Grundeinkommen (bedingungsloses)

Das bedingungslose Grundeinkommen für alle sei die moderne Antwort auf die Tatsache, dass die Massenarbeitslosigkeit nicht mehr zu beseitigen sei. So begründen es jedenfalls seine Wortführer. Schauen wir uns die Vorschläge genauer an:

1. Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine Mogelpackung. Die Gallionsfigur seiner Verfechter, der Besitzer von über 1.700 dm-Drogeriegeschäften und Milliardär Götz Werner, vertritt, man solle erst einmal mit 800 Euro bedingungslos anfangen. Mancher ALG-II-Bezieher rechnet nach und glaubt, mit 800 Euro minus etwa 400 Euro Warmmiete = 400 Euro zumindest  besser da zu stehen als mit seinem heutigen Regelsatz von 347 Euro. Er irrt. Denn Götz Werner will das bedingungslose Grundeinkommen über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf rund 50 Prozent finanzieren, bei gleichzeitiger Abschaffung aller anderen Steuern, sprich vor allem der Unternehmersteuern. Die „gewonnenen“ 400 Euro wären also nur noch 280 Euro wert – noch weniger als der heutige Hartz-IV-Armutssatz!

2. Das bedingungslose Grundeinkommen wäre ein gefundenes Fressen vor allem für Unternehmer. Götz Werner, einer der 500 reichsten Deutschen, fordert, dass die Löhne um die jeweilige Höhe des bedingungslosen Grundeinkommens gekürzt werden.  Insofern ist das bedingungslose Grundeinkommen nichts anderes als eine Form des Kombilohns. Damit entspricht es voll der Forderung der Unternehmer nach einer allgemeinen Absenkung der Löhne. Sozusagen Hartz IV mit Turbolader!

3. Alles soll bleiben, wie es ist. Götz Werner erläutert den entscheidenden Vorteil des bedingungslosen Grundeinkommens für das Monopolkapital: „Aber der soziale Crash, auf den wir unweigerlich zusteuern, würde nicht stattfinden …Vergleichen Sie das mal mit dem Aufstand in der Pariser Banlieue letztes Jahr! Wenn wir uns nicht schleunigst ändern, dann sieht es bei uns bald genauso aus.“1) Um „französische Zustände“ zu verhindern, um dem zuvorzukommen, dass die Kämpfe der Arbeiter und der Volksbewegungen sich radikalisieren und in eine revolutionäre Richtung gehen, sollen die Leute an die kapitalistischen Verhältnisse gebunden werden. Das ist nichts weiter als eine Variante des Reformismus, wie sie seit Bestehen des Kapitalismus immer wieder zu dessen Rettung aufgeboten werden.

4. Bedingungsloses Grundeinkommen contra Arbeitszeitverkürzung. Verschiedene  Wortführer des bedingungslosen Grundeinkommens pflegen die Forderungen und den Kampf der Arbeiter- und der Erwerbslosenbewegung gegen die Massenarbeitslosigkeit als überholt hinzustellen. Das richtet sich vor allem gegen die Forderung nach Verteilung der Arbeit auf mehr Schultern durch eine Durchsetzung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.

Das Bedürfnis, zu arbeiten, setzen andere Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens gleich mit dem Bedürfnis, ausgebeutet zu werden. So spöttelt der wissenschaftliche Assistent an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaft der Universität Dortmund, Sascha Liebermann, über Arbeitsuchende: Das Streben, „in den Arbeitsmarkt zurückzukehren“, könne „nur derjenige für notwendig halten, der der Auffassung ist, es könne kein erfülltes Leben ohne Erwerbsarbeit geben.“ 2)

Was solche „Kenner der Arbeitswelt“ hartnäckig ignorieren: Unter der Bedingung des Kapitalismus wären es gerade die angeblich so  einfallslosen, angepassten Arbeiter, die das bedingungslose Grundeinkommen auf der Basis der Ausbeutung erwirtschaften müssten.

Die Massenarbeitslosigkeit ist Ergebnis des Gesetzes der Profitmaximierung im Kapitalismus - und kann auch nur auf Kosten der Profite bekämpft werden. Wer dagegen grundlegend antreten will, muss die Ursachen ins Visier nehmen und gegen den Kapitalismus kämpfen. Denn dieses Gesetz wird erst fallen, wenn in einer sozialistischen Gesellschaft die Produktion nach dem Willen und den Bedürfnissen der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten organisiert und so das Problem der Arbeitslosigkeit aus der Welt geschafft wird. Eine solche Lösung liegt nicht in der Absicht der Wortführer des bedingungslosen Grundeinkommens. Sie beschränken sich auf Vorschläge, wie ihrer Meinung nach die Massenarbeitslosigkeit „zeitgemäß“ zu verwalten wäre.

Hier wird Spaltung zwischen Arbeitende und Erwerbslose gesät! Davon profitiert nur einer: das Monopolkapital. Der enge Schulterschluss zwischen Arbeitenden und Erwerbslosen muss diese Rechnung durchkreuzen. Ihre Einheit wird gerade durch die Montagsdemonstrationen in hervorragender Weise verkörpert. Hier ist tatsächlich etwas „Neues“, etwas „Zeitgemäßes“ im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit entstanden!

1) Interview in „die Drei“. Zeitschrift für Anthroposophie, April 2007

2) Vortrag auf dem „Perspektivkongress“ in Berlin, Mai 2004


(Diese Korrespondenz aus Duisburg erschien in der Rote Fahne 27/2007)

 

Brief von Stefan Engel an Hans-Dieter Wege zum Thema "linkes bedingungsloses Grundeinkommen" vom März 2010

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