12.12.07: "Eine erfolgreiche Bilanz der MLPD!"
Im November fand das 8. ZK-Plenum der MLPD statt. Was waren die wichtigsten Themen und Aufgaben?
Stefan Engel: Das 8. ZK-Plenum zog Bilanz über das Jubiläumsjahr der MLPD und hatte
außerdem die Verabschiedung des Rechenschaftsberichtsentwurfs des
Zentralkomitees an den VIII. Parteitag auf dem Programm.
Rote Fahne: Wie sah die Bilanz zum 25jährigen Jubiläum der MLPD aus?
Stefan Engel: Wir
haben festgestellt, dass bei aller vielfältigen Aktivität der MLPD
dennoch unsere Jubiläumsaktivitäten am Anfang des Jahres noch relativ
verhalten waren. Die vom ZK beschlossene Offensive der revolutionären
Kleinarbeit wurde vielerorts mit angezogener Handbremse gefahren. Es
musste in der Partei erst einmal kritisch und selbstkritisch geklärt
werden, worin die große Bedeutung des 25-jährigen Bestehens der MLPD
liegt.
Rund um die Beteiligung der MLPD am Pfingstjugendtreffen
nahmen die Aktivitäten zu unserem Jubiläum einen Aufschwung.
Insbesondere mit der Vorbereitung und Durchführung der zentralen
Veranstaltungen im Juni und August entfaltete sich eine vielfältige
Kleinarbeit unter den Massen. Die zeitweilige Stagnation in der
Mitgliederentwicklung wurde überwunden. Insgesamt nahmen über 7.000
Besucher an örtlichen, regionalen und zentralen Veranstaltungen teil.
Es besteht kein Zweifel, dass wir insbesondere mit der
Veranstaltungsreihe Anfang August die wohl beeindruckendste
MLPD-Aktivität ihrer Geschichte erlebten.
An dem Seminar über die Neuorganisation der internationalen Produktion und die Vorbereitung der internationalen Revolution
nahmen über 1.000 Teilnehmer aus über 40 Ländern teil. Auf Augenhöhe
diskutierten dort Parteimitglieder und Parteilose, Genossen von der
Basis der MLPD mit führenden Repräsentanten der internationalen
marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung, sowie Jugendgenossen
mit erfahrenen Parteifunktionären über die Veränderung des
imperialistischen Weltsystems und die Schlussfolgerungen, die die
Revolutionäre daraus für die Vorbereitung der internationalen
Revolution zu ziehen haben. Die zwei Tage reichten gar nicht aus, um
die weit über 100 vorbereiteten Redebeiträge halten zu können. Wir
haben jetzt eine Dokumentation mit dem Titel "Sozialismus im
Brennpunkt" herausgegeben, in der auch nicht gehaltene Beiträge
dokumentiert sind, die alle zusammen die ganze Bandbreite der
schöpferischen, prinzipiellen und fundierten Diskussion widerspiegeln.
Auf der zentralen Jubiläumsveranstaltung der MLPD am 4. August
ging es vor allem darum, die gesellschaftliche Bedeutung der MLPD zu
würdigen, die wir im Laufe der 25 Jahre erkämpft haben. Es war durchaus
nicht selbstverständlich, dass die MLPD diese 25 Jahre ohne wesentliche
Rückschläge in einem schöpferischen Prozess des Lernens und Kämpfens
erfolgreich zurücklegen konnte. Viele innere und äußere Probleme der
marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung mussten dabei gelöst
und zum Teil massive Hindernisse überwunden werden.
Die
kleinbürgerliche "ML-Bewegung" der 1970er Jahre desorientierte und
desorganisierte die wichtige Aufgabe des Wiederaufbaus der
revolutionären Arbeiterpartei in Deutschland mit ihrem penetranten
Dogmatismus, Revisionismus, Sektierertum und kleinbürgerlichen Allüren.
Zuvor schon hatte bereits nach 1956 die einstmals revolutionäre KPD im
Windschatten der KPdSU und der SED ihren revolutionären Charakter
aufgegeben. Gegen die Dominanz kleinbürgerlicher Studenten musste der proletarische Weg des Parteiaufbaus
durchgesetzt und eisern verwirklicht werden. Die Masse dieser
kleinbürgerlichen Studenten kapitulierte vor dieser Aufgabe, die eine
entschiedene Umerziehung und damit den Abschied von kleinbürgerlichen
Allüren erfordert hätte. So fand sich in den 1980er Jahren ein Großteil
von ihnen in der kleinbürgerlich-ökologischen Partei der Grünen wieder,
löste ein gefährliches Liquidatorentum und eine große Demoralisierung
in der kleinbürgerlichen "ML-Bewegung" aus. Nur wer mit der
kleinbürgerlichen Denkweise fertig wurde, konnte für den Aufbau der
revolutionären Arbeiterpartei gewonnen werden. Die Gründung der MLPD 1982 war die proletarische Antwort auf den Niedergang der kleinbürgerlichen "ML-Bewegung".
Mit
der von der SED massiv gesponserten DKP stellte sich weiter eine
wesentliche ideologisch-politische Hürde in den Weg. Der moderne
Revisionismus dieser Partei verbreitete ein Zerrbild des
Marxismus-Leninismus unter den Massen. Die Entwicklung in der DDR und
in der Sowjetunion wirkte abschreckend auf die Arbeiterbewegung und
erzeugte einen Damm von Vorbehalten gegen den Sozialismus, der über
Jahrzehnte systematisch abgetragen werden musste. Politisch biederte
sich die DKP der reformistischen SPD und der rechten
Gewerkschaftsführung an.
Die Herrschenden verstanden es auch
nach der Adenauer-Ära geschickt, antikommunistische Vorbehalte zu
schüren und zu nutzen und eine Politik der politischen Isolierung der MLPD
zu betreiben. Diese Isolationspolitik mit Hilfe des modernen
Antikommunismus bildete letztlich das entscheidende Hindernis für den
erfolgreichen Weg des Parteiaufbaus, das überwunden werden musste.
