von der Gewerkschaftsführung propagierten „Standortlösungen“, nach der sich die Arbeiter unter dem Vorwand des Erhalts „ihres“ Werkes der Logik des Konkurrenzdenkens und der kapitalistischen Rentabilität unterzuordnen hatten und in der Praxis gegeneinander ausgespielt wurden. Jeder Fortschritt in der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit wurde im Kampf gegen eine Tendenz der Anbetung der Spontaneität erzielt, die sich in der Leitlinie „Hauptsache kämpfen“ zusammenfassen lässt.
Heute stellen sich den Arbeitern weitere neue Hindernisse in den Weg:
„Für das Ausreifen der Arbeiteroffensive auf breiter Front müssen die Arbeiter heute vor allem mit drei Herausforderungen fertig werden:
1. der Spaltung der Belegschaften in ‚Stammbelegschaften‘ und outgesourcte Bereiche bzw. Leiharbeiter,
2. der Spaltung zwischen den Belegschaften innerhalb der jeweiligen Nationalstaaten sowie über Ländergrenzen hinweg,
3. der zunehmenden Repression, verschärften Ausbeutung und Unterdrückung.“ (Rechenschaftsberichtsentwurf, S. 4)
Ein Betrieb – eine Belegschaft
Über eine Million Leiharbeiter gibt es zurzeit in Deutschland. Von 5.000 Beschäftigten bei BMW in Leipzig sind heute 1.100 bei Zulieferbetrieben auf dem Werksgelände und 1.400 Kollegen von Leiharbeitsfirmen beschäftigt. Sie erhalten bis zu 50 Prozent weniger Lohn und nur eineinhalb Tage Urlaub im Monat. Die Belegschaften werden bewusst gespalten und die Beschäftigten gegeneinander ausgespielt, um die Ausbeutung zu steigern und die Kampfkraft zu zersetzen.
Voreingenommenheit gegeneinander und Konkurrenzverhalten schaden der Kampfeinheit. Vor allem die Arbeiterinnen und Arbeiter der so genannten „Stammbelegschaften“ müssen sich im Klaren sein, dass sie sehr schnell die Leiharbeiter von morgen sein können. Leiharbeiter sind mit ihren vielfältigen Erfahrungen eine Bereicherung für die gesamte Belegschaft und bringen neue Erfahrungen aus Arbeitskämpfen in anderen Betrieben mit. Viele Leiharbeiter fühlen sich aber nicht richtig zugehörig zur Belegschaft. Manche treiben auch die Stückzahlen hoch, um fest übernommen zu werden. Einige fest angestellte Kollegen machen dagegen die Leiharbeiter für Arbeitshetze und Lohndrückerei verantwortlich. Die Überwindung dieser Spaltung entwickelt sich nicht von allein, sie kann nur bewusst hergestellt werden, wozu auch die Forderungen nach Einschränkung der Leiharbeit und Übernahme aller Leiharbeiter in feste Arbeitsverhältnisse gehören.
Arbeiter kämpfen international
Seit den 1990er Jahren verschmolzen internationale Konzerne zu weltmarktbeherrschenden Übermonopolen. Es entstand dabei ein weltweit relativ einheitlich produzierendes internationales Industrieproletariat. Damit gleichen sich die Methoden der verschärften Ausbeutung und Unterdrückung an und es entsteht auch eine unmittelbare Konkurrenz zwischen den Belegschaften im Konzern.
Opel produziert z. B. den „Astra“ heute in fünf europäischen Werken. Wenn ein neues Modell herauskommt, sollen sich die verschiedenen Belegschaften darum „bewerben“, wer der Konzernspitze das profitabelste Angebot macht. Wenn sich die Belegschaften auf diese Spaltungsmanöver einlassen, geraten sie in eine fatale Abwärtsspirale der Konkurrenz um niedrigste Löhne, schlechteste Arbeitsbedingungen und längste Arbeitszeiten.
Die Belegschaften in den verschiedenen Ländern werden heute gleichzeitig mit Angriffen durch die Konzernleitung konfrontiert, was den Gedanken nährt, gemeinsam zu kämpfen. In den letzten Jahren hat sich die Losung der MLPD, „konzernweit kämpfen“, europaweit durchgesetzt. Gemeinsam kämpften z. B. die französischen und deutschen Airbus-Kollegen gegen das Ausbeutungsprogramm „Power8“.
Die reformistischen Gewerkschaftsführer sind gescheitert, diese Entwicklung zu einem internationalen Klassenkampf mit der reaktionären „Standort“-Politik aufzuhalten. Sie kommen mit der früher üblichen offenen Form, „Hauptsache, unser Standort bleibt erhalten“, immer weniger an. Letztes Jahr verbreiteten sie bei Opel die Losung des „pain-sharing“, was heißt, den „Schmerz gerecht aufteilen“, damit angeblich alle Werke erhalten blieben. Eine grundlegende Aufgabe der marxistisch-leninistischen Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit ist es heute, im Kampf gegen derlei Verwirrmanöver gezielt das internationalistische Klassenbewusstsein im Kern des Industrieproletariats zu wecken und zu heben. Das erfordert, sich rechtzeitig auf neue Entwicklungen einzustellen.
Verteidigung und Erweiterung demokratischer Rechte und Freiheiten
Von großer Bedeutung ist, dass vor allem im Zuge des Eisenbahnerkampfs der GDL die Forderung nach dem vollständigen und allseitigen gesetzlichen Streikrecht in den Gewerkschaften breit diskutiert wird und sich zu einer tagespolitischen Massenforderung entwickelt. Denn Monopole und Staat gehen verstärkt dazu über, kämpferische Kollegen und Belegschaften mit Gewalt zu unterdrücken. Nach dem Opel-Streik 2004 setzte eine Jagd auf „Rädelsführer“ ein. Erstmals seit den 1970er Jahren wurden beim Streik der Infineon-Belegschaft 2005 Polizeikräfte zur Unterdrückung kämpfender Arbeiter eingesetzt. Verteiler von Konzernzeitungen werden immer öfter mit dem Einsatz der Polizei konfrontiert. Klassenbewusste Kolleginnen und Kollegen werden verstärkt mit Maßregelungen und fristlosen Entlassungen bedroht. Das ist Ausdruck der Angst der Herrschenden vor einer Revolutionierung der Arbeitermassen und Herausbildung einer starken geeinten Arbeiterklasse und zeigt die strategische Schwäche der Monopole.
Die marxistisch-leninistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit ist herausgefordert, sich stärker mit den politischen Fragen zu befassen und den Abbau der demokratischen Rechte und Freiheiten sowie die Faschisierung des Staatsapparates in Betrieb und Gewerkschaft verstärkt zum Thema zu machen und einen bewussten Kampf dagegen zu führen. Damit die Arbeiterklasse die zentrale Frage nach der politischen Macht aufwerfen und beantworten kann – mit der Perspektive des echten Sozialismus.
Bei allen diesen Aufgaben ist es jetzt entscheidend, die MLPD nachhaltig zu stärken, neue Mitglieder für die Betriebsgruppen zu gewinnen und neue Betriebsgruppen aufzubauen.
„Zur wichtigsten Frage im Kampf um die Denkweise der entscheidenden Mehrheit der Arbeiterklasse wird mehr und mehr das Verhältnis zur MLPD.“ (Rechenschaftsberichtsentwurf, S. 4)
(ba)