Der „Linkstrend“ und der Kampf um die Denkweise

Bei der Gründung von sieben Landesverbänden der MLPD war Nordrhein-Westfalen „Pilotprojekt“. Dort wird derzeit der II. Landesdelegiertentag vorbereitet. Die Arbeit als Landesverband hat sich sehr bewährt. Zugleich wurde am Entwurf des Rechenschaftsberichts der Landesleitung an den Landesdelegiertentag aus verschiedenen Parteigruppen berechtigt eine Tendenz zum ultralinken Wunschdenken kritisiert.

Die Landesleitung hat im Vorfeld des VIII. Parteitags der MLPD diese Kritik aufgegriffen und im Landesverband eine kritisch-selbstkritische Auseinandersetzung darüber eingeleitet. Das ultralinke Wunschdenken trat vor allem in der Aussage zutage, „das System der kleinbürgerlichen Denkweise verliert nachhaltig an Wirkung“. Darin kommt eine tendenzielle Geringschätzung des Kampfs um die Denkweise zum Ausdruck – wohl auch mit der Vorstellung, dessen Bedeutung ginge im eingeleiteten Übergang zur zweiten Etappe im Klassenkampf zurück. Die Landesleitung wertete aus: „Mit der Behauptung, das System der kleinbürgerlichen Denkweise verliere nachhaltig an Wirkung, schätzten wir diesen intensiv zu führenden Kampf um die Denkweise im Massenumfang gering. Der nachhaltige Verlust der Wirkung des gesellschaftlichen Systems der kleinbürgerlichen Denkweise auf die Massen ist gebunden an die Situation der offenen politischen Krise und gilt allgemein erst für die zweite Etappe im Klassenkampf. So wird es auch im Rechenschaftsberichtsentwurf des ZK unmissverständlich qualifiziert.“

Welche Rolle man dem Kampf um die Denkweise im Massenumfang beimisst, ist sehr wichtig, um den derzeitigen Linkstrend richtig zu beurteilen und zu nutzen: Ge-lingt es, ihn in linksreformistische Scheinalternativen, wie sie von der Linkspartei vertreten werden, umzuwandeln oder halten wir den kritischen antikapitalistischen Geist wach, verbinden ihn mit einer Propagierung des echten Sozialismus und stärken die revolutionäre Arbeiterbewegung? Der Linkstrend ist selbst ein entfalteter Kampf um die Denkweise – als Ausdruck des ideologischen Vorgefechtes, das die eingeleitete historische Umbruchphase vom Kapitalismus zum Sozialismus mit sich bringt (siehe dazu auch „Rote Fahne“, 28/2008, S. 20/21).

Wie lange nicht mehr wird wieder relativ breit über den Sozialismus, das Kommunistische Manifest und unsere Lehren aus der Entartung aller ehemals sozialistischen Länder diskutiert. Selbst die „WAZ“ berichtet in ihrem Gelsenkirchener Lokalteil: „Wer am Donnerstag im Rat einfach mal die Augen schloss und den Diskussionszusammenhang ausklammerte, der konnte zeitweise glauben, die MLPD habe ihr Ziel des ,revolutionären Sturzes der Diktatur des Monopolkapitals‘ so gut wie erreicht. Denn: so viel Marx, Engels und Kommunismus, so viel Kapitalismus-Kritik war nie im Rat der Stadt.“ („WAZ“, Gelsenkirchen, 21. 6. 2008).

Zugleich bringt der Linkstrend eine Flut an linksreformistischen Illusionen und Argumenten der kleinbürgerlich-parlamentarischen Denkweise mit sich, die sich mit Talkshows und Presseberichten über die Massen ergießt. Er wird von den Herrschenden flankiert mit einem aggressiver werdenden Antikommunismus. Und sogar die Werbung hat den Linkstrend entdeckt, verwendet inflationär den – offenbar im Trend liegenden – Begriff „Revolution“. Ein Autokonzern wirbt aktuell sogar im Radio mit der „Internationale“. Das alles zeigt, dass der Linkstrend viele Facetten hat, die erst einmal verarbeitet werden müssen.

Zwar schwindet die Bindungskraft der sozialdemokratischen Politik an das kapitalistische System rasant. Laut verschiedener Umfragen würde die SPD derzeit noch auf etwa 20 Prozent der Wählerstimmen kommen. In Nordrhein-Westfalen hat sie seit Januar letzten Jahres 8.500 Mitglieder verloren. Allerdings bedeutet die Infragestellung der Politik der SPD nicht, dass die enttäuschten SPD-Anhänger damit bereits mit der sozialdemokratischen Weltanschauung fertig wären. Im Gegenteil entfaltet sich der Kampf um die Frage, welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind. In den bürgerlichen Medien wird die Partei „Die Linke“ als neue links-sozialdemokratische Alternative hochgepuscht und der Linksreformismus bekommt ein Forum wie selten zuvor.

Ultralinkes Wunschdenken geht auch auf den Einfluss dieses Linksreformismus zurück. Dieser gibt sich besonders kämpferisch, ruft zu vielen Aktionen auf, während im Grunde reformistische Inhalte transportiert werden. Sicher gibt es Mitglieder und Anhänger der Linkspartei, die ehrlich für gesellschaftliche Veränderungen kämpfen wollen. Der Reformismus – auch in seiner linken Ausprägung – wird aber grundsätzlich zum Verrat an den Interessen der Arbeiter und der breiten Massen führen.

Interessant ist, wie der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Linkspartei, Wolfgang Zimmermann, den Linksreformismus vertritt: „Eine Veränderung der Kräfteverhältnisse entscheidet sich vor allem in den Betrieben und auf der Straße. Darum müssen wir den außerparlamentarischen Widerstand gegen die neoliberale Politik fördern. Dafür fordern wir die SPD und die Grünen auf, mit uns und den Betroffenen gemeinsam für solidarische Alternativen zu mobilisieren.“ (Landesinfo „Die Linke“ NRW, 2/2008) Der „außerparlamentarische Widerstand“ soll ausgerechnet mit SPD und Grünen stattfinden, die als Monopolparteien die Agenda 2010 beschlossen haben und umsetzen?! Wer Kritik am Kapitalismus hat, kann sich nicht zufrieden geben mit ein paar Brosamen vom Tisch der Herrschenden, sondern muss sich entscheiden für den revolutionären Kampf für eine sozialistische Perspektive, in der kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung abgeschafft sind und die Befriedigung der Bedürfnisse der Massen ins Zentrum der gesellschaftlichen Produktion weltweit rückt.

Die Durchdringung unserer gesamten Arbeit mit der Lehre von der Denkweise ist entscheidend, diesen wichtigen Entscheidungsprozess unter den Massen voranzubringen. Auf dieser Grundlage hat die MLPD in den letzten Jahren ihren gesamtgesellschaftlichen Einfluss deutlich erweitert. Der Trumpf unserer Arbeit ist die systematische Kleinarbeit als Kampf um die Denkweise im Massenumfang!

• Ohne die systematische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit der MLPD hätte der Gedanke des konzernweiten Kampfes in vielen Konzernbetrieben nicht die schnelle Verbreitung bekommen.

• Wäre der Linkstrend, wie er heute in Deutschland existiert, denkbar ohne die Montagsdemos, bei denen in vier Jahren mit zehntausenden Menschen intensive persönliche Gespräche geführt wurden, ohne hunderte Gespräche jeden Tag in den Betrieben, in Wohngebieten, unter der Jugend?

• Wäre die wachsende Offenheit für den Sozialismus und zunehmend kritische Einstellung gegenüber dem Antikommunismus möglich, ohne dass die MLPD in jahrzehntelanger Kleinarbeit als einzige Partei das gesellschaftliche Ziel des Sozialismus vertrat und vertritt, dem Antikommunismus offensiv entgegen tritt und den Massen hilft, mit seiner Wirkung fertig zu werden?

Das ultralinke Wunschdenken geht dagegen davon aus, die Entwicklung mit besonderen Kraftanstrengungen willkürlich beschleunigen zu können und nährt immer die Erwartung, dass bei Angriffen die Arbeiter „doch endlich mal kämpfen müssten“. Diese vulgär-materialistische Hoffnung stimmt mit der Realität des Klassenkampfs nicht überein. So kommt es bei aller Wut und Empörung unter den Kumpels im Bergbau über die Zechenschließungen eben nicht „automatisch“ zu Streiks. Sie müssen fertig werden mit der Propaganda vom „Ende des Bergbaus“ sowie der Stimmung, dass „nichts mehr zu machen“ sei und sie müssen sich der Stärke bewusst werden, wenn die weltweit sechs Millionen Bergarbeiter im Steinkohlebergbau voneinander lernen und vereint handeln. Ein „Gegenstück“ zu dem ultralinken Wunschdenken kann dann auch Enttäuschung und Resignation sein, wenn die Entwicklung des Klassenkampfes nicht „wie gewünscht“ eintritt.

Die wichtigste Schlussfolgerung ist, die bewusste Anwendung der dialektischen Methode auf dem Niveau der Lehre von der Denkweise konsequent zur Grundlage unserer Arbeit zu machen und die Befähigung des ganzen Landesverbandes darin nach vorn zu bringen. Nur so können wir neue Entwicklungen und wesentliche Veränderungen richtig einschätzen und Schlussfolgerungen ziehen. Wir denken, diese Diskussion ist im Vorfeld des VIII. Parteitags wichtig für die ganze Partei!

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