Deshalb war auch die fortschreitende und nachhaltige Durchbrechung der
relativen Isolierung, wie sie insbesondere seit dem Jahr 2003 immer
mehr gelang, ein entscheidender qualitativer Sprung in der Entwicklung
der Partei zur Partei der Massen. Die MLPD hat ihre
gesellschaftsverändernde Rolle insbesondere in den konzernweiten
Kämpfen bei Daimler, Bosch, Opel und Siemens, im Zusammenhang mit der
Montagsdemonstrationsbewegung sowie mit ihrer Teilnahme an der
Bundestagswahl 2005 eindrücklich unterstrichen. Sie wurde in dieser
Zeit zu einem gesamtgesellschaftlich bedeutenden Faktor und zu einer die kämpferische Opposition prägenden Kraft.
Rote Fahne: Ist das nicht etwas übertrieben? Woran machst du die gesellschaftliche Bedeutung der MLPD denn fest?
Stefan Engel: Es gibt wohl keine fortschrittliche Bewegung von Bedeutung, in der heute die MLPD nicht aktiv, zum Teil auch führend beteiligt ist. Von ihr gingen wichtige Impulse für die Montagsdemonstrationsbewegung
gegen Hartz IV aus. Darin konnte sie im engen Schulterschluss mit
anderen und auf überparteilicher Grundlage einen wichtigen Beitrag für
die Einheit von Arbeitslosen und Arbeitern leisten. Sie gab wesentliche
Impulse für das Rückgrat, die argumentative Kraft und Lebendigkeit
dieser Bewegung. Ohne die MLPD würde es die
Montagsdemonstrationsbewegung in der heutigen Form nicht geben.
In der Umweltarbeit konnte sie gemeinsam mit Aktivisten der alten Umweltbewegung wichtige Impulse für die Entstehung einer neuen Umweltbewegung
entfalten. Diese neue Umweltbewegung richtet sich heute gegen die
drohende weltweite Umweltkatastrophe und ihre wahren Verursacher. Sie
setzen die Existenz der ganzen Menschheit aufs Spiel, vor allem wenn
der Treibhauseffekt nicht aufgehalten wird. Die neue Umweltbewegung
muss sich eng mit der Arbeiterklasse und ihrem Befreiungskampf von
Ausbeutung und Unterdrückung sowie mit der aktiven Volksbewegung, der
kämpferischen Frauenbewegung und der Rebellion der Jugend verbinden.
Dazu muss sie insbesondere das Scheitern der kleinbürgerlichen
Umweltbewegung der 1990er Jahre aufarbeiten, das wesentlich in der
kleinbürgerlichen Grundlage dieser Bewegung und ihrer Selbstisolierung
von der Arbeiterbewegung begründet liegt.
Die MLPD hat wichtige Impulse für die Rebellion der Jugend
gegeben und mit ihrer Jugendorganisation REBELL und seiner
Kinderorganisation ROTFÜCHSE eine aktive und marxistisch-leninistische
Organisation der Lebensschule der proletarischen Denkweise aufgebaut.
Die Haupterfolge der MLPD liegen allerdings in dem engen Schulterschluss mit dem Kern des Industrieproletariats
in den industriellen Großbetrieben. Das war der ausschlaggebende
Faktor, dass es insbesondere 2004 zu einem Übergang zur
Arbeiteroffensive gekommen ist.
Rote Fahne: Ist dieser Übergang zur Arbeiteroffensive aufgrund der "Regierungserfolge" nicht ins Stocken geraten?
Stefan Engel:
Davon kann man nicht sprechen. Der Übergang zur Arbeiteroffensive hat
sich, wenn auch verlangsamt, auch 2005, 2006 und 2007 fortgesetzt. So
gibt es im Jahr 2007 im Vergleich zu 2006 einen deutlichen Anstieg
gewerkschaftlicher und selbständiger Streiks sowie eine sprunghafte
Zunahme von kämpferischen Aktivitäten unterhalb der Schwelle von
Streiks. Bis Oktober 2007 gab es mindestens 31 selbständige Streiks, an
denen über 74.000 Kolleginnen und Kollegen beteiligt waren, während es
im gesamten Jahr 2006 nur 24 Streiks mit 11.150 Beteiligten waren. Bis
Oktober 2007 nahmen fast eine Million Kolleginnen und Kollegen an
gewerkschaftlichen Streiks in Tarifrunden oder gegen die Rente mit 67
teil. Die Zahl der Arbeiterdemonstrationen und –kundgebungen stieg bis
Oktober auf 569, den höchsten Stand in den letzten sechs Jahren.
Der
Kampf der internationalen Supermonopole um die Weltmarktführerschaft
geht mit einer ungeheuren Steigerung der Ausbeutung in den Betrieben
einher. Der neue Porsche/VW–Chef Wiedeking (Jahresgehalt 54 Millionen
Euro) gibt als Ziel vor, Toyota als neuen Weltmarktführer in der
Automobilbranche zu überholen. Dabei will er keine "Tabus" akzeptieren,
sprich rigoros gegen die Lohn- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten
vorgehen. GM/Opel-Europa-Chef Forster fordert von der Bochumer
Belegschaft ultimativ, die Fertigungszeit von 27 auf 15 Stunden pro
Auto zu senken. Das geht natürlich nur auf dem Rücken der Beschäftigten
und ihrer Familien. In vielen Betrieben herrscht eine explosive
Stimmung, die sich irgendwann entladen muss.
Bei den
Tarifrunden versuchten die reformistischen Gewerkschaftsführer und die
Unternehmerverbände dieses Jahr, durch einige Zugeständnisse größere
gewerkschaftliche Kämpfe zu vermeiden - so bei der metallverarbeitenden
Industrie mit einem Abschluss von 4,1 Prozent. Massive
Preissteigerungen, Lohnsenkungsprogramme wie mit ERA in der
Metallindustrie, der Ausbau der Niedrigstlöhne und der Leiharbeit,
Kürzungen beim Weihnachtsgeld, von Überstunden- und Schichtzulagen oder
auch Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich werden als aggressives
Programm der verschärften Ausbeutung und Erpressung gegen die Arbeiter
gefahren. Ihr Kampf richtet sich deshalb immer mehr auch gegen die
Klassenzusammenarbeitspolitik der rechten Gewerkschaftsführung, die die
entsprechenden Vereinbarungen mitträgt.
Vor diesem Hintergrund
bekommen die kämpferischen Lokführer der GDL viel Sympathie. Es wächst
unter den Massen die Zustimmung zu unbefristeten Streiks, um den
Bahn-Vorstand die Knie zu zwingen. Die Diskussion um das notwendige
Streikrecht bekommt Massencharakter. Das gab es seit Jahrzehnten nicht!
Diese Entwicklung kennzeichnet ein gewachsenes Klassenbewusstsein als wichtigstes Moment des Übergangs zur Arbeiteroffensive.
In
der Stahlindustrie und im öffentlichen Dienst stellen die Arbeiter
offensive Lohnforderungen von 10 Prozent bis 17,5 Prozent auf. In
Stuttgart kam es zu einer betriebsübergreifenden Kampfaktion von
mehreren Belegschaften gegen das Abgruppierungsprogramm ERA.
Beschäftigte im Einzelhandel streiken gegen die Streichung von
Spätzulagen und für eine reale Lohnerhöhung. In den letzen Wochen
reifte auch eine kämpferische Stimmung für Teuerungszulagen bzw.
Lohnnachschlag heran.
Die Gewerkschaftstage bei Ver.di und der IG
Metall waren sehr aufschlussreich für die Entwicklung des
Klassenbewusstseins. Dem deutlich gewachsenen Einfluss der
klassenkämpferischen Kräfte in den Belegschaften musste von der
Gewerkschaftsspitze Rechnung getragen werden. Diese greifen mehr und
mehr die Argumente und Forderungen der MLPD auf. Bedeutsam ist, dass
ein Antrag für ein politisches Streikrecht und das Recht auf
Generalstreik bei Ver.di angenommen und bei der IG Metall in mehreren
Anträgen gefordert wurde. Der Ver.di-Kongress beschloss die Losung "Weg
mit Hartz IV" und der IG-Metall-Gewerkschaftstag sprach sich für die
Fortsetzung des Kampfes gegen die Rente mit 67 aus. Bemerkenswert ist
auch, dass beide Gewerkschaftstage die Forderung nach dem Verbot der
NPD beschlossen haben. Alle diese Forderungen werden seit Jahren
ausschließlich von der MLPD verfochten, waren lange heftig umstritten
und brechen sich jetzt mehr und mehr Bahn.
All diese Entwicklungen
wären ohne die langjährige Kleinarbeit der MLPD nicht denkbar und
drücken ihren wachsenden gesellschaftlichen Einfluss aus.
Rote Fahne:
Es ist sicherlich kein Zufall, dass es auf dem
IG-Metall-Gewerkschaftstag aus mehreren Ortsverwaltungen Anträge zur
Aufhebung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen die MLPD gab. Wie ist
der IG-Metall-Gewerkschaftstag damit verfahren?
Stefan Engel:
Die Antragskommission hat diese Anträge wohl in ihrer Intention
befürwortet, wollte sie allerdings dem neuen Vorstand der IG Metall
vorlegen. Immerhin hat der Vorstand diese Unvereinbarkeitsbeschlüsse
beschlossen und sollte sie nun - nach Meinung der Antragskommission -
selbst wieder aufheben. Eine Augenwischerei ist dabei das Argument, die
Unvereinbarkeitsbeschlüsse hätten sich in der Praxis erledigt. In der
Praxis wird nach wie vor einer Reihe von klassenkämpferischen Arbeitern
eine aktive Gewerkschaftsarbeit verwehrt, weil sie irgendwann wegen
dieser diskriminierenden und antikommunistischen
Unvereinbarkeitsbeschlüsse ausgeschlossen wurden.
Viele Delegierte
waren mit dem vorgeschlagenen Verfahren nicht einverstanden, weil ein
solcher Antrag bereits auf dem letzten Gewerkschaftstag vorlag und dann
in den Schubladen des Vorstands verschwand. Über 40 Prozent der
Delegierten forderten deshalb eine Befassung des Antrags gegen die
Unvereinbarkeitsbeschlüsse durch den Gewerkschaftstag. Die Meinung auf
dem Gewerkschaftstag war eindeutig, dass die undemokratischen
Unvereinbarkeitsbeschlüsse, die sich als linke Organisation nur noch
gegen die MLPD richten, abgeschafft werden müssen. Das ist eine neue
Ausgangslage!
Rote Fahne: In der letzten Zeit ist der
Sozialismus lebhaft in den Schlagzeilen. Der Papst gab eine neue
Enzyklika heraus mit dem Hauptstoß gegen Karl Marx und die
materialistische Wissenschaft. Die CDU griff auf ihrem Parteitag tief
in die antikommunistische Mottenkiste und recycelte die Losung "Nie
wieder Sozialismus!". In Venezuela ließ Präsident Chavez über den
Sozialismus abstimmen und die Weltpresse kommentiert erleichtert, dass
"nur" die Hälfte der Bevölkerung dafür ist. Wie ist diese Entwicklung
zu bewerten?
Stefan Engel: Was den "Heiligen Vater"
ebenso wie Angela Merkel ganz unheilig nervt, ist die Resistenz
wachsender Massen gegen die antikommunistische Propaganda. Was gab es
in den letzten Jahren für ein Aufgebot an blutrünstigen Filmen über
Stalin und Mao Tsetung - "Despoten", "Sexprotze", "Massenmörder" - das
ganze verleumderische Programm wurde gefahren. Und das Ergebnis? Alle
bürgerlichen Umfragen kommen zu immer demselben Ergebnis: Die
Sozialismus-Sympathien schwinden nicht etwa, sondern festigen sich
sogar bei einer wachsenden Mehrheit! Politisch schlagen sie sich in
einem ausgesprochenen Linkstrend in der Masse der Bevölkerung nieder.
Rote Fahne: In den Medien wird diese Entwicklung zumeist mit dem Aufwind für die Linkspartei in Verbindung gebracht ...
Stefan Engel:
Immer, wenn es um den Sozialismus geht, wuchert die Mythenbildung! Die
CDU behauptete auf ihrem Parteitag doch glatt, die SPD verfolge jetzt
wieder ein sozialistisches Programm. Dabei sah sich die SPD lediglich
gezwungen, angesichts der Stimmung in ihrer Massenbasis die
reformistische Phrase vom "demokratischen Sozialismus" wieder in den
zum 197. Mal überarbeiteten Programmentwurf aufzunehmen. Guido
Westerwelle verstieg sich zu der Behauptung, dass sich die CDU im
Schlepptau der SPD auf dem Weg in die Planwirtschaft befinde.
Auch
in der Linkspartei gab es bis zum Schluss heftige Diskussionen, ob das
Wort Sozialismus überhaupt im Parteiprogramm auftauchen solle. Mit Müh’
und Not wurde dann als Zugeständnis an die "Dogmatiker" die Vokabel
"Sozialismus" in die Statuten gehievt. In der Praxis und ihrer
programmatischen Darstellung gilt auch bei der "Linken" jedoch die linksreformistische Leitlinie, Arzt am Krankenbett des Kapitalismus
zu spielen. Nicht selten ist das verbunden mit antikommunistischen
Tiraden gegen den echten Sozialismus und die vermeintlich
"stalinistische" MLPD.
Darauf soll sich der Linkstrend
zurückführen lassen? Das ist eine lächerliche Behauptung. Jeder, der
die Lage kennt, weiß, dass die MLPD seit Jahr und Tag die einzige
Partei in Deutschland ist, die systematisch dem Sozialismus zu einem
neuen Ansehen verholfen hat. Das verkörpert sie in ihrer Programmatik,
ihrer täglichen Kleinarbeit und nicht zuletzt in ihren Repräsentanten.
Natürlich hat die gewachsene Suche nach einem gesellschaftlichen
Ausweg und die deutliche Offenheit für den echten Sozialismus auch
objektive Gründe. Auf der Basis der latenten politischen Krise, die
insbesondere durch die Massenarbeitslosigkeit und die zunehmende
Politik der Zerschlagung der Sozialversicherungssysteme und die
gewachsene Ausbeutung in den Betrieben besteht, ist die Sozialdemokratie in eine echte Krise geraten.
Der allgemeine Trend der Loslösung der Massen von den bürgerlichen
Parteien, dem bürgerlichen Parlamentarismus und seinen Institutionen
hat innerhalb des Industrieproletariats besonders intensiv gewirkt und
zu einer breiten Abwendung von der Sozialdemokratie geführt. Das ist
sicherlich für die Stabilität dieser kapitalistischen Gesellschaft ein
großes Problem. Die Sozialdemokratie hat die objektive Aufgabe, die
Arbeiterklasse an das kapitalistische System zu binden. Mit der Krise
der Sozialdemokratie löst sich diese Bindung auf und wird der Weg frei
zu einer Hinwendung zum echten Sozialismus.
Rote Fahne:
Man muss aber nüchtern anerkennen, dass die Aktivitäten der Jugend oder
auch der aktive Volkswiderstand seit Herbst 2006 zurückgegangen sind.
Stefan Engel: Das
ist richtig. Der Einfluss der MLPD ist im aktiven Volkswiderstand und
auch unter der Rebellion der Jugend geringer als im
Industrieproletariat.
Beim aktiven Volkswiderstand ist das
kleinbürgerliche Element viel stärker und wird die Bewegung viel
stärker vom Auf und Ab des spontanen Protests bestimmt. Trotzdem ist es
gelungen, die Montagsdemonstrations-Bewegung als im
Nachkriegsdeutschland einzigartige organisierte Massenbewegung lebendig
zu erhalten.
Der Rückgang der Aktivitäten der Jugend und des
aktiven Volkswiderstands ist eine Folge der systematischen Dämpfung der
Klassenwidersprüche durch die "Politik der kleinen Schritte" der
Regierungskoalition und die Zugeständnisse der Monopole. So wurde zum
Beispiel mit auf Druck der Montagsdemos auf Pläne verzichtet, die
Regelsätze von Hartz IV massiv abzusenken.
Das offene Mikrofon,
die regelmäßige Diskussion der politischen und wirtschaftlichen
Situation, jede Woche neue Argumente im Kampf gegen die Politik von
Regierung und Monopolen, die Solidarität und Rückenstärkung: Damit hat
sich diese organisierte Massenbewegung zu dem gesellschaftlichen Gegenpol zur Politik der Agenda 2010 entwickelt. Es ist maßgeblich ihr
Verdienst, dass die Hartz-Gesetze und die Agenda 2010 von einer breiten
Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden und die Regierung in dieser
und auch in anderen Fragen nicht zur Ruhe kommt. Der Geist der
Montagsdemonstranten schwebte offenbar auch über den Parteitagen von
SPD und Grünen und hat sie gezwungen, sich mit Zugeständnissen bei
Hartz IV selbst zu demontieren. Damit haben ihnen die
Montagsdemonstranten eine schallende Ohrfeige verpasst.
Die
Montagsdemonstration hat heute als Plattform der öffentlichen Kritik
und einer sich herausbildenden Einheitsfront gegen die Regierung ihren
Charakter gegenüber ihren Anfangszeiten geändert. Im Mittelpunkt stehen
die Überzeugungs- und Organisationsarbeit für den Kampf gegen die
unsoziale Politik der von Merkel geführten großen Koalition. Dabei
bilden sich neue Politiker heraus, die in der Lage sind, eine künftige
Massenbewegung zu führen und zu repräsentieren.
In dieser
Situation machten die 7.000 Teilnehmer bei der Demonstration am 13.
Oktober deutlich, dass sich diese Bewegung stabilisiert und ihre
Ausstrahlung gefestigt hat. Sie hatte im Vergleich zu den zum Teil
erheblich größeren zentralen Demonstrationen in Berlin eine viel
bessere Medienöffentlichkeit.
Zur relativ niedrigen Teilnehmerzahl
trug wesentlich bei, dass weder die Gewerkschaft, die Sozialverbände,
die Kirchen noch „Die Linke“ zur Demonstration aufgerufen haben. Zwei
Redner der Linkspartei zogen ihren angekündigten Auftritt bei der
Abschlusskundgebung zum Teil erst kurz zuvor zurück.
Ich traute
meinen Augen nicht, als ich im Nachhinein im "Neuen Deutschland" einen
Artikel las, der den Eindruck erweckte, die Linkspartei wäre
wesentliche Trägerin der Demonstration gewesen. Offensichtlich war die
Redaktion des "Neuen Deutschland" so beeindruckt vom Erfolg dieser
Demonstration, dass sie sich genötigt sah, diese für die "Linke" zu
vermarkten. Wer sich umhört, wird feststellen, dass es unter den
breiten Massen für solch ein antikommunistisch beeinflusstes Verhalten
kein Verständnis gibt. Deshalb muss sich die Linkspartei entscheiden,
welchen Weg sie künftig gehen will: den Weg des vorbehaltlosen, auf die
Sache bezogenen gemeinsamen Kampfes gegen die volksfeindliche
Regierungspolitik oder eine Zukunft als linkes parlamentarisches
Anhängsel einer SPD, die für diese Politik mit verantwortlich ist!
Rote Fahne: Die
Bundesregierung zieht eine äußerst selbstbeweihräuchernde Bilanz der
großen Koalition: "langanhaltender Aufschwung", "niedrigste
Arbeitslosenzahl seit Jahren", "Höchstzahl an
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der BRD". Hat sich die
MLPD getäuscht?
Stefan Engel: Diese Halbzeitbilanz von
Kanzlerin Merkel hat mit der Lage der Massen wenig zu tun. Der
"historische" Anstieg der Beschäftigten auf 40,36 Millionen im Oktober
und das Sinken der offiziellen Arbeitslosenzahl auf 3,38 Millionen im
November ist kein Ausdruck einer Ausweitung des Arbeitsvolumens, also
der Summe aller geleisteten Arbeitsstunden. Er ist Ergebnis einer
deutlichen Ausdehnung des Niedriglohnsektors mit Minijobs, Teilzeit und Leiharbeit.
Von
der gegenüber dem Vorjahr um 577.000 angestiegenen Zahl der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind die Hälfte nur
Teilzeitstellen. 2,09 Millionen der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten - das sind 123.000 mehr als im Vorjahr - verdienen dabei
so wenig, dass sie zusätzlich einen Nebenjob ausüben müssen. Das
sogenannte "Jobwunder" ist also vor allem eine rasante Zunahme von
Arbeitsverhältnissen, die die Massen rechtlos und arm machen!
Über
7 Millionen sind im November Empfänger von Hartz IV oder Sozialgeld.
Die Kinderarmut hat sich seit Hartz IV auf 2,6 Millionen verdoppelt.
Die Verarmung der alten Menschen und Rentner hat durch das erhöhte
Renteneintrittsalter und gestiegene Sozialabgaben dramatisch
zugenommen. Aller Regierungspropaganda zum Trotz sind die Massen nicht
von ihrer richtigen Meinung abzubringen, dass der Merkel-Aufschwung
ihnen nicht zugute kommt!
Der zweifellos ungewöhnlich starke
Anstieg der Industrieproduktion um 6,1 Prozent im Jahr 2006 geht zum
einen auf die Produktion von Investitionsgütern zurück. Ursache sind
zum anderen die hohen Wachstumsraten im Export. Sie betragen bis zu 14
Prozent im Jahr 2006. Dagegen verzeichnet der Einzelhandel auch 2007
einen Umsatzrückgang von 2 Prozent.
Fakt ist eine enorme
Ausweitung des Weltmarktes. Das hat zu Zuwachsraten der Weltwirtschaft
von 4,5 bis über 5 Prozent seit 2004 geführt. Der VII. Parteitag der
MLPD hatte bereits festgestellt, dass die Neuorganisation der
internationalen Produktion die nationalstaatliche staatsmonopolistische
Krisenregulierung untergräbt. Wir hatten aber damals noch nicht damit
gerechnet, dass es zu einem derartigen Aufschwung in der Weltwirtschaft
kommen könnte. Dieser ist verbunden mit einer vertieften
Ungleichmäßigkeit der Entwicklung zwischen den Ländern mit hohen
Wachstumsraten (China, Indien, Brasilien, Russland usw.), mit
durchschnittlichen Wachstumsraten (USA, Japan) und Ländern in der
schwankenden Stagnation (Frankreich, Großbritannien, Kanada usw.).
Rote Fahne: Ist die Hypothekenkrise in den USA nicht ein Vorbote einen neuen Wirtschaftskrise?
Stefan Engel:
Zur Belebung in den USA trug zunächst die Förderung des Hauskaufs durch
Lockvogel-Kredite wesentlich bei. Mit dem Fall der Hauspreise ab 2006
und steigenden Kreditzinsen bei gleichzeitig wachsender
Massenarbeitslosigkeit und Armut waren massenhafte
Zwangsversteigerungen, die Ruinierung zigtausender Familien und ein
deutlicher Rückgang des Konsums die Folge. Die nationale
Immobilienkrise löste eine internationale Kredit- und Finanzkrise sowie
Börsenrückgänge aus.
Die Deutsche Bank schätzt, dass Kredite von
400 Milliarden Dollar abgeschrieben werden müssen, darunter allein 50
Milliarden von weltweit führenden Großbanken. Die US-Bank Citygroup
fiel infolgedessen in ihrem Börsenwert binnen weniger Monate vom Platz
1 der Welt auf Rang 6 zurück. Auf Grund der Finanzkrise wurden
inzwischen geplante Fusionen in Höhe von 200 Milliarden Dollar allein
in diesem Jahr abgesagt. Noch sind die weiteren Auswirkungen nicht
abzusehen.
Zwar ist keine konkrete Vorhersage möglich, wann
der Aufschwung der Weltwirtschaft in eine umfassende
Weltwirtschaftskrise übergehen wird. Sicher ist jedoch, dass wir uns
rechtzeitig darauf einstellen müssen, dass die ungewöhnlich starken
Ausschläge in der Wirtschaft nach oben einen wesentlich tieferen Einbruch in der Krise
zur Folge haben werden. Dann werden Massenentlassungen, Verelendung und
Wohnungsräumungen ebenso auf der Tagesordnung stehen wie der
rücksichtslose Einsatz von Justiz und Polizei gegen die kämpfenden
Massen. Der Klassenkampf wird sich sprunghaft verschärfen - das alles
auf der Basis, dass die sozialen Systeme, die in der Vergangenheit die
Folgen auf die Lohnarbeiter etwas gedämpft haben, in ihrer bisherigen
Form weitgehend zerschlagen worden sind und der Einfluss der MLPD nicht
mehr so leicht rückgängig zu machen ist.
Rote Fahne:
Zu ihrem Jubiläum hatte die MLPD ja Besuch aus aller Welt. Welche Pläne
für die Zukunft gibt es in Bezug auf eure internationalen Aktivitäten,
Verbindungen und Zusammenarbeit?
Stefan Engel: In
Verbindung mit länderübergreifenden Arbeiterkämpfen, wie gegenwärtig
dem Streik der Fordarbeiter in Russland, der Organisierung der
internationalen Solidarität und Arbeitereinheit entwickelt sich die
Zusammenarbeit marxistisch-leninistischer und revolutionärer
Organisationen. Im Unterschied zur Zeit der sozialistischen Sowjetunion
bis 1956 und der Volksrepublik China unter Mao Tsetung bis 1976
existiert heute kein revolutionäres Zentrum. An seine Stelle muss die vereinigte internationale marxistisch-leninistische und Arbeiterbewegung
treten. Zu dieser Vereinigung in Theorie und Praxis beizutragen, ist
heute die wichtigste internationalistische Aufgabe der MLPD.
Inzwischen
kam es zu einem Schritt von strategischer Bedeutung: 22 revolutionäre
Parteien unterzeichneten die Erklärung für eine Initiative zum "Aufbau
einer internationalen Organisationsform zur Kooperation und
Koordinierung der Tätigkeit autonomer revolutionärer Parteien und
Organisationen". Damit wurde ein Prozess eingeleitet, der das
Herankommen an die internationale proletarische Revolution erheblich
beschleunigen kann.
Die Frage der Denkweise hat auch international
ausschlaggebende Bedeutung im Klassenkampf gewonnen. Das internationale
Industrieproletariat, die Arbeiterklasse und die Volksmassen müssen
weltweit mit der kleinbürgerlichen Denkweise fertig werden, um das für
die internationale Revolution nötige Klassenbewusstsein und
länderübergreifende Organisiertheit zu entwickeln.
Es ist kein
Zufall, dass unsere Literatur heute in vielen Ländern verbreitet wird.
Ein Durchbruch gelang in Venezuela, wo mit dem staatlichen Verlag "El
perro y la rana" die Herausgabe der Bücher "Götterdämmerung über der
'neuen Weltordnung'" und "Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau"
in Venezuela und darüber hinaus in ganz Lateinamerika vereinbart wurde.
Die internationalistische Arbeit der MLPD muss Bestandteil jeder
Kleinarbeit und jeder Wechselbeziehung der MLPD zu den
Selbstorganisationen der Massen sein. Das internationalistische
Bewusstsein muss zielstrebig durch die Förderung internationalistischer
Organisationsformen auf unterschiedlicher Ebene massenhaft geweckt und
höher entwickelt werden.
Rote Fahne: Welche Aufgaben
stellt ihr euch für die theoretische Arbeit in der nächsten Zeit oder
müssen diese Aufgaben angesichts der zu erwartenden allgemeinen
Turbulenzen erst einmal zurückstehen?
Stefan Engel: Zu
keinem Zeitpunkt gibt es eine Berechtigung für irgendwelche Abstriche
an unserer theoretischen Arbeit. Wir haben schmerzlich erfahren, dass
die Anbetung der Spontaneität in der Organisation auch deshalb zunehmen
konnte, weil der geplante REVOLUTIONÄRE WEG 32-34 mit dem Arbeitstitel
"Die Strategie und Taktik der internationalen proletarischen
Revolution" noch nicht fertig ist. Deshalb hat das 8. Plenum
selbstkritisch diskutiert, dass das ZK sich genügend Zeit für diese
theoretische Arbeit nehmen muss.
Eine der fragwürdigsten Thesen
war die Behauptung einiger Genossen im Zentralkomitee, die Arbeit am RW
32-34 sei durch die neuen Aufgaben im Klassenkampf "notwendigerweise"
verdrängt worden. Nach dieser Logik müsste im Umfeld einer akut
revolutionären Situation die theoretische Arbeit dann wohl gänzlich
wegfallen. Ich möchte nur daran erinnern, dass Lenin zentrale Schriften
wie "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" oder
"Staat und Revolution" im unmittelbaren Vorfeld der Oktoberrevolution
geschrieben hat! Eine der wichtigsten Konsequenzen für eine
erfolgreiche Parteitagsvorbereitung ist also, bis zum Parteitag in der
RW-Arbeit noch ein gutes Stück vorwärts zu kommen.
Rote Fahne: Wie seid ihr mit dem ehrgeizigen Projekt der Reorganisierung der Partei in sieben Landesverbände und 50 Kreise vorangekommen?
Stefan Engel: Zweifellos steht die Zeit seit dem VII. Parteitag für die erfolgreichste Arbeit der MLPD seit unserer Parteigründung.
Wir sind aus unseren Kinderschuhen herausgewachsen und haben bewiesen,
dass wir in der Lage sind, Massen zu bewegen und zu führen.
Insgesamt wuchs die MLPD vom 1.1.2004 bis zum 1.10.2007 um fast 25 Prozent. Es gelang der MLPD unter Beweis zu stellen, dass die systematische Kleinarbeit in jeder Klassenkampfsituation das Mittel der Wahl ist, mit dem Erfolge erzielt werden können.
Ein Garant dieser positiven Entwicklung war die Einleitung der Reorganisierung
der MLPD in Landes- und Kreisverbände vor etwas über eineinhalb Jahren.
Das unmittelbar vom ZK geführte System der Anleitung und Kontrolle war
angesichts des beschleunigten Wachstums der Partei und der steigenden
Anforderungen im Klassenkampf immer stärker in Widerspruch zu dem
geraten, was das ZK leisten konnte und was die Basis brauchte. Nur
durch neue Landesebenen ist in Zukunft die notwendige differenzierte und konkretere Anleitung und Kontrolle der Parteiarbeit möglich.
Zielstrebig haben wir die größte kader- und organisationspolitische Umwälzung der MLPD seit ihrer Gründung
vorangebracht. 2005 hatten wir den Landesverband Nordrhein-Westfalen
gegründet und mittlerweile arbeiten flächendeckend in weiteren sechs
Landesverbänden arbeitsfähige Landesaufbaugruppen. Wir haben uns
vorgenommen, noch vor dem Parteitag Landesleitungen,
Landeskontrollkommissionen und Landesrevisionskommissionen zu wählen
und damit das Hauptziel der Reorganisierung der Partei zu erreichen.
Seit dem VII. Parteitag konnten wir auch die Zahl unserer Kreisverbände um ein Drittel erhöhen. Der Kreisaufbau ist Schrittmacher für den Masseneinfluss der MLPD und die Entwicklung der MLPD zur Partei der Massen,
weil nur dort das allseitige Wechselverhältnis zu den
Selbstorganisationen der Massen entfaltet werden kann. Bei allen
erfolgreichen Aktivitäten müssen wir allerdings auch einige Tendenzen
der Überspannung der Kräfte und eine Vernachlässigung der
ideologisch-politischen Seite in der Kleinarbeit überwinden und die
Konzentration auf das Wesentliche verwirklichen.
Als Fazit ist es
der MLPD gelungen, den Parteiaufbau in den Mittelpunkt zu rücken und
den Auftrag des VII. Parteitags einzulösen! Der VIII. Parteitag wird
sich genauer mit der Frage zu befassen haben, wie der fortschreitende
Prozess der nachhaltigen Durchbrechung der relativen Isolierung der
MLPD zur nachhaltigen Höherentwicklung der Wechselbeziehung von
systematischem Parteiaufbau und Förderung der Selbstorganisation der
Massen genutzt werden kann. Denn das proletarische
Klassenbewusstsein kann nur durch eine vielschichtige Organisiertheit
der Massen dauerhaft geweckt und höherentwickelt werden.
Rote Fahne:
Die MLPD hat noch im Sommer die Jugendarbeit als ihr "größtes
ungelöstes praktisches Problem" dargestellt. Wie ist sie mit der Lösung
vorangekommen?
Stefan Engel: Wir können auch in unserer Jugendarbeit ohne Zweifel von einer positiven Trendwende
sprechen. So konnte der Jugendverband REBELL seit seinem 8.
Verbandsdelegiertentag im Frühjahr 2007 fast 25 Prozent neue Mitglieder
gewinnen. Nachdem jahrelang der Aufbau der Rotfüchse als bundesweite
Kinderorganisation der MLPD vernachlässigt wurde, sind wir hier in den
letzten Wochen ganz entscheidende Schritte vorwärts gekommen.
Die
zentrale Rotfuchsleitung hat sich konstituiert und in der Leitung der
beiden Kindercamps in Truckenthal und Alt Schwerin ihre "Feuertaufe"
bestanden. Zahlreiche neue Rotfuchsgruppen konnten inzwischen gegründet
werden. Die Kinder lernten auf den Camps das Knowhow, wie sie selbst
eine Gruppe leiten, was sie als Kassierer und als Kassenprüfer machen
müssen. Wenn die Rotfüchse von einer Sache überzeugt sind, geben sie
sich voll dran. So schmettern sie überall - wie bei den
25-Jahr-Feierlichkeiten der MLPD oder aktuell bei der
Rheinhausenveranstaltung - stolz ihr neues Rotfuchslied, führen
zusammen mit den Rebellen Theaterstücke auf usw. Aktuell begeistern sie
mit allerorts durchgeführten Nikolausfeiern und werben dort neue Kinder
für die Rotfüchse.
Die Festlegung des Aufbaus der Rotfuchsorganisation hat sich als Kettenglied erwiesen, die Jugendarbeit als Lebensschule der proletarischen Denkweise zu verwirklichen.
Das ist der Kern der Lösung des Problems der marxistisch-leninistischen
Jugendarbeit. Die Kinder und Jugendlichen müssen entgegen der
gesellschaftlichen Prägung durch ein ganzes System der
kleinbürgerlichen Denkweise möglichst früh proletarisch erzogen und
geprägt werden. Mit der Übernahme der Verantwortung für die Kinder
lernen die Rebellen, Verantwortung für die Zukunft der Gesellschaft zu
übernehmen und gewinnen so weitere Mitstreiter für ihren Jugendverband.
Dies soll auch zukünftig im Zentrum unserer Jugendarbeit stehen und ein
Schwerpunkt der Kleinarbeit des REBELL sein.
Ausschlaggebend für
die positive Entwicklung in unserer Jugendarbeit ist eine breite
Initiative zur Neuaneignung unserer jugendpolitischen Linie. Etwa 150
Teilnehmer haben dieses Jahr den Pilotkurs "Die bewusste Anwendung der
dialektischen Methode in der marxistisch-leninistischen Jugendarbeit"
besucht. Hier liegt der Schlüssel zum richtigen Verständnis und zur
schöpferischen Anwendung unserer jugendpolitischen Linie. Das Wesen
unserer marxistisch-leninistischen Jugendarbeit ist die Verwirklichung
einer allseitigen Lebensschule der proletarischen Denkweise. Das wird
im Zusammenhang mit der kritisch-selbstkritischen Aufarbeitung der
vielfältigen Erfahrungen immer allseitiger und tiefer verstanden und
verwirklicht.
Rote Fahne: In der MLPD beginnt mit
großem Vorlauf die Vorbereitung auf den VIII. Parteitag, der ja
turnusmäßig 2008 stattfinden soll. Was sind die Ziele des Parteitags,
wie läuft dieser Prozess in der MLPD ab und worauf müssen sich die
Mitglieder einstellen?
Stefan Engel: Die MLPD wird sich
ab sofort auf die Vorbereitung des VIII. Parteitags konzentrieren. Die
Art und Weise, wie die MLPD ihre Parteitage vorbereitet, sucht
ihresgleichen. Entsprechend groß ist die Vorfreude, Erwartungshaltung
und Initiative unserer Mitglieder und Funktionäre. Parteitage
bürgerlicher Parteien sind dagegen meist unverbindliche
Show-Veranstaltungen für die Medien oder Schlachtfeld für
verschiedenste persönliche Intrigen. Bei der MLPD sind die Mitglieder
die Herren der Partei. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Beratung
des Rechenschaftsberichts-Entwurfs des ZK, der vor kurzem vom 8. Plenum
des Zentralkomitees beschlossen und inzwischen an jedes Mitglied der
MLPD ausgegeben wurde.
Was die Aufgaben des Parteitags angeht, so möchte ich kurz aus dem Vorwort des Rechenschaftsberichts-Entwurfs zitieren:
"Es ist eine der wichtigsten Aufgaben des VIII. Parteitags, die Tendenz
zur Anbetung der Spontaneität erschöpfend aufzuarbeiten und die
Aufgaben der revolutionären Arbeiterpartei im Übergang von der ersten
zur zweiten Etappe des Klassenkampfs gründlich zu diskutieren und
daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Vorbereitung der
internationalen Revolution ist kein geradliniger Prozess, sondern vom
Aufschwung der Kämpfe im Wechsel mit Rückschlägen und Stagnation
gekennzeichnet. Dabei spielt die Entfaltung und Höherentwicklung der
systematischen Kleinarbeit die zentrale Rolle. (...) Dem VIII.
Parteitag der MLPD kommt eine strategische Bedeutung zu, die die volle
Aufmerksamkeit und ideologisch-politische Initiative aller Mitglieder
erfordert. Die breite demokratische Diskussion des
Rechenschaftsberichts(Entwurfs) soll dazu beitragen!"
Für die MLPD ist die Rechenschaftslegung ein grundsätzliches Element des demokratischen Zentralismus.
Sie wurde bereits in der Pariser Kommune als erstem Arbeiterstaat 1871
fest verankert. Auch in der alten kommunistischen Bewegung und in den
sozialistischen Ländern hatten die Rechenschaftsberichte noch einen
wichtigen Stellenwert. Allerdings war es oft so, dass sie erst auf den
Parteitagen in mehrstündigen Vorträgen eingebracht wurden. Mit der
revisionistischen Entartung ab 1956 wurde die "Rechenschaftslegung" zur
Methode, die revisionistische Linie weiter auszuarbeiten, zu verbreiten
und von den jeweiligen Gremien abnicken zu lassen.
In der MLPD
gibt die Rechenschaftslegung den Mitgliedern weitreichende Rechte, sich
ein Bild über die geleistete Tätigkeit der jeweiligen Leitung zu
verschaffen, sich gründlich damit zu beschäftigen, sich dazu zu äußern
und - z.B. gegebenenfalls durch Anträge - Einfluss zu nehmen. Diese
Einflussnahme ist untrennbar mit einem schöpferischen Prozess der
prinzipiellen Verarbeitung der eigenen Erfahrungen verbunden. Dieser
massenhafte Diskussions- und Verarbeitungsprozess befruchtet die
Vereinheitlichung der Denkweise in der ganzen Partei. Dieses Verfahren
ist eine wichtige Schlussfolgerung aus der revisionistischen Entartung
der alten kommunistischen Bewegung.
Alle Leitungen der MLPD müssen
sich auf die Anleitung und Kontrolle der Parteitagsvorbereitung
konzentrieren und dabei den Mitgliedern auch jede Hilfestellung für die
Beratung des natürlich konzentrierten Entwurfs geben. Ich wünsche mir
von der "Roten Fahne", dass sie zu einer lebendigen Tribüne der
Vertiefung dieser Diskussion wird und bitte die Leserinnen und Leser
unseres Zentralorgans um rege Zuschriften, Meinungsbeiträge, Fragen
usw..
Eine Besonderheit dieser Parteitagsvorbereitung sind
gemeinsame Anträge von ZK und ZKK zu den Statuten von MLPD und REBELL
und den "Richtlinien der MLPD für die Tätigkeit ihrer
Kontrollkommissionen". Sie enthalten wichtige Lehren des
außerordentlichen Parteitags der MLPD, der ein Sieg des Systems der
Selbstkontrolle über die entstandene Gefahr einer revisionistischen
Entwicklung aus der ZKK heraus war.
Die Quintessenz der
Diskussion ist natürlich die Kaderfrage! Ich bin mir sicher, dass das
gewachsene Potential der MLPD zu einem hervorragenden Kaderaufgebot für
die zentralen und Landes-Gremien führen wird. Das geht natürlich nur,
wenn alle Genossinnen und Genossen sich persönlich neue Ziele setzen
und mehr Verantwortung übernehmen. Das wünsche ich mir natürlich auch
von den noch parteilosen "Rote Fahne"-Lesern. Ich hoffe, viele von
ihnen als neues Mitglied in der MLPD begrüßen zu dürfen.
Aus all
dem kann nicht folgen, dass die MLPD ihre Aufgaben in Partei und
Klassenkampf für mehrere Monate liegen lässt. Es kommt stattdessen
darauf an, sämtliche Tätigkeiten unter dem Blickpunkt des VIII. Parteitags durchzuführen und auszuwerten.
Ich
möchte am Schluss die Gelegenheit nutzen und im Namen des
Zentralkomitees einen herzlichen Dank an die Mitglieder und Leitungen,
aber auch an die Freunde und Sympathisanten außerhalb unserer Partei
richten, die diese erfolgreiche Tätigkeit der letzten 25 Jahre möglich
gemacht haben. Das gilt insbesondere auch für die Zeit nach dem letzten
Parteitag. Erholsame Feiertage und einen guten Rutsch in ein neues kämpferisches Jahr 2008!