Bürgerliche politische Ökonomie vor dem Scherbenhaufen Einige Ergänzungen zur marxistisch-leninistischen Krisentheorie

Beilage des Zentralkomitees der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) zur „Roten Fahne“ 21/2009 von Stefan Engel, Leiter des theoretischen Organs REVOLUTIONÄRER WEG
 

Bürgerliche politische Ökonomie vor dem Scherbenhaufen - Einige Ergänzungen zur marxistisch-leninistischen KrisentheorieDie tiefste Weltwirtschafts- und Finanzkrise
in der Geschichte des Kapitalismus

 

Am 15. September 2008 brach mit Lehman Brothers nach Bear Stearns die zweite der fünf weltweit größten Investmentbanken zusammen. Nur um den Preis des Verlustes ihrer Rolle als Investmentbank und mit massivem staatlichen Eingreifen der Bush-Administration in den USA konnten noch in derselben Woche die drei anderen führenden US-Investmentbanken Merrill Lynch, Morgan Stanley und Goldman Sachs vor der Insolvenz gerettet werden. Mit diesem Paukenschlag wurden die billionenschweren, weltweit organisierten lukrativen Finanzströme unterbrochen. Eine internationale Bankenkrise schnürte die Finanzmärkte ein und das internationale Finanzwesen drohte zu kollabieren. Panische Verkäufe von Devisen und Aktien, um an flüssiges Geld zu kommen, brachten die Devisenmärkte ins Trudeln und lösten eine internationale Börsenkrise aus.

 

Diese in der Geschichte des Kapitalismus an Umfang und Tiefe einmalige Weltfinanzkrise wurde im Oktober 2008 zum unmittelbaren Auslöser einer neuen Weltwirtschaftskrise, deren Dimension ebenfalls ihresgleichen sucht. Sie erfasste relativ gleichzeitig und mit enormer Wucht die wichtigsten Industrieländer. Sie traf ins Herz des internationalen Finanzkapitals und erfasste die meisten der 500 größten internationalen Übermonopole. Diese Übermonopole hatten sich im Zuge der Neuorganisation der internationalen Produktion seit Anfang der 1990er Jahre den Weltmarkt vollständig unterworfen und untereinander aufgeteilt. Die Spitzenmanager, insbesondere der internationalen Monopolbanken, gerieten ins Zentrum des Volkszorns. Gleich in Serie wurden Managerstühle gerückt, allenfalls vergleichbar dem Reigen der Trainerwechsel in der deutschen Fußball-Bundesliga. Durch den abrupten Verschluss der internationalen Exportmärkte gab es für die nationalen Wirtschaften keine Möglichkeiten mehr, mit ihrem überschüssigen Kapital auf andere Märkte auszuweichen, wie es noch in der Weltwirtschaftskrise 2001 bis 2003 der Fall gewesen war. Der Welthandel sackte allein im 4. Quartal 2008 gegenüber dem Höchststand im 2. und 3. Quartal 2008 um 20 Prozent zusammen.

 

Die Weltindustrieproduktion brach im 4. Quartal 2008 um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein – in den Industrieländern sogar um 23 Prozent. Damit ist sie bereits in den ersten drei Monaten der Krise deutlich tiefer eingebrochen als während der Weltwirtschaftskrise 1929 erst nach einem Jahr! Die Weltstahlproduktion sank im Dezember 2008 um 30 Prozent gegenüber dem Höchststand vom Mai 2008. Der weltweite Absatz von Automobilen ging in den 30 OECD*-Ländern im Dezember 2008 um 25 Prozent gegenüber dem Höchststand vom April 2008 zurück.

 

Mit dem Einbruch von Produktion und Welthandel wurde auch der seit den 1990er Jahren gewaltig aufgeblähte Logistikbereich von der Krise voll erfasst. Der Lkw-Verkauf in Europa ist um 38 Prozent gesunken, der Auftragseingang bei Lkws fast auf Null zusammengeschmolzen! 50 Prozent der Container standen weltweit ungenutzt auf Halde. Um 50 Prozent ist die Handelsschifffahrt zurückgefallen. Nach Schätzungen der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) hat die Weltwirtschafts- und Finanzkrise allein bis Ende 2008 zu einer geschätzten Kapitalvernichtung von 50 Billionen US-Dollar geführt! Dieser Wert liegt tausendmal höher als die gesamte Kapitalvernichtung in den USA bei den Kursstürzen von Oktober bis Ende 1929, die mit etwa 50 Milliarden US-Dollar beziffert wurde.

 

In Deutschland hat sich der Absturz der Industrieproduktion seit Beginn der Krise aufgrund der 45-prozentigen Exportabhängigkeit der Industrie fortlaufend vertieft.

 

Im März 2009 sank der Umsatz des verarbeitenden Gewerbes im Vergleich zum Vorjahr um 22,0 Prozent, in der Autoindustrie um 32,3 Prozent, in der Metallerzeugung und -bearbeitung um 31,5 Prozent, im Maschinenbau um 22,4 und in der Chemieindustrie um 25,6 Prozent. Im Februar/März 2009 sanken die industriellen Auftragseingänge um 32,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die deutsche Stahlproduktion ist im April 2009 um 53,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf das Niveau von Ende der 1950er Jahre abgestürzt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im 1. Quartal 2009 um 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist der tiefste Einbruch seit dem II. Weltkrieg.

 

Trotz umfangreicher Krisenprogramme zur Dämpfung der Auswirkungen häufen sich Insolvenzen insbesondere bei kleineren Automobilzulieferern. Aber auch eine wachsende Zahl namhafter Unternehmen in Deutschland wie Hertie, SinnLeffers, Woolworth, TMD Friction, Rosenthal, Qimonda, Edscha, Märklin, Wolf-Gartengeräte, Karmann usw. hat seine Zahlungsunfähigkeit erklärt. Ohne die staatlichen Zuwendungen würden auf dieser Liste auch eine Reihe der größten Banken wie Commerzbank, IKB, KfW oder Hypo Real Estate stehen.

 

Nach einer Weltbankstudie wird das Wirtschaftswachstum in 94 von 116 Entwicklungsländern rapide zurückfallen, vor allem infolge des dramatischen Rückgangs der Rohstoffnachfrage und des Einbruchs der Rohstoffpreise. Migranten aus den neokolonial abhängigen Ländern sind darüber hinaus die ersten, die insbesondere in den Hauptimmigrationsländern Japan, USA und in Europa ihre Arbeit verlieren. Ihre ausbleibenden Überweisungen reißen Milliardenlöcher in die Haushalte ihrer Heimatländer.

 

Eine neue Dimension der internationalen Verschuldungskrise kündigt sich an, mit unvorhersehbaren Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Hunderten Millionen von Menschen.

 

Die Krise des Neokolonialismus, die im Verlauf der vorausgegangenen zeitweiligen Prosperität gedämpft wurde und einen latenten Charakter annehmen konnte, wird wieder offen aufbrechen. Sie wird sich sogar dramatisch vertiefen, weil die imperialistischen Länder die Lasten der Weltwirtschafts- und Finanzkrise rücksichtslos auf den Rücken der von ihnen abhängigen und unterdrückten Länder abwälzen werden.

 

Massenarbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung steigen weltweit seit Beginn der Weltwirtschaftskrise sprunghaft an. In den USA haben 4,3 Millionen Menschen von Oktober 2008 bis April 2009 ihre Arbeit verloren. In China wurden 20 Millionen Wanderarbeiter bis Anfang 2009 in die Arbeitslosigkeit und damit auch ihre Familien ins absolute Elend gestoßen. Selbst die EU-Kommission geht davon aus, dass sich die Arbeitslosigkeit in den baltischen Ländern bis Ende 2010 gegenüber Ende 2008 verdoppeln bis verdreifachen und in Polen und Tschechien um rund 70 Prozent ansteigen wird.

 

Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise zieht eine deflationäre Entwicklung nach sich, die zu vielfältigen Formen der Lohnsenkung und des Abbaus sozialer Errungenschaften ausgenutzt wird. Elend und Hunger unter der Arbeiterklasse breiten sich mehr und mehr auch in den imperialistischen Metropolen aus. Nach dem Ende der Weltwirtschafts- und Finanzkrise droht in vielen Ländern eine galoppierende Inflation, um die gigantischen Krisenprogramme der Nationalstaaten zu finanzieren.

 

Inzwischen ist es zu einer offenen internationalen Agrarkrise gekommen. Sie drückt die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise in den Keller und wird weltweit zig Millionen bäuerliche Existenzen in den Ruin treiben.

 

Vordergründig entschärft die Wirtschaftskrise die globale Umweltkatastrophe, weil mit dem Sinken der Produktion auch der CO2-Ausstoß reduziert wird. Doch dieses Absenken ist viel niedriger als gemeinhin angenommen. Erheblich verschärfend wirkt demgegenüber, dass die internationalen Übermonopole in Zeiten der Krise verstärkt ihre fossile Energie- und Rohstoffbasis zementieren und die Atomkraftwerke erhalten und ausbauen wollen. Die ohnehin nur halbherzig betriebene Forschung in Zukunftstechnologien wird weiter zurückgefahren und die völlig ungenügenden umweltpolitischen Programme und Vorschriften der Regierungen als „zu teuer“ gestoppt. So wird der Übergang in die globale Umweltkatastrophe sogar noch beschleunigt.

 

Die Krise der bürgerlichen Familienordnung verschärft sich bis hin zur Familienlosigkeit des Proletariats. Entsprechend der fundamentalen Analyse des doppelten Produktionsbegriffs von Marx und Engels signalisiert diese Entwicklung, dass kapitalistische Überproduktionskrisen niemals nur Krisen der Produktion und Reproduktion von Gütern und Waren sind. Sie untergraben auch empfindlich den Prozess der Produktion und Reproduktion des menschlichen Lebens. Diese fundamentalen Störungen äußern sich im Einbrechen der Geburtenrate; in der Zerstörung der Fähigkeit der Familien, kleinste Solidargemeinschaft für die Arbeiterklasse zu sein; im rapiden Anstieg von für die Kapitalisten „überschüssigem Menschenmaterial“; in der psychischen und körperlichen Zerrüttung immer größerer Teile der Bevölkerung durch Massenarmut, Unter- und Fehlernährung, psychische Krankheiten, soziale Verwahrlosung durch vorenthaltene Bildung und Gesundheitsfürsorge; in sinkender Lebenserwartung durch Überarbeitung, aber auch durch Seuchen und Epidemien und nicht zuletzt im Vordringen zerstörerischer Ideologien und Praktiken wie des Sexismus oder patriarchaler Denk- und Verhaltensweisen.

 

Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise hat den Kapitalismus in eine tiefe gesellschaftliche Krise gestürzt, die weitreichende Auswirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung haben wird.

 

 

 

Das Scheitern der bürgerlichen politischen Ökonomie

 

Seit langem kam die allgemeine Krisenhaftigkeit der bürgerlichen Gesellschaft nicht mehr so offensichtlich zum Vorschein wie in dieser Situation. Die Herrschenden wurden in ihrem geradezu sektenhaften Glauben an ihre eigenen wirtschaftlichen Fehleinschätzungen völlig unvorbereitet getroffen. Ihre bürgerliche Ideologie steht vor einem Scherbenhaufen. Die Wirtschaftsprognosen lagen gleich in Serie so daneben, dass schließlich im April 2009 der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Zimmermann, die weiße Flagge hisste und weitere Vorhersagen verweigerte: „Wenn man nichts weiß, sollte man auch nichts vorlegen.“1 Nicht ohne Grund sieht sich der neue Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hans-Peter Keitel, bemüßigt, davor zu warnen, „die soziale Marktwirtschaft insgesamt infrage zu stellen“. Beschwörend wandte er sich gegen „einseitige Schuldzuweisungen: die Banker, die Manager, die Politiker, die Globalisierung … Dafür ist die Lage viel zu ernst, denn wir sind längst inmitten einer neuen Systemdebatte.“2

 

Die Angst der herrschenden Monopole und ihrer Regierung vor „Systemdebatten“ ist nur allzu berechtigt, weil natürlich jeder politisch denkende Mensch irgendwann die Frage nach den eigentlichen Ursachen des gegenwärtigen Desasters aufwirft. Über die Existenz oder gar über die Ursachen der gesetzmäßig auftretenden Wirtschaftskrisen werden wir allerdings in der bürgerlichen politischen Ökonomie wenig finden. Ihr Dogma von den „Selbstheilungskräften des Marktes“ und der „sozialen Marktwirtschaft“ stilisierte den Kapitalismus jahrzehntelang zum Garanten für dauerhaften Wohlstand hoch.

 

Berauscht von den außerordentlichen Zuwachsraten des weltwirtschaftlichen Aufschwungs urteilte der ehemalige US-Notenbankchef Greenspan 2005, dass „die Wirtschaft auf Schocks in weniger starkem Ausmaß als in früheren Jahrzehnten reagiere“.3 Angesichts ihres zweifelhaften „Erfolgs“ bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit von Schwindel befallen, prognostizierte die Merkel/Steinmeier-Regierung Anfang 2007 von CDU/CSU und SPD noch einen „langanhaltenden Aufschwung bis zum Jahre 2020“. Selbst als die Weltfinanzkrise bereits ausgebrochen war, vermutete Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) darin zunächst ein „amerikanisches Problem“.4 Der damalige Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) phantasierte noch Ende November 2008, als sich die Weltwirtschaft bereits im Sturzflug befand, der Arbeitsmarkt reagiere „robust auf die schlechteren Wirtschaftsdaten“ und eine Steuer- und Abgabensenkung würde die „Wachstumskräfte weiter stärken“.5

 

Als die Weltwirtschafts- und Finanzkrise von niemandem mehr geleugnet werden konnte, folgte der Selbstgefälligkeit der Selbstbetrug. Hilflos versuchte sich Kanzlerin Angela Merkel in tautologischen** Weisheiten: „Die Selbstheilungskräfte des Marktes können erst wieder voll wirken, wenn die Marktkräfte auch wirklich funktionieren.“6 Kann sich der Markt nun selbst heilen oder funktionieren die Selbstheilungskräfte nur, wenn er gar keiner Heilung bedarf? Von entsprechend hochkarätiger Logik der Kanzlerin sind auch ihre Schlussfolgerungen beseelt:

 

„Wenn zum Beispiel ein gesundes Unternehmen mit Weltmarktführung für seine Investitionen heute keine Kredite bekommt oder nur Kredite zu Konditionen, die ein rentables Wirtschaften nicht mehr möglich machen, weil die Banken sich untereinander noch nicht richtig vertrauen, dann muss der Markt – das ist unsere politische Aufgabe – wieder funktionstüchtig gemacht werden.“6

 

Jetzt ist es heraus: Die Selbstheilungskräfte des Marktes funktionieren nicht, weil das Finanzkapital nicht mehr in die eigene kapitalistische Wirtschaftsordnung „vertraut“ und die Banken deshalb niemandem mehr einen Kredit vergeben! Also muss der Staat eingreifen. Zum Teufel also mit den „Selbstheilungskräften des Marktes“!

 

Der Anschauungsunterricht dieser beispiellosen kapitalistischen Weltwirtschafts- und Finanzkrise ist – bei allen zerstörerischen Auswirkungen auf die Massen – von unschätzbarem Wert, weil er den Massen vor Augen führt, wie hohl die bürgerliche politische Ökonomie argumentiert. Die Menschen werden nicht vergessen: Es ist gerade nicht der „Markt“, es ist gerade nicht die Befriedigung ihrer ureigenen Bedürfnisse, die die kapitalistische Produktionsmaschinerie vorantreibt, sondern die grenzenlose Gier des internationalen Finanzkapitals nach Maximalprofiten.

 

Nach Karl Marx muss im Kapitalismus „beständig ein Zwiespalt eintreten zwischen den beschränkten Dimensionen der Konsumtion auf kapitalistischer Basis, und einer Produktion, die beständig über diese ihre immanente Schranke hinausstrebt … Wie könnte es sonst an Nachfrage für dieselben Waren fehlen, deren die Masse des Volks ermangelt?“ (Marx/Engels, Werke, Bd.25, S.267)

 

 

 

Mit gezielter Manipulation über Ausmaß und Ursachen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise sollen die Massen davon abgehalten werden, aus ihren unbestreitbaren Erfahrungen gesellschaftskritische Schlussfolgerungen zu ziehen und für die gesellschaftliche Alternative des echten Sozialismus zu kämpfen. Zu ihrer Beruhigung reduzierten die bürgerlichen Ökonomen die Krise lange Zeit auf die „Finanzkrise“ oder eine „Rezession“. Sie erweckten zudem den Eindruck, diese wäre im Sommer oder allerspätestens im Herbst 2009 bereits ausgestanden. Der verschleiernde Begriff „Rezession“ kennzeichnet lediglich, dass das Bruttoinlandsprodukt in mindestens zwei aufeinander folgenden Quartalen sinkt, und ist in der Verharmlosung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung kaum zu überbieten. Um ihren beschwichtigenden Thesen Nachdruck zu verleihen, begleiteten sie die allgemeine Volksberuhigung mit krisendämpfenden Maßnahmen, die weltweit ihresgleichen suchen. Das sollte dem Normalbürger den Eindruck vermitteln, dass man mit dieser Krise ganz gut leben könne.

 

Wir werden erleben, wie die Herrschenden ab einem bestimmten Zeitpunkt dazu übergehen werden, den Krisenteufel in übertriebenem Maße an die Wand zu malen, um den Massen die immensen Kosten für das staatliche Krisenmanagement, den Abbau von Lohn, Einkommen und sozialen Errungenschaften erpresserisch abzutrotzen. Bürgerliche politische Ökonomie ist ihrem Wesen nach immer Zweckpropaganda zur Durchsetzung der kapitalistischen Klasseninteressen gegen die Arbeiterklasse.

 

Nicht zufällig schießen in dieser Zeit der Verunsicherung, des Nachdenkens und Verarbeitens innerhalb der Arbeiterklasse die Blütenträume kleinbürgerlicher Ideologen von einem „krisenfreien“ Kapitalismus ins Kraut. Die Führung der Partei „Die Linke“ brandmarkt den „Casino-Kapitalismus“7, dem man schleunigst seine Spielsucht austreiben müsse. Allen Ernstes fordert einer ihrer führenden Wirtschaftspolitiker, der Bundestagsabgeordnete Axel Troost, „sich das Geld bei den Spekulanten und Aktionären zurückzuholen, die unseren Wohlstands- und Sozialstaat … schamlos ruiniert haben“.7 Das will er aber nicht etwa durch die Enteignung der Produktionsmittel erreichen, sondern indem man „unseren Wohlfahrts- und Sozialstaat“, also die „soziale Marktwirtschaft“ endlich wieder zur Geltung bringen möge. In den 1950er Jahren wehrten sich Sozialdemokraten, Gewerkschaften und Kommunisten noch entschieden gegen die Einführung des irreführenden Begriffs der „sozialen Marktwirtschaft“ durch die Adenauer-Regierung. Aus gutem Grund, verharmlost und verleugnet er doch die kapitalistische Klassenwirklichkeit! Heute wird eben diese Fata Morgana von einer „sozialen Marktwirtschaft“ zur strategischen Zielsetzung der Linkspartei.

 

 

 

Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Ökonomen nehmen zähneknirschend, manchmal auch widerwillig-anerkennend zur Kenntnis, dass die Politische Ökonomie von Karl Marx wieder Hochkonjunktur erlebt. In Anpassung an den allgemeinen Linkstrend unter den Massen erklären sie zuweilen die Analyse des Kapitalismus von Marx für durchaus zutreffend, um sodann flugs seine revolutionären Schlussfolgerungen als utopisch abzutun und weit von sich zu weisen. Der Sozialphilosoph Detlef Horster stellt beispielsweise die absurde Behauptung auf: „Ökonomie und Revolutionstheorie bilden bei Marx keine Einheit, sondern sind zwei verschiedene Gebiete.“8

 

Diese eklektische Methode, sich aus den Lehren von Marx nur das für die bürgerliche Ökonomie gerade noch Annehmbare herauszupicken, ist lediglich der verschämte Ausdruck der weltanschaulichen Defensive, in die die bürgerliche politische Ökonomie gegenüber dem Marxismus geraten ist.

 

Zugleich wird in solchen Modeerscheinungen auch deutlich, wie wenig die bürgerlichen Ideologen vom Marxismus begreifen. Der Marxismus ist ein in sich geschlossenes, dialektisch ineinandergreifendes System von Ansichten und Methoden, das sich nicht beliebig auseinanderpflücken lässt, um dann die Einzelbestandteile willkürlich gegeneinander ausspielen zu können.

 

Karl Marx und Friedrich Engels haben als erste die unlösbaren Widersprüche wissenschaftlich aufgedeckt, die dem Kapitalismus vom Anfang bis Ende innewohnen und daraus die Notwendigkeit seiner revolutionären Ablösung durch die sozialistische Produktionsweise abgeleitet. Der Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktion basiert auf der gesellschaftlichen Produktion, die jedoch privat angeeignet wird. Dieser Widerspruch zwischen den gesellschaftlichen Produktivkräften und den kapitalistischen Produktionsverhältnissen macht sich gesetzmäßig in periodisch auftretenden Krisen Luft, deren vorübergehende Überwindung durch die Bourgeoisie nur darin bestehen kann, neue, tiefere und umfangreichere Krisen vorzubereiten. Objektiv kann die Abschaffung der kapitalistischen Krisen nur durch eine sozialistische Revolution erreicht werden. Nach Marx geraten

 

„auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung … die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen … Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein.“(Marx/Engels, Werke, Bd.13, S.9)

 

 

 

Weil unsere linken Kleinbürger nicht vermögen, sich dem Bann der kapitalistischen Profitmacherei zu entziehen, tun sie so, als wäre die gegenwärtige international organisierte Profitmacherei und Spekulation nur ein negativer, willkürlich oder auch besonders böswillig herbeigeführter Auswuchs, den man beliebig beschneiden, dem man also mit Reformen beikommen könne.

 

Tatsächlich hat der Kapitalismus mit der Neuorganisation der internationalen Produktion eine Entwicklungsstufe erreicht, auf der die gesetzmäßigen, systemimmanenten Exzesse der kapitalistischen Ausbeutung eine solche Dimension angenommen haben, dass sie selbst dem erfolgsorientierten, zugleich humanistisch verklärten Kleinbürger Angst und Schrecken bereiten. Karl Marx und Friedrich Engels zogen aus der historisch überholten kapitalistischen Produktionsweise den Schluss, eine neue, sozialistische Produktionsweise durchzusetzen. Die kleinbürgerlichen Kapitalismus-Kritiker hingegen kommen über ein Lamento über die „soziale Ungerechtigkeit“ auf dieser Welt nicht hinaus. Sie beklagen den „entfesselten Kapitalismus“. Gleichzeitig beschwören sie seine Zähmung, lassen gesellschaftlich alles Wesentliche beim Alten und diffamieren umso vehementer die Marxisten-Leninisten in ihrer konsequenten Systemkritik und ihrer revolutionären Strategie. So bringt die Krise nicht nur das ökonomische, politische und ideologische Desaster der herrschenden Bourgeoisie zum Vorschein, sondern auch die Perspektivlosigkeit, Wankelmütigkeit und theoretische Inkompetenz der kleinbürgerlichen Linken. Sie sind nicht fähig, sich von ihrer staatstragenden Rolle frei zu machen, auch wenn sie sich in diesen ungemütlichen Zeiten durchaus unwohl darin fühlen.

 

 

 

Der Streit um die allgemeinen und konkreten Ursachen
der Weltwirtschaftskrise 2008

 

Wer nicht bereit oder in der Lage ist, den Kapitalismus als gesellschaftliches System infrage zu stellen – sei es aus antikommunistischer Ignoranz, sei es aus Opportunismus oder einfach, weil er in irgendeiner Form von seiner Existenz profitiert, wird den Ursachen dieser Krise nicht auf die Spur kommen.

 

Bundeskanzlerin Merkel gab sich in ihrer Neujahrsbotschaft entrüstet, dass „finanzielle Exzesse ohne soziales Verantwortungsbewusstsein, das Verlieren von Maß und Mitte mancher Banker und Manager … die Welt in diese Krise geführt“ haben.9 Hat ihre Regierung nicht mit ihrer Politik der Umverteilung zugunsten der Monopole und zulasten der ganzen Gesellschaft zur hemmungslosen Entfaltung der Profit- und Machtgier der Banker und Manager maßgeblich beigetragen? Haben sich die Regierungen Schröder und Merkel auch nur einen Deut besser verhalten als die jetzt von ihnen gescholtenen Banker und Manager? Wo waren denn „Maß und Mitte“, als die bürgerlichen Parteien die Hartz-Gesetze auf den Weg brachten, Leiharbeit und Niedrigstlöhne forcierten und damit Millionen Arbeitslose in Armut und Verelendung schickten? Wo war ihr „soziales Verantwortungsbewusstsein“, als ihre Regierung die „Gesundheitsreform“ beschloss, die Millionen von Menschen mit niedrigem Einkommen von einer optimalen Gesundheitsversorgung ausschließt, während sie den Monopolen der Pharmaindustrie, der medizinischen Geräteindustrie und den kapitalistischen Betreibern von Krankenhäusern Milliarden-Profite garantiert? War es nicht die Schröder/Fischer-Regierung, die mit der „Riesterrente“ die abhängig Beschäftigten per Gesetz gezwungen hat, einen immer größeren Teil ihrer Alterssicherung privat über den Kapitalmarkt und auf spekulativer Basis zu finanzieren? Hat nicht sie den Kommunen hochriskante und hochspekulative Geschäfte wie das Cross-Boarder-Leasing in großem Umfang empfohlen?

 

Jetzt, wo jeder, der etwas auf sich hält, über die verantwortungslosen Spekulanten schimpft, da gehört es selbst in der bürgerlichen Medienwelt und umso mehr für die Riege der „Volksvertreter“ zum guten Ton, in das Horn der sozialen Entrüstung zu blasen. Woher allerdings diese beispiellose Weltwirtschafts- und Finanzkrise gekommen ist, wird dadurch nicht geklärt. Vielmehr lenkt diese Argumentation den Blick auf das – zweifellos nicht infrage zu stellende – subjektive Versagen von Bankern und Managern. Vom Wesentlichen, den Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise, wird so abgelenkt. Diese zwingen jedem Kapitalisten, ob Fabrikbesitzer oder Manager einer Aktiengesellschaft, ganz gleich, ob privat oder staatlich, das Gesetz des Handelns auf – bei Strafe seines Untergangs.

 

Da offensichtlich die gesamte Industrie- und Bankenwelt in die Krise verwickelt wurde, muss – nach der Logik der Kanzlerin – doch die ganze Schicht von Bankern und Managern gleichermaßen versagt haben. Da die meisten kapitalistischen Länder in die Weltwirtschafts- und Finanzkrise involviert sind, muss es doch zumindest der wesentliche Teil der bürgerlichen Regierungen verantworten, dass diese Banker und Manager derart rücksichtslos und profitgierig schalten und walten konnten. Was als oberflächliche Ursachenfindung der Kanzlerin gemeint war, gerät unversehens zur schallenden Ohrfeige für die Herrschenden und ihre Geschäftsführer in den Regierungen, in den Verwaltungen der Industrie und Bankmonopole.

 

Bundesfinanzminister Steinbrück von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) macht die „spekulative Zügellosigkeit“10 der Finanzmanager für das Desaster der Weltwirtschafts- und Finanzkrise verantwortlich. Tatsächlich führte das Platzen einer gigantischen Spekulationsblase zu einer Weltfinanzkrise, die wiederum konkreter Auslöser für die Weltwirtschaftskrise wurde. War die Spekulation deshalb Ursache der Weltwirtschafts- und Finanzkrise? Karl Marx wies bereits 1850 auf den grundlegenden Zusammenhang der Spekulation mit der Auslösung einer Wirtschaftskrise hin:

 

„Die Spekulation tritt regelmäßig ein in den Perioden, wo die Überproduktion schon in vollem Gange ist. Sie liefert der Überproduktion ihre momentanen Abzugskanäle, während sie eben dadurch das Hereinbrechen der Krise beschleunigt und ihre Wucht vermehrt. Die Krise selbst bricht zuerst aus auf dem Gebiet der Spekulation und bemächtigt sich erst später der Produktion. Nicht die Überproduktion, sondern die Überspekulation, die selbst nur ein Symptom der Überproduktion ist, erscheint daher der oberflächlichen Betrachtung als Ursache der Krise.“ (Marx/Engels, Werke, Bd.7, S.421)

 

Für Oskar Lafontaine, einer der beiden Vorsitzenden der Linkspartei und exponierter Vertreter der linkssozialdemokratischen Reformpolitik der vergangenen Jahrzehnte, hat dagegen der blinde Glaube der Bundesregierung an die „Alltagsreligion“ des „Neoliberalismus … zu der heutigen Krise geführt“.11 Sicherlich war der Neoliberalismus mit seiner Leitlinie „Privat vor Staat“ eine der kapitalistischen Leitlinien in der Neuorganisation der internationalen Produktion. Doch die Welle neoliberaler Methoden hat einen solchen Tsunami an Problemen erzeugt, dass inzwischen der Staat als Krisenmanager derart aktiv in die Wirtschafts- und Finanzwelt eingreift, dass allen neoliberalen Apologeten*** die Luft wegbleiben muss. Wo sind sie geblieben, die Prediger der hehren Maximen des Neoliberalismus! Da ist nur noch staatliche Feuerwehr, um das Schlimmste zu vermeiden! Ist denn mit der Explosion staatlicher Interventionen die auf die Erzielung von Maximalprofiten ausgerichtete Profitwirtschaft auch nur im geringsten außer Kraft gesetzt? Eine solche Annahme wäre zutiefst naiv oder böswillig, weil sie den Massen Sand in die Augen streut. Nach der staatlichen Übernahme von 25 Prozent an der Commerzbank beeilten sich die staatlich bestellten neuen Aufsichtsratsmitglieder, jeglicher unternehmerischer Einflussnahme eilfertig abzuschwören.

 

Für die Europaabgeordnete der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, ist der „schnellste Weg, die Wirtschaft auf Trab zu bringen … ohne Frage eine radikale Umverteilung der Einkommen und Vermögen von oben nach unten. Dann würde sich das Nachfrageproblem von selbst erledigen“.12 Offensichtlich wurde die Vorzeige-Marxistin der Linkspartei bei ihrem Politikstudium an bürgerlichen Universitäten allzu sehr von unmarxistischen Theorien beeinflusst, die Friedrich Engels in seiner Auseinandersetzung mit Eugen Dühring im Jahr 1878 bereits restlos zerpflückt hat:

 

„Die Unterkonsumtion der Massen ist eine notwendige Bedingung aller auf Ausbeutung beruhenden Gesellschaftsformen, also auch der kapitalistischen; aber erst die kapitalistische Form der Produktion bringt es zu Krisen. Die Unterkonsumtion der Massen ist also auch eine Vorbedingung der Krisen und spielt in ihnen eine längst anerkannte Rolle; aber sie sagt uns ebensowenig über die Ursachen des heutigen Daseins der Krisen, wie über die ihrer frühern Abwesenheit.“ (Marx/Engels, Werke, Bd.20, S.266)

 

Auch ökonomisch ist die Theorie von Frau Wagenknecht unsinnig, da der private Konsum nur einen geringen Teil der Höhen und Tiefen des wirtschaftlichen Wachstums der letzten Jahre ausmachte. Die wirtschaftliche Belebung beruhte vor allem auf einem Höhenflug des Exports an Investitionsgütern, während der private Konsum im Inland weitgehend stagnierte bzw. zurückging. Umgekehrt ging mit dem Einbruch der Weltwirtschaftskrise der private Konsum zunächst nur geringfügig zurück. Eingebrochen ist zunächst der weltweite Markt an Produktionsgütern und Rohstoffen.

 

Die Illusion von einem Kapitalismus ohne Ausbeutung und Krisen – das ist das idealistische Wesen der illusionären „Kaufkrafttheorie“ der reformistischen Linken. Das offen bürgerliche Gegenstück dazu ist die von Monopolmanagern wie dem Opel/GM-Europa-Chef Forster vertretene Auffassung, die Krise wäre zu vermeiden bzw. zu lösen, indem man „Überkapazitäten“ in der Wirtschaft abbaut oder vermeidet. Forsters Forderung nach Abbau von „Überkapazitäten“ ist die demagogische Fiktion eines Kapitalismus ohne Akkumulation und ohne Konkurrenz. Gerade aus dem Munde eines Konzernchefs ist es ein durchsichtiger pseudowissenschaftlicher Versuch, die bevorstehende massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen, Stilllegungen und Entlassungen zu rechtfertigen.

 

Alle bürgerlichen und kleinbürgerlichen Theorien über die Ursachen der jetzigen Weltwirtschaftskrise bedienen sich einer empiristischen bzw. eklektizistischen Methode. Sie greifen einzelne Seiten der marxistisch-leninistischen Krisentheorie heraus und wenden sie auf diese oder jene Erscheinung der Krise richtig an – um das Wesen und den allseitigen Gehalt der Politischen Ökonomie des Marxismus-Leninismus zu verfälschen oder weit von sich zu weisen.

 

Wenn die Kapitalisten „ohne Maß und soziale Verantwortung“ handeln, dann nicht einfach aus bösem Willen. Der Kapitalismus kann nur existieren, indem er ständig Kapital akkumuliert. Das bringt entsprechend bösartige und abstoßende Verhaltensweisen zwangsläufig, allerdings mehr als Randerscheinung, mit sich. Das Wachstum des Kapitals beruht wesentlich auf der wachsenden Ausbeutung der Lohnarbeit durch die Aneignung unbezahlter Mehrarbeit. Das Gesetz der Konkurrenz zwingt die Kapitalisten, die lebendige Arbeit produktiver zu machen und durch Maschinen zu ersetzen. Diese höhere organische Zusammensetzung des Kapitals führt zwar zu Einsparungen bei den Löhnen und gesteigerter Ausbeutung der Arbeiter, während die Summe der unbezahlten Mehrarbeit wächst. Sie bedeutet aber zugleich, dass mehr Kapital für Investitionen in Maschinen angelegt werden muss. Dadurch verschlechtert sich das Verhältnis von eingesetztem Kapital und erzieltem Profit. Um diesem tendenziellen Fall der Profitrate entgegenzuwirken, müssen die Kapitalisten die Profitmasse steigern, indem sie die Produktion als Ganzes ausdehnen und immer mehr Arbeiter in die Lohnarbeit einbeziehen bzw. ihre lebendige Arbeitszeit fortwährend ausdehnen. Gelingt das nicht, weil zum Beispiel von den stagnierenden Märkten die gesteigerte Warenflut nicht mehr aufgenommen werden kann, kommt es zu Überproduktionskrisen und anderen Erscheinungen der Überproduktion des Kapitals. Nach Marx erscheint der tendenzielle Fall der Profitrate, den er als das Krisengesetz des Kapitalismus bezeichnet, „als bedrohlich für die Entwicklung des kapitalistischen Produktionsprozesses; er befördert Überproduktion, Spekulation, Krisen, überflüssiges Kapital neben überflüssiger Bevölkerung.“ (Marx/Engels, Werke, Bd.25, S.252 – Hervorhebung S.E.)

 

 

 

Wer die kapitalistischen Krisen abschaffen will, darf nicht an ihren Symptomen herumdoktern, sondern muss den Kapitalismus abschaffen und den Sozialismus errichten! Das ist die Grundauffassung von Karl Marx, von der die Theoretiker der Linkspartei nicht mehr viel wissen wollen.

 

In dem Prozess der Neuorganisation der internationalen Produktion haben sich die 500 größten Übermonopole den kapitalistischen Weltmarkt und die kapitalistische Weltproduktion unterworfen. Das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus ist heute die Eroberung und Verteidigung einer beherrschenden Stellung auf dem Weltmarkt zwecks Sicherung des Maximalprofits. Eine Folge war die riesige Aufblähung des Eigenkapitals der 500 größten Übermonopole von 3,2 Billionen US-Dollar 1994 auf 11,1 Billionen 2007. In diesem Zeitraum steigerten sie selbst nach offiziellen Angaben ihre Gewinne von 282 Milliarden US-Dollar auf 1593 Milliarden US-Dollar, um fast das Sechsfache. Diese Entwicklung führte zu einer chronischen Überakkumulation des Kapitals, weil die Märkte mit dem Wachstum des Kapitals nicht mithielten. Das bedeutet die chronische Unmöglichkeit, das akkumulierte Kapital im Rahmen des spontanen Kreislaufs von Produktion und Reproduktion maximalprofitbringend zu verwerten. Der schreiende Gegensatz zwischen wachsender Produktivität und völliger Unfähigkeit beziehungsweise Desinteresse der Kapitalisten, sie zum Nutzen der Menschheit einzusetzen, kennzeichnet die außerordentliche Fäulnis und Zersetzung der imperialistischen Produktionsweise.

 

Solange sich der Kapitalismus leicht in die Breite entwickeln konnte, indem er immer mehr Länder in die kapitalistische Produktionsweise einbezog und auf diese Weise neue Märkte erschloss, konnte er die Lösung der ihm eigenen inneren Widersprüche immer wieder hinausschieben. Dieser historische Prozess neigt sich tendenziell seinem Ende zu, weil jede neue Ausdehnung des Marktes von der Produktion rasch überholt wird, und weil der inzwischen vollendete Weltmarkt sich nun ebenso sehr als eine Schranke erweist wie früher die beschränkten nationalen Märkte.

 

Diese neue Stufe der imperialistischen Entwicklung fassten wir in dem Buch „Götterdämmerung über der ‚neuen Weltordnung‘“ so zusammen: „Der Imperialismus stößt an eine relative historische Grenze, die er nicht überwinden kann.“ (S.576)

 

Die chronische Überakkumulation des Kapitals hatte eine Reihe bedeutender Folgen, die die gesamte künftige kapitalistische Produktionsweise prägen werden:

 

 

 

Erstens führte sie zu einer chronischen internationalen Strukturkrise auf der Basis der Neuorganisation der internationalen Produktion. Immer mehr Kapital muss permanent vernichtet werden, damit der Produktions- und Reproduktionsprozess überhaupt noch funktioniert. Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass während der ganzen Zeit der Neuorganisation der internationalen Produktion der Neoliberalismus, sprich das Heraushalten von Staatsaktivitäten aus der Wirtschaft, vorgeherrscht habe. Der ganze Prozess der Neuorganisation der internationalen Produktion wäre ohne das ständige staatliche Krisenmanagement unmöglich gewesen. Den kapitalistischen und imperialistischen Regierungen fiel die Rolle zu, als Dienstleister „ihrer“ ansässigen Übermonopole tätig zu werden, sei es um die Rahmenbedingungen der monopolistischen Investitionstätigkeit bzw. Konkurrenz zu finanzieren, die entsprechenden Gesetze und Vereinbarungen auf nationaler und internationaler Ebene auf den Weg zu bringen oder einfach um deren Expansion in andere Länder zu unterstützen und die Kosten dieser „Dienstleistungen“ auf die Massen ihrer jeweiligen Länder abzuwälzen.

 

Der wachsende staatliche Anteil am Reproduktionsprozess des monopolistischen Kapitals und die Vergesellschaftung der Lasten der permanenten Kapitalvernichtung bedeuten objektiv den Prozess der zunehmenden Vergesellschaftung der Akkumulation im internationalen Maßstab. Dies stellt eine bedeutende materielle Voraussetzung für die Verwirklichung der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt dar.

 

 

 

Zweitens: Die gigantische Aufblähung der Spekulation hat spätestens mit der Neuorganisation der internationalen Produktion eine dominierende Rolle in der Weltwirtschaft eingenommen. Sie ist zu einem notwendigen, das heißt allgemeingültigen Bestandteil der Maximalprofit erheischenden Kapitalverwertung geworden. In den letzten Jahren ist das spekulative Kapital geradezu explodiert. Der internationale Finanzsektor wuchs etwa fünfmal so schnell wie die Produktion. 2007 lag das weltweite Finanzvolumen – die Gesamtheit aller Kredite, Finanzprodukte, Devisenmärkte etc. – bei 2,3 Billiarden Euro. Das entspricht dem 65-fachen Wert des realen Weltsozialprodukts.13 In dem Maß, wie aufgrund der chronischen Überakkumulation des Kapitals die Möglichkeit für die Erzielung von Maximalprofiten im industriellen Produktions- und Reproduktionsprozess eingeschränkt wird, versuchen die internationalen Monopole immer mehr, mit ihrem überschüssigen Kapital auf den internationalen Finanzmärkten zu spekulieren, um auf diese Art und Weise Maximalprofite zu erzielen. Das führt in regelmäßigen Abständen, auch außerhalb von zyklischen Überproduktionskrisen, zum verheerenden Platzen der Spekulationsblasen und wirbelt jeweils die ganze bürgerliche Finanzwelt durcheinander. Das erhöht die allgemeine Labilität des bürgerlichen Finanzwesens erheblich.

 

Die kleinbürgerlichen Krisentheoretiker von „Attac“ erklären die Erscheinung der überbordenden Spekulation allerdings ganz anders: „Die Finanzmärkte haben sich verselbständigt.“14 Demnach hätte sich das spekulative Kapital abgenabelt von der realen Produktion als Quelle des Mehrwerts und der Profitmasse und man könne unterscheiden zwischen der „akzeptablen“ kapitalistischