20.12.2009: "Das Berliner Krisenmanagement ist wie ein Tanz auf dem Vulkan"
Ein ereignisreiches Jahr neigt sich dem Ende zu; ein guter Anlass, Bilanz zu ziehen! Siehst du eigentlich große Unterschiede zwischen alter und neuer Regierung?
Die
Merkel/Westerwelle-Regierung hat vorerst die Politik der großen
Koalition im Wesentlichen nicht verändert. Die Regierung setzt das
international vereinbarte Krisenmanagement fort.
Klar, den
Herrschenden ist es bisher gelungen, ein offenes Kollabieren des
Weltfinanzsystems zu verhindern, die Wirtschaftskrise zu dämpfen und
offene Massenkämpfe gegen die Auswirkungen der Krise auf dem Rücken der
Arbeiter einzudämmen. Die Massen haben diese Krisendämpfungspolitik
bisher zähneknirschend geduldet. Aber sie ahnen, dass sie früher oder
später gravierende Folgen auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu
erwarten haben.
Die neuen Regierungsparteien hatten noch vor den
Bundestagswahlen unisono erklärt, dass die Weltwirtschaftskrise zu Ende
gegangen sei. Nach den Wahlen hat Kanzlerin Merkel plötzlich erläutert,
dass das Schlimmste dieser Krise noch vor uns steht.
Das sind neue
Töne, die nichts Gutes erwarten lassen. Gleichwohl werden die
Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Massen weiter
tunlichst verschwiegen. Das ökonomische Krisenmanagement steckt in
einem schweren Dilemma. Aus politischen Gründen versucht man, die
Auswirkungen der Krise auf die Volkswirtschaft und die Massen zu
dämpfen. Gleichzeitig will man aber die Voraussetzungen für die zügige
Überwindung der Krise schaffen und ein neues umfassendes Wachstum der
Industrieproduktion und des Bruttosozialprodukts erreichen. Doch je
effektiver die Maßnahmen zur Dämpfung der Krisenauswirkungen sind,
desto ungünstiger werden aber die Voraussetzungen für die zügige
Überwindung der Weltwirtschafts- und -finanzkrise sein. Das Berliner
Krisenmanagement ist wie ein Tanz auf dem Vulkan, der jederzeit
ausbrechen kann.
Das klingt doch paradox!?
Mag sein! Aber allenfalls kann man die Wirkungen der Überproduktionskrise in Spannung halten oder zeitweilig überbrücken. Diese Gesetzmäßigkeiten bedeuten, dass eine Maximalprofit bringende Produktion erst um den Preis von gigantischer Kapitalvernichtung, Reallohnabbau und gesenkter Produktionskosten wieder in Gang kommt. Jede Maßnahme der Krisendämpfung zögert so zugleich den Prozess der in der kapitalistischen Krise notwendig gewordenen Kapitalvernichtung hinaus. Die Krise zieht sich in die Länge.
Was bedeutet das für die staatliche Politik?
Das In-Spannung-Halten der Krisenerscheinungen ist mit einem gigantischen staatlichen Aufwand verbunden. Das Krisenmanagement erfolgt auf spekulativer Grundlage: Es geht von der irrigen Annahme aus, dass man mit Verschuldung reales zusätzliches Wirtschaftswachstum erreichen kann. Das ist aber ein Phantom! Vielmehr entsteht die latente Gefahr des Umschlagens der staatlichen Maßnahmen in ihr Gegenteil. Die Verschuldung wächst schneller als das Bruttoinlandsprodukt. Das stagnierende Wirtschaftswachstum, der weitere Anstieg der Massenarbeitslosigkeit und das Voranschreiten der absoluten Verelendung der Massen bei gleichzeitiger Entlastung der Monopole von Steuern und Sozialleistungen führt unweigerlich zum Sinken der Steuereinnahmen des Staates. Gleichzeitig potenzieren sich die Zinsbelastungen, die den am schnellsten wachsenden Posten im Staatshaushalt bilden. Werden die Zinsen aus neuen Schulden finanziert, wächst die Zinslast immer schneller, verbunden mit der Tendenz, dass der latente in einen offenen Staatsbankrott umschlägt.
Ist das denn wirklich eine reale Gefahr?
Natürlich! Eine solche Entwicklung können wir aktuell bereits in Griechenland beobachten, wo nur noch mit Hilfe eines internationalen Krisenmanagements der EU der offene Staatsbankrott aufgehalten werden kann. Die Regierungspolitik des fortgesetzten Krisenmanagements führt innerhalb der Bourgeoisie, aber auch zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu heftigen Widersprüchen. So werden in den Medien und den Verlautbarungen der verschiedenen Monopolverbände bereits immer mehr Kritiken an der Regierung laut. Vor allem wird kritisiert, dass jetzt Steuererleichterungen durchgeführt werden, anstatt den Staatshaushalt zu "sanieren". Früher oder später – vielleicht nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen – wird die Regierung dazu übergehen müssen, die Krisenlasten verstärkt auf die Massen abzuwälzen. Damit läuft sie natürlich Gefahr, dass der Geduldsfaden einer wachsenden Zahl von Menschen reißt!
Wäre dieser Zeitpunkt die von dir angekündigte Zäsur?
Die Zäsur ist momentan eher programmatisch zu verstehen. Die gegenwärtige CDU/CSU/FDP-Koalition beinhaltet die Bereitschaft ebenso wie die Weichenstellung zu einer offen volksfeindlichen Politik. Die Regierung ist allerdings auch von einer sehr schwachen Massenbasis gekennzeichnet. Wenn diese volksfeindliche Politik direkt durchgezogen würde, könnten die Regierungsparteien noch weiter an Einfluss verlieren. Damit würde eine starke Kraft für die Geschäftsführung der Monopole fehlen. Die CSU steht tatsächlich in der Gefahr, unter die für sie notwendige bundesweite Fünf-Prozent-Marke zu fallen. Dadurch könnten CDU/CSU abrutschen wie die SPD. Laut Koalitionsvertrag sind die entscheidenden Vorhaben vorerst an zig verschiedene Arbeitskreise überwiesen worden. Sobald einer der Koalitionspartner seine geheimen Wünsche zum Besten gibt, fallen nicht nur die Oppositions-, sondern auch die anderen Regierungsparteien sofort darüber her und gebärden sich als Interessenvertreter ihrer Massenbasis. Es wird selbst für diese Wunschregierung der Monopole schwer werden, den volksfeindlichen Kurs zu verwirklichen. Die Massen werden die Schwäche dieser Regierung erkennen und entsprechend gegen sie kämpfen.
Gilt diese Krisendämpfungspolitik auch auf politischem Gebiet?
Der reaktionäre Charakter der Regierung wird auf politischem Gebiet bereits wesentlich offensichtlicher. Offen hat sie ihren Feldzug gegen den sogenannten "Linksextremismus" auf ihre Fahnen geschrieben und auch im Afghanistankrieg ist sie immer mehr bereit, einen ausdrücklichen Vernichtungskrieg zur Durchsetzung ihrer imperialistischen Interessen zu führen. Beides führt jetzt bereits dazu, dass die Proteste und der Unmut zunehmen. Der ehemalige Verteidigungsminister Jung musste wegen des Massakers von Kundus seinen Hut nehmen und auch der neue Verteidigungsminister zu Guttenberg bewegt sich auf schwankendem Boden. Die Herrschenden befinden sich politisch in der Defensive. Eine denkbar schlechte Startposition für die neuen Geschäftsführer der Monopole.
Was hat es mit den Kontokündigungen gegen die MLPD und dich persönlich auf sich?
Als
mir mein persönliches Konto bei der Commerzbank ohne Angabe von Gründen
gekündigt wurde, haben mir einige Freunde empfohlen, einfach still und
leise ein anderes Konto zu eröffnen. Doch dieses Ausweichen löst das
Problem nicht. Vor allem würde so die Bankentaktik aufgehen, den
politischen Hintergrund dieser Kontokündigung zu verdecken. Inzwischen
ist kaum mehr zu verbergen, dass die Kontokündigungen Bestandteil eines
systematischen rechtswidrigen politischen Boykotts bundesdeutscher Banken gegen die MLPD ist.
So
wurden nach der persönlichen Kontokündigung inzwischen auch der MLPD
von der Deutschen Bank alle Konten gekündigt. Volksbank, Commerzbank,
Nationalbank und SEB haben die Eröffnung von Konten durch die MLPD
verweigert bzw. bereits eröffnete Konten wieder gekündigt. Damit wird
nicht nur massiv die Geschäftsfähigkeit der MLPD attackiert, die
Marxisten-Leninisten sollen auch anrüchig, irgendwie dubios und
unseriös erscheinen. Das ist eine ernstzunehmende Form der
Kriminalisierung der MLPD. Die formellen Begründungen bei den
Kontokündigungen zeigen zugleich die politische Defensive der Akteure.
Unter allen Umständen wollen die Herrschenden ihre Politik der
politischen Isolierung der MLPD aufrecht erhalten. Dazu müssen sie sie
aus der Öffentlichkeit der Medien heraushalten. Das wäre bei einem
offenen politischen Angriff auf die MLPD aber kaum zu realisieren. Bei
der formellen Begründung stecken sie allerdings in der Zwickmühle, zu
rechtfertigen, warum die MLPD angeblich ohne konkreten Anlass auf diese
Art und Weise diskriminiert, politisch verfolgt und attackiert wird.
Deswegen
ist es sehr wichtig, dass wir den politischen Hintergrund dieser
Kontokündigungen begreifen. Hier wird offensichtlich eine Methode der
sogenannten "Terroristenbekämpfung" verfolgt, mit der seit einigen
Jahren politisch fortschrittliche Kräfte zielstrebig kriminalisiert
werden. Das sogenannte "Austrocknen" der finanziellen Basis ist dabei
eine der typischen Methoden. Es ist eine glatte Unverschämtheit und wir
werden uns strikt dagegen wehren, dass wir als "Terroristen" diffamiert
und verfolgt und die demokratischen Rechte und Freiheiten einer
zugelassenen Partei in dieser Art und Weise mit Füßen getreten werden.
Will man in Deutschland künftig beliebig politisch Andersdenkenden und
regierungskritischen Parteien und Organisationen ihre demokratischen
Rechte und Freiheiten aberkennen, sie finanziell ruinieren und
politisch ins Abseits stellen? Da bleibt doch nur eine Farce der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland übrig!
Meinst du, dass diese Auseinandersetzung klammheimlich über die Bühne gehen kann?
Das werden wir zu verhindern wissen! Dass diese Auseinandersetzung mit der MLPD in eine Situation der allgemeinen politischen Verschärfung fällt, ist ein zweischneidiges Schwert für die Herrschenden. Die Massen sind auf der Suche nach Alternativen zu den gescheiterten bürgerlichen Parteien. Eine Polarisierung gegen die MLPD könnte dazu führen, dass sich die Massen mehr mit der MLPD und ihrer gesellschaftlichen Alternative des echten Sozialismus befassen und auf ihre Seite schlagen. Im Moment kommt es vor allem darauf an, eine breite demokratische Öffentlichkeit für den Protest gegen die undemokratischen Kontokündigungen zu gewinnen und diesen politischen Angriff offensiv zurück zu schlagen.
Findet das in der Öffentlichkeit Resonanz?
Inzwischen gibt es schon einen ganzen Ordner voll von Solidaritätsbekundungen aus verschiedenen politischen Richtungen, natürlich aus der MLPD und ihrem Umfeld, aus den Montagsdemonstrationen, aber auch von Mitgliedern der Linkspartei, aus Kreisen der Autonomen, der DKP und der Gewerkschaft. Wir werden alles tun, dass diese Attacke der Kontokündigung ein Rohrkrepierer der neuen Regierung und des gesamten Bankenverbands sein wird.
Was bedeuten diese politischen Verschärfungen für die Entwicklung der politischen Krise in Deutschland?
Jede
Wirtschaftskrise ist gesetzmäßig mit einer politischen Krise verbunden.
Durch das internationale Krisenmanagement wurde bisher verhindert, dass
die politische Krise offen ausbricht. Mit der
faktischen weiteren Verschärfung der Probleme haben sich Skepsis und
Unzufriedenheit der Massen weiter verstärkt. Der Loslösungsprozess von
den bürgerlichen Parteien, dem bürgerlichen Parlamentarismus und seinen
Institutionen hat bei den Bundestagswahlen seinen vorläufigen Höhepunkt
erreicht. Die Sozialdemokratie steckt in einer existenziellen Krise.
Dass
die politische Krise nicht offen ausbricht, funktioniert nur so lange,
wie das System der kleinbürgerlichen Denkweise als hauptsächliches
Betrugsinstrumentarium unter den Massen Wirkung zeigt. Diese Wirkung
wiederum ist an die Fortsetzung des allgemeinen Krisenmanagements und
eine spürbare Entlastung der Massen gebunden. So müssen die
Herrschenden äußerst vorsichtig agieren,um nicht das Porzellan ihrer
relativen Ruhe im Klassenkampf zu zerdeppern.
Offensichtlich ist aber auch die parlamentarische Opposition in Berlin nicht in der Lage, die Situation für sich auszuschlachten ...
Die
SPD ist auch nach ihrem scheinselbstkritischen Parteitag und der
Inthronisierung ihres neuen Parteivorsitzenden Gabriel nicht aus ihrer
Krise herausgekommen. Nach wie vor dümpelt sie bei den Umfragen um die
20 Prozent. Die Leute verzeihen der SPD ihre offensichtliche
Parteinahme für die Geschäftsführung der Monopole in den verschiedenen
Konstellationen mit Schröder/Fischer, Merkel/Müntefering bzw.
Merkel/Steinmeier nicht. Die Grünen und die Linkspartei können bisher
nicht besonders aus dem Dilemma der neuen Regierung profitieren, weil
natürlich jeder weiß, wie gerne sie sich den sogenannten "Sachzwängen"
unterwerfen, nur um sich an Landesregierungen zu beteiligen.
Der
weiter bestehende Linkstrend unter den Massen ist für die Herrschenden,
aber auch für die bürgerlichen Parteien ein zusätzliches Problem.
Einerseits wollen sie ihn loswerden. Schließlich können aus ihm offene
Klassenauseinandersetzungen im Übergang zur Arbeiteroffensive, die
Rebellion der Jugend und der aktive Volkswiderstand – kurz: der Beginn
einer revolutionären Gärung unter den Massen – erwachsen. Solange der
Linkstrend aber existiert und an Attraktivität gewinnt, müssen sie sich
selbst scheinbar an ihn anpassen, um sich bei den Massen nicht zu
isolieren. In diesem Dilemma befindet sich nicht nur die SPD, sondern
auch zum Teil die CSU/CDU, die doch mit erstaunlichen Sprüchen wie vom
"Turbokapitalismus" daherkommt und sich zuweilen – wie in der Person
des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Rüttgers oder Hessens
CDU-Chef Roland Koch – demonstrativ auf die Seite der Arbeiter stellt.
Die
Linkspartei ist mit dem Eintritt in die Landesregierung von Brandenburg
ihrerseits in einem Dilemma. Sie konnte einerseits von dem Linkstrend
profitieren, auf der anderen Seite aber muss sie durch die Einbindung
in die Regierung jetzt selbst eine massenfeindliche Politik mittragen.
Die Leute werden das auf Dauer nicht mittragen. Wenn die Massen keine
parlamentarische Alternative mehr sehen, stehen sie vor der
Entscheidung, selbst aktiv werden, zu kämpfen und sich der
sozialistischen Alternative der MLPD zuzuwenden.
Der Streik bei Daimler Sindelfingen passt irgendwie nicht so richtig in das Bild der relativen Ruhe ...
Der
selbstständige Kampf vom 2. bis 6. Dezember 2009 bei Daimler in
Sindelfingen war der erste große Massenkampf in Deutschland gegen die
Folgen der Neustrukturierung der Automobilindustrie in der
Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Die Arbeiter im zweitgrößten
deutschen Automobilwerk duldeten die geplante Verlagerung "ihrer"
C-Klasse aus Sindelfingen nicht und traten in selbständige Streik- und
Protestaktionen. Die Atmosphäre war explosiv und Anwesende berichteten
von zeitweise geradezu aufstandsähnlichen Stimmungen. Als Schlachtruf
wurde skandiert "Zetsche raus" (Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender von Daimler - Anm. der Redaktion) oder "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin".
Die
Gewerkschaftsführung und rechte Betriebsratsspitze rief in diesen Tagen
zu Kundgebungen und Demonstrationen bzw. zahlreichen außerordentlichen
Betriebsversammlungen auf, um die Initiative wieder zu gewinnen und den
selbständigen Kampf der Arbeiter wieder zu kontrollieren.
Zugleich
beeinflusste der Kampf die politische Situation in der gesamten Region
um Stuttgart: Neben den Kämpfen in Sindelfingen fanden auch in den
Stuttgarter Daimler-Werken Arbeitsniederlegungen mit
Protestkundgebungen statt. Beim Autozulieferer Behr blockierten die
Kollegen die Pragstraße, eine der Hauptverkehrsadern von Stuttgart.
Beim Automobilzulieferer Mann & Hummel in Ludwigsburg fanden
Proteste gegen Massenentlassungen statt. Im Zentrum stand die Kritik an
dem kapitalistischen Krisenmanagement, mit dem auf dem Rücken der
Massen den Banken und Konzernen das Geld in den Rachen geworfen wird.
Viele waren bewegt von der Sorge um die Zukunft der Jugend in der
Region. Massenhaft machte sich in der bisher noch weniger von
Arbeitslosigkeit betroffenen Region Angst vor dem Abstieg in Hartz IV
breit. Ebenso zeitgleich durchdrangen sich in Stuttgart verschiedene
Proteste des aktiven Volkswiderstandes – gegen den Afghanistankrieg und
vor allem gegen das Projekt "Stuttgart 21" als Monopolprojekt mit
dramatischen finanziellen aber auch umweltpolitischen Folgen. Dagegen
hat sich eine eigene Montagsdemonstration entwickelt, an der zeitweise
über 2.000 Leute teilnahmen. In Sindelfingen entstand breiter Protest
gegen kommunale Kürzungen. Diese gehen wesentlich darauf zurück, dass
Daimler seit Jahren keine Gewerbesteuer mehr bezahlt. Selbst beim
Fußballspiel des VfB Stuttgart gegen den VFL Bochum kam es zu
politischen Massenäußerungen. Sie veranlassten den Präsidenten des
Kapitalistenverbandes BDA und Aufsichtsratsvorsitzenden des VFB
Stuttgart, Dieter Hundt, zur folgenden Einschätzung:
"Die
Randale nach dem Spiel ist für mich ohnehin in hohem Maß
besorgniserregend... Die Kritik hat sich ja gegen vieles gerichtet.
Gegen die Scheißmillionäre, gegen Daimler, gegen die Regierung, ganz
pauschal gegen die da oben." ("Stuttgarter Zeitung", 08.12.09)
Solche eruptionsartigen Entwicklungen sind in der nächsten Zeit
grundsätzlich auch in anderen Regionen möglich. Wir müssen uns auf
überraschende, schnellere und neue Entwicklungen und die Führung des
Klassenkampfs im eigentlichen Sinn einstellen.
Dabei steht die
Automobilindustrie und besonders deren Zulieferindustrie im Zentrum:
Dort hat die MLPD einen großen Einfluss, stehen die weitreichenden
Auswirkungen der Krise noch bevor und ist die
Klassenzusammenarbeitspolitik der rechten Betriebsratsspitzen durch die
Krise der Sozialdemokratie tiefgreifend in Frage gestellt.
Allein in
Deutschland wird mit der Vernichtung von 240.000 Arbeitsplätzen in der
Automobilindustrie gerechnet. Weltweite Produktionskapazitäten von 94
Millionen Fahrzeugen stehen 2009 einem erwarteten Absatz von gerade
einmal 55 Millionen Fahrzeugen gegenüber. Die Schlacht um die
Neuaufteilung des Weltmarktes wird als gegenseitige
Vernichtungsschlacht auf dem Rücken der Arbeiterklasse ausgetragen. Ich
gehe davon aus, dass sich hier der Ausgangspunkt für den Übergang zur
Arbeiteroffensive ausbildet.
Hat sich mit dem Regierungswechsel auch das Verhalten der Gewerkschaft verändert? Vorher gab es ja jahrelange Stillhalteabkommen mit der Regierung. Wird das mit der neuen Merkel/Westerwelle-Regierung auch der Fall sein, nachdem vorher massiv gegen sie mobil gemacht wurde?
Bisher
deutet nur wenig darauf hin, dass die Gewerkschaften gegen die
Regierung kämpfen wollen. Die gesamte Krisendämpfungspolitik ist immer
in konzertierter Aktion von Unternehmerverbänden, rechter
Gewerkschaftsführung und Regierung in die Wege geleitet und umgesetzt
worden. Die Gewerkschaften übernehmen zum Teil den Part, dass sie in
den Betrieben Zugeständnissen an die Kapitalisten zustimmen als
vermeintliche Gegenleistung für den angeblichen Erhalt der
Arbeitsplätze. Damit beteiligen sie sich aktiv an der Abwälzung der
Krisenlasten auf den Rücken der Arbeiter. Statt gerade in Krisenzeiten
eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich von den
Kapitalisten zu fordern, um Arbeitsplätze zu erhalten, hat die
Gewerkschaft der Ausweitung der Kurzarbeit zugestimmt. Diese wird aber
nicht auf Kosten der Profite, sondern letztlich von den
Sozialversicherungsbeiträgen finanziert und führt auch zu erheblichen
Lohneinbußen bei den Betroffenen.
Die andere Seite der
Klassenzusammenarbeitspolitik ist das aktuell erheblich verschärfte
Vorgehen der IG-Metall-Führung gegen die MLPD, z.B. durch die
Gewerkschaftsausschlüsse gegen langjährige, höchst aktive
Gewerkschafter in Essen, die der MLPD zugerechnet werden. Damit
widerspricht der IGM-Vorstand zutiefst dem Gedanken der
Einheitsgewerkschaft von Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen usw.
Er war eine wesentliche Schlussfolgerung aus der Spaltung der
Arbeiterbewegung und den leidvollen Erfahrungen im Hitlerfaschismus.
Es
ist zudem ein Skandal, wie der einmütige Auftrag des letzten
IGM-Kongresses, die Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen die MLPD endlich
abzuschaffen, jetzt vom IGM-Vorstand in sein genaues Gegenteil verkehrt
wird. Der SPD-hörige IGM-Vorstand sollte realisieren, dass nur noch 25
Prozent der Gewerkschaftsmitglieder bei der Bundestagswahl SPD gewählt
haben und diese deshalb nicht besonders erfreut darüber sein werden,
wenn jetzt wieder antikommunistische Säuberungen losgehen.
Wir
begrüßen auch, dass ausgehend von einer Konferenz kritischer und
kämpferischer Gewerkschafter in Dortmund sich mit der "Dortmunder
Erklärung" eine bundesweite Bewegung in den Gewerkschaften herausbildet
unter dem Motto "Jetzt erst recht für starke und kämpferische
Gewerkschaften in der Krise", wo entschieden gegen die
innergewerkschaftlichen Maßregelungen Front gemacht wird.
Wir müssen
die bevorstehenden Betriebsratswahlen nutzen, um die
Klassenzusammenarbeitspolitik der reformistischen Gewerkschaftsführer
zu kritisieren und für kämpferische Alternativen eintreten. Was die
Arbeiterbewegung in der nächsten Zeit am wenigsten brauchen kann, ist
eine Spaltung in verschiedene politische Richtungen.
In den letzten Wochen bekommt man den Eindruck, dass sich die Umweltbewegung wieder deutlich belebt hat ...
Der
Weltöffentlichkeit wurde über Jahre – verstärkt noch nach der Wahl
Obamas in den USA – suggeriert, dass jetzt in Kopenhagen endlich die
dringend notwendigen Schritte zur CO2-Reduktion eingeleitet würden.
Umso ernüchternder ist das Ergebnis. Das Spektakel von Kopenhagen
demonstriert das offene Scheitern des imperialistischen Ökologismus.
Dieser imperialistische Ökologismus versucht das Umweltproblem als
Plattform für den imperialistischen Konkurrenz- und Machtkampf zu
nutzen. Das Scheitern der ursprünglich ehrgeizigen Ziele in Kopenhagen,
die Veränderungen im Weltklima zu stoppen, zeigt die Unfähigkeit des
imperialistischen Weltsystems, die drängenden Menschheitsprobleme zu
lösen. Schon mit Beginn der Weltwirtschaftskrise und erst recht von der
neuen Regierung wurden auch die ohnehin unzureichenden Zugeständnisse
in Umweltfragen rückgängig gemacht. Angela Merkel hat sich noch vor
wenigen Jahren als "Klimakanzlerin" dargestellt. Jetzt hat die neue
Regierung als eine der ersten Amtshandlungen die Laufzeit der
Atomkraftwerke verlängert. Damit wird in vielen Ländern dieser Welt
eine kriminelle atomare Verseuchung von Mensch und Natur betrieben. An
dem skandalösen Ausbau der Kohlekraftwerke wird festgehalten. Die
Fokussierung auf fossile Energieträger wird verewigt. Erneuerbare
Energien werden allenfalls da gefördert, wo deutsche Monopole in ihrem
Kampf um die Weltmarktführerschaft Chancen sehen. Die deutschen
Monopole haben Kanzlerin Merkel beauftragt, in Kopenhagen keine
"einseitigen" Zusagen zu machen. Ein verbindliches Klimaabkommen sei
nur akzeptabel mit Vorteilen für die deutschen Monopole, um mit ihrem
"Exportschlager" Umwelttechnologie zur Weltmarktführerschaft zu
gelangen bzw. sie zu festigen. Das alles hat mit der dringend
notwendigen Wende zu erneuerbaren Energien und Kreislaufwirtschaft
nichts zu tun.
Die heuchlerische Floskel von der Vereinbarkeit von
Umweltschutz und Wirtschaft entpuppt sich als schnöde Unterwerfung der
Rettung der Umwelt unter die Profitinteressen der Monopole.
Es ist
vor diesem Hintergrund bemerkenswert, wie sich der internationale
Widerstand gegen die Klimakatastrophe formiert. In 108 Ländern der Erde
gab es in den letzten Wochen zum Teil massenhafte Protestaktivitäten
für Klimaschutz. Allein in Kopenhagen beteiligten sich ca. 200.000
Menschen an den Massenprotesten. Auch kommt es zur zunehmenden
Konfrontation der führenden imperialistischen Länder mit den
neokolonial abhängigen Ländern. Diejenigen, die für die
menschheitsgefährdende Klimakatastrophe am wenigsten verantwortlich
sind, sind zugleich am massivsten von den bereits jetzt eintretenden
Klimaveränderungen betroffen. Eine Reihe von Inselgruppen werden in den
nächsten Jahrzehnten verschwinden, ganze Landstriche vor allem in den
neokolonial abhängigen und unterdrückten Ländern werden den
Meeresfluten geopfert. Die Ausdehnung der Wüsten, die Vernichtung der
Regenwälder – all das trifft vor allem die Bevölkerung der Länder, in
denen der Hunger am allermeisten grassiert. Die Präsidenten von
Bolivien, Venezuela und den Malediven solidarisierten sich mit den
Demonstranten, eine wachsende Anzahl der afrikanischen Länder fordert,
dass die CO2-Belastung wieder auf den Stand von vor 20 Jahren
zurückgeführt werden muss. Diese Forderung richtet sich berechtigt vor
allem an die imperialistischen Staaten, inklusive der Forderung nach
einer Wiedergutmachung für die bisherigen Zerstörungen in diesen
Ländern. Das Bewusstsein über den notwendigen Kampf gegen die
Monopolkonzerne und ihre Profitgier als Hauptverantwortliche für die
Umweltkrise ist wieder gewachsen.
In der Umweltbewegung hat sich
auch der internationalistische Geist deutlich belebt. Mit dem teils
gewaltsamen Rausschmiss vieler, sogar akkreditierter NGO-Vertreter aus
der Kopenhagener Klimakonferenz am 16. Dezember, der Eskalation des
Staatsterrors und des Abbaus demokratischer Rechte hat die bisher
vorherrschende Lobbying-Strategie des kleinbürgerlichen Ökologismus
eine herbe Schlappe erlitten. Kopenhagen war ein wichtiges Lehrstück
für die Notwendigkeit, eine internationale Widerstandsfront gegen die
Profitgier der Monopole aufzubauen.
Mit den Bildungsprotesten hat sich der rebellische Geist unter der Jugend deutlich belebt. Das muss Gründe haben ...
Unter
der Jugend gelingt die Krisendämpfungspolitik der Herrschenden am
Wenigsten. Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung der letzten
Wochen. Während sich im Sommer ca. 270.000 an solchen Bildungsprotesten
beteiligten, sind es diesmal bislang ca. 100.000. Dabei muss aber
beachtet werden, dass diese Proteste kurz nach dem Regierungswechsel
stattfanden und sich ausdrücklich gegen Zweifler und Bremser
durchsetzten, die der neuen Regierung und ihren angeblichen
Bildungsinitiativen erstmal eine Chance geben wollten.
Im
Unterschied zu den Schüler- und Studentenprotesten in den letzten
Jahren gab es diesmal eine internationale, europaweit koordinierte
Studentenprotestwelle mit Besetzung von Hörsälen, Demonstrationen und
politischem Boykott. An manchen Unis beteiligten sich tausende
Studenten an Massendiskussionen über das Bildungswesen, über die
"Systemfrage", Bündnispartner in der Arbeiterbewegung und sozialen
Bewegung usw. Es kam auch zu einzelnen Übergriffen der Polizei auf
demonstrierende und kämpfende Schüler und Studenten wie in Essen.
Gleichzeitig tut die Regierung so, als würde sie wichtige Forderungen
der Schüler- und Studentenproteste ernst nehmen. Sie beschränkt sich
aber auf vordergründige Zugeständnisse an Forderungen zur Ausgestaltung
der Studiengänge und eine leichte BAFöG-Erhöhung. In den Medien hat
sich die Sprachregelung durchgesetzt, es handele sich nur um Proteste
zur Verbesserung der Studienbedingungen. In Wahrheit geht der Unmut der
Jugend viel tiefer. So greifen die Protestierenden die Disziplinierung
durch die sogenannten "Kopfnoten" an, wenden sich gegen die immer
direktere Unterordnung der Bildung unter die Profitinteressen der
internationalen Monopole. Sie sind betont internationalistisch und mehr
und mehr offen für den Zusammenschluss mit der Arbeiterbewegung.
Auffallend ist auch, dass die aktiven Schüler meist aus der Mittelstufe
kommen, viele Arbeiterkinder und -jugendliche aktiv sind, besonders
Migranten.
Das kann ein Signal dafür sein, dass sich der rebellische
Geist nach Jahrzehnten einer bestimmten Ruhe unter der lernenden und
studierenden Jugend wieder breit macht. MLPD und REBELL spielten in
diesen Kämpfen eine aktive Rolle; sie beteiligten sich in mindestens 30
Städten aktiv an Demonstrationen, organisierten Offene Mikrofone,
beteiligten sich verstärkt an der unmittelbaren Organisierung von
Kampfaktionen. Gleichzeitig gibt es in den Protesten noch eine gehörige
Portion Organisationsfeindlichkeit, zum Teil werden auch gezielt
antikommunistische Vorbehalte verbreitet. Nur organisiert kann man aber
Erfolge erzielen; nur organisiert kann man all das lernen, was für eine
erfolgreiche Rebellion gegen die Herrschenden nötig ist; nur
organisiert findet man den Rückhalt, den man braucht, um sich dauerhaft
gegen den gesellschaftlichen Mainstream zu stellen; nur organisiert
wird die Jugend dauerhaft zur praktischen Avantgarde des Kampfes.
Stehen nur Studenten und Schüler zurzeit im Zentrum der Jugendbewegung und welche Aufgaben sieht die MLPD darin?
Die
Rebellion der Jugend bezieht sich durchaus nicht nur auf die Schüler
und Studenten, sondern beinhaltet auch eine Reihe von Kämpfen der
Arbeiterjugend gegen die Nichtübernahme nach der Lehre wie z.B. bei
Hoechst in Frankfurt.
Die Organisierung der Rebellion ist das
Hauptfeld der marxistisch-leninistischen Jugendarbeit, weshalb sich der
Aufbau des REBELL mit der Förderung der Rebellion der Jugend enger
verbinden muss. Zugleich muss er verstärkt die sportlichen und
kulturellen Interessen der Jugend usw. beachten und die Rebellion der
Jugend als Lebensschule der proletarischen Denkweise fördern.
Die im
letzten Jahr eingeleitete Kritik-Selbstkritik-Kampagne zur
marxistisch-leninistischen Jugendarbeit muss erst noch zu einem vollen
Erfolg geführt werden. Hier wurden viele Initiativen der Mitglieder und
Leitungen der Partei entwickelt, die aber durch eine bestimmte
Führungslosigkeit unserer verantwortlichen Genossen keine nachhaltige
Veränderungen unserer Jugendarbeit bewirkten. Vor allem wurde die
nötige Neuaneignung unserer jugendpolitischen Linie an den Rand
gedrückt und es verstärkte sich teilweise sogar eine pragmatische
Tendenz.
Das Zentralkomitee hat daher beschlossen, die
Kritik-Selbstkritik-Kampagne zu verlängern und eine ganze taktische
Hauptaufgabe zu Beginn 2010 darauf zu konzentrieren. Ab Januar wollen
wir auch neuartige Jugendseiten in der "Roten Fahne" einführen, die ein
Kompass der Jugendarbeit von Partei, REBELL und Rotfüchsen werden
sollen.
In einem der letzten Interviews hast Du vom Aufbau einer Internationalen Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen (ICOR) gesprochen. Was ist aus diesem Projekt geworden?
Die
dreijährige Vorbereitung, an der fast 70 Parteien und Organisationen
beteiligt sind, hat inzwischen zu einem bedeutenden ersten Erfolg
geführt. Nachdem zunächst in einer sehr intensiven Diskussion ein
gemeinsames Verständnis über die Bedeutung und Notwendigkeit der
Schaffung einer internationalen Organisation der Koordinierung und
Kooperation erarbeitet wurde, konnte inzwischen die Phase der konkreten
Vorbereitung der Weltkonferenz zur Gründung der ICOR eingeleitet werden.
Die
revisionistische Entartung aller ehemals kommunistischen Parteien
führte zu einem Tiefpunkt der marxistisch-leninistischen Bewegung.
Mit
der ICOR-Gründung wird ein entscheidender Schritt zur Überwindung der
Zersplitterung der internationalen revolutionären und Arbeiterbewegung
gemacht und eine geeignete gemeinsame Organisationsform für einen neuen
Aufschwung des Kampfs für den echten Sozialismus unter den heutigen
Bedingungen gefunden werden. Die objektive Grundlage bildet die tiefste
Weltwirtschafts- und -finanzkrise seit Bestehen des Kapitalismus.
Natürlich
müssen solche grundlegend neuen Aufgaben, die sich für uns
Marxisten-Leninisten aus der Neuorganisation der internationalen
Produktion ergeben, auch theoretisch verarbeitet und "voraus gedacht"
werden. Deshalb arbeiten wir sozusagen parallel zur Beteiligung am
praktischen Prozess der ICOR-Vorbereitung an den neuen Ausgaben unseres
theoretischen Organs, dem REVOLUTIONÄREN WEG 32-34 zur "Strategie und
Taktik der internationalen Revolution". Wie selten zuvor durchdringt
sich das mit einem engen und vielfältigen Kontakt zu den Parteien und
Repräsentanten der weltweiten marxistisch-leninistischen und
Arbeiterbewegung, deren vielfältige Erfahrungen und Erkenntnisse
natürlich keine Partei der Welt alleine machen kann.
Bereits in der
Vorbereitungsphase haben sich Teilnehmer der ICOR für die gemeinsame
Unterstützung internationaler Projekte verpflichtet. Eine erste große
Bewährungsprobe in dieser Hinsicht ist die Unterstützung und Mitarbeit
an der Vorbereitung und Organisierung der Weltfrauenkonferenz der
Basisfrauen im Jahr 2011 in Venezuela.
Ist die Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Venezuela in erster Linie eine internationalistische Aufgabe?
Die
Weltfrauenkonferenz ist ein großes internationalistisches Projekt mit
überparteilichem Charakter, das die ganze Bandbreite der kämpferischen
und internationalen Frauenbewegung repräsentieren soll. Der Gedanke des
internationalen Treffens der Basisfrauen stößt in Deutschland auf große
Begeisterung und es gibt viele Initiativen in der Vorbereitung. Wir
stellen aber auch in unserer Parteiarbeit fest, dass dies oft noch
getrennt wird von der Gewinnung neuer Frauen und Mädchen für die
Organisationen der kämpferischen Frauenbewegung wie z.B. den
überparteilichen Frauenverband Courage, die Stärkung der
Gewerkschaftsfrauenbewegung usw. Letztlich lebt aber auch ein
internationalistischer Höhepunkt davon, ob er eine entsprechend starke
Basis in den einzelnen Ländern repräsentiert. In unserer Parteiarbeit
setzen wir uns das Ziel, in diesen Aufgaben vor allem die kämpferische
Frauenbewegung in Deutschland zu stärken und ab Mitte August wollen wir
uns auf die Förderung der kämpferischen Frauenmassenbewegung in
Verbindung mit der Unterstützung der Vorbereitungen für den
Frauenpolitischen Ratschlag und die Weltfrauenkonferenz konzentrieren.
Wir stellen das ausdrücklich als Aufgabe für alle Felder unserer
systematischen Kleinarbeit.
Man muss sagen, dass sich in der Partei
nach früheren Erfolgen inzwischen eine Unterschätzung der "Frauenfrage"
eingeschlichen hat. Das bezieht sich auf eine tendenzielle
Geringschätzung des Kampfs um die Befreiung der Frau, der
Frauenförderung, der Unterstützung der kämpferischen Frauenbewegung und
vor allem der Aneignung bzw. Neuaneignung unserer frauenpolitischen
Linie. Diese Arbeit wird immer wieder auf einige Verantwortliche und
Spezialistinnen abgeschoben anstatt sie zum festen Bestandteil der
Leitungs- und Kleinarbeit aller Ebenen zu machen. In dem Buch "Neue
Perspektiven für die Befreiung der Frau" hatten wir die bedeutende
Rolle der kämpferischen Frauenbewegung qualifiziert, die in diesem
gesamtgesellschaftlichen Umfeld nur zu unterstreichen ist: "Da
sich die kämpferische Frauenbewegung auf die Veränderung der gesamten
Lebensverhältnisse der Massen in der kapitalistischen Gesellschaft
bezieht, kann sie auch das Bindeglied zwischen allen fortschrittlichen
Bewegungen und dem proletarischen Klassenkampf werden. (...) Die
kämpferische Frauenbewegung muss sich überall einmischen und zum
Ausdruck bringen, dass es ohne Kampf um die Befreiung der Frau keinen
gesellschaftlichen Fortschritt gibt." (S. 323/324) Der
Ausgangspunkt für eine erfolgreiche taktische Hauptaufgabe ist die
Überwindung der Verdrängung unserer frauenpolitischen Linie der MLPD
und deren gründliches Studium.
Welche Bilanz ziehst du mit etwas zeitlichem Abstand über die Offensive für den echten Sozialismus, die die MLPD im Zusammenhang mit der Bundestagswahl durchgeführt hat?
Diese Offensive war eine
hervorragende Gemeinschaftsaktion der gesamten Partei. Bei allem Erfolg
mussten wir doch außergewöhnlich hart darum kämpfen. Die ganze
Offensive fand in einer komplizierten Übergangssituation statt, in der
sich der Linkstrend entfaltete, die Weltwirtschaftskrise ausbrach, das
einmalige internationale Krisenmanagement ausgerichtet wurde und auch
Wirkung zeigte. Dabei gab es auch eine neue Taktik im Vorgehen gegen
die MLPD: der Antikommunismus wurde in den bürgerlichen Massenmedien
deutlich verschärft ebenso wie direkte Angriffe gegen die MLPD –
während die MLPD zugleich nie beim Namen genannt wurde. Wir wurden
einem fast hundertprozentigen Medienboykott unterworfen, womit unsere
"Bedeutungslosigkeit" unter Beweis gestellt werden sollte. Objektiv
wurde damit die Stärkung der Linkspartei als kleineres Übel für die
Herrschenden betrieben.
Nicht zuletzt mussten wir gegen eine Tendenz
der Skepsis der Massen gegenüber allen Parteien ankämpfen, die unsere
Offensive zeitweilig erschwerte.
Wir mussten die Situation
verarbeiten und die richtigen Schlüsse ziehen. Wir hatten von Beginn an
diskutiert, dass wir in unserer Offensive eine Polemik gegen die
bürgerliche politische Ökonomie, das bürgerliche Krisenmanagement der
Regierung, aber auch die Träger der linksreformistischen und
reformistischen Konzepte entwickeln und den Antikommunismus offensiv
angreifen müssen. Doch gerade diese Grundlinie setzte sich erst nach
und nach durch. In Verbindung mit einem Zurückweichen vor der zum Teil
aggressiven antikommunistischen Hetze gegen unsere Genossen gab es zum
Teil die Vorstellung, man könne schneller punkten, wenn man sich dem
allgemeinen Linkstrend anpasst oder unkritisch anhängt. Dieser
beinhaltet aber eben auch eine starke linksreformistische und
parlamentarische Richtung, die sich letztlich gegen die revolutionäre
Position der MLPD richtet. Die Aufgabe der MLPD ist die Stärkung der
revolutionären Richtung im Linkstrend! Diese Aufgabe hat sie letztlich
auch hervorragend wahrgenommen. Aber da, wo angesichts neuer
Anforderungen eine bestimmte opportunistische Prägung nicht überwunden
wurde, gab es Probleme. Das betraf z.B. eine Gewöhnung, sich auf eine
Arbeit als kämpferischer Gewerkschafter zu beschränken und vor der
systematischen Überzeugungsarbeit für den echten Sozialismus zurück zu
weichen. Diese opportunistische Richtung kam dann offen zum Ausdruck in
der "Roten Fahne" Nr. 36, die im September unter der Überschrift "Deine
Stimme für die Arbeiteroffensive" erschien. Kurz nach unserem
hervorragenden Wahlkampfauftakt in Hamburg verbreitete sie objektiv
eine Gegenausrichtung zur Offensive für den echten Sozialismus. Sie
blendete den Wahlkampf der MLPD weitestgehend aus. Das ging so weit,
dass die landesweiten Auftaktkundgebungen und die Hauptkundgebungen der
MLPD noch nicht einmal angekündigt waren. Stattdessen wurde als
"Höhepunkt des Wahlkampfs" darauf orientiert, dass unsere Zeit nach der
Wahl käme, wenn die Angriffe losgehen und die Arbeiter und die breiten
Massen wohl spontan zu Kämpfen übergehen würden. Diese "Rote Fahne"
richtete sich auch gegen unseren Personenwahlkampf, in dem die
führenden Repräsentanten völlig raus gehalten wurden. Offenbar wirkte
hier latent auch die "Personenkult"hetze, die der Verfassungsschutz
seit Jahren gegen die MLPD und vor allem meine Person vom Zaun bricht
und der man auf diese Weise "den Boden entziehen" wollte. In der
Offensive konnten wir die Leute massenhaft und überzeugend gerade da
gewinnen, wo wir diese antikommunistischen Parolen offensiv angriffen.
Die
offene parteiinterne Debatte um diese "Rote Fahne" ermöglichte eine
schnelle Vereinheitlichung und selbstkritische Korrektur und führte
dazu, die Offensive für den echten Sozialismus erfolgreich zu steigern
und zu Ende zu führen. MLPD und REBELL gingen sozusagen "ab wie eine
Rakete". Die letzten Wochen des Wahlkampfes waren von einer solchen
Schöpferkraft, revolutionärem Geist, Ideenreichtum und Initiative
geprägt, dass wir nicht zufällig in dieser Phase fast die Hälfte der
insgesamt 5.600 Wahlhelfer gewannen. Einmal mehr war hier die Lehre von
der Denkweise ein Garant, mit der kleinbürgerlichen Denkweise fertig zu
werden und im Gegenwind eine erfolgreiche Arbeit zu entfalten.
Im letzten Interview hast du als Aufgabe der MLPD formuliert, nun "die Erfolge der Offensive für den echten Sozialismus zu sichern". Was wurde daraus?
Nach dem Erfolg unserer Offensive sind viele Genossen davon ausgegangen, dass die Offensive weitergeht und sich nur der Schwerpunkt verlagert. Diese Vorstellung verkennt die Gesetzmäßigkeiten einer Offensive, die sehr viel Kraft kostet. So viel, dass sie zuweilen den normalen Kräftehaushalt übersteigt. Andererseits gewinnt jede siegreiche Offensive neue Kräfte. Diese müssen aber erst einmal in die "Truppen" integriert werden, ihre Grundsätze und Spielregeln kennen und verstehen lernen, ihren Platz finden, sich identifizieren und heimisch fühlen, bevor sie zu einer realen Stärkung führen. Deshalb lehrt der berühmte Militärwissenschaftler Clausewitz, dass erstens die Offensive nicht über die Maßen hinaus weitergeführt, sondern zweitens mit dem Sieg unbedingt eingestellt werden muss, um drittens den Sieg in der Verteidigung zu sichern. Wir sind im ZK deshalb zur Erkenntnis gekommen, dass nach der Phase der Offensive notwendigerweise eine zeitweilige defensive Phase in der Parteiarbeit kommen muss. Viele Genossen hatten den Begriff der Defensive in der Parteiarbeit einseitig negativ gedeutet, als ob Defensive Kapitulation oder Zurückweichen bedeuten würde. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass unsere Genossen richtigerweise eine offensive Grundhaltung haben. Mit der Stärkung unserer Kräfte in einer zeitweiligen Defensive im Parteiaufbau – im Clausewitz'schen Sinn – wird auf eine nachhaltige Festigung der Erfolge ausgerichtet, und damit auch eine neue Offensive vorbereitet. Es ist gerade die dialektische Behandlung von Offensive und Defensive in Parteiaufbau und Klassenkampf, die die Einheit von Strategie und Taktik gewährleistet.
Was nimmt sich die MLPD für die nächste Zukunft vor?
In
erster Linie müssen wir in der theoretischen Arbeit eine Menge leisten.
Die Arbeit am REVOLUTIONÄREN WEG 32 über die Strategie und Taktik der
internationalen Revolution muss fertig gestellt werden, ebenso auch
Arbeiten an der Fortführung der Lehre von der Denkweise. Innerhalb der
Organisation stehen Delegiertentage in den Orten und in den
Landesverbänden an. Diese werden eine Bilanz über die erste
Bewährungsprobe der neu gewählten Landesleitungen sein. Die MLPD muss
um eine neue Qualität des proletarischen Internationalismus kämpfen –
das ist die Quintessenz aus den neuen Entwicklungen und wesentlichen
Veränderungen der Neuorganisation der internationalen Produktion und
der Aufgabenstellung der Vorbereitung der internationalen Revolution.
Das
Zentralkomitee hat im Einvernehmen mit den zuständigen Landesleitungen
beschlossen, 2011 wieder an den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt
teilzunehmen und 2012 die Senatswahlen in Hamburg zu nutzen, um den
Parteiaufbau in Hamburg zu stärken. Wir müssen vor allem 2010 und 2011
damit rechnen, dass es öfter zu "Entladungen" wie bei Daimler in
Sindelfingen kommt, die wir nutzen werden für die Entwicklung der
Arbeiteroffensive, des aktiven Volkswiderstands und der Rebellion der
Jugend. Das sind die taktischen Voraussetzungen, um zu einer neuen
strategischen Ausgangslage im Kampf für den echten Sozialismus zu
kommen. Die Organisation hat sich 2009 im Gegenwind tapfer geschlagen
und wird auf diese Aufgaben gut vorbereitet sein.
Ich wünsche allen
Genossinnen und Genossen, Freundinnen und Freunden, aber auch unseren
Kampfgefährten aus der internationalen revolutionären und
Arbeiterbewegung ein kämpferisches, erfolgreiches neues Jahr!
Vielen Dank für die hervorragende Zusammenarbeit!
Vielen Dank für das Interview und dir und der MLPD ein erfolgreiches 2010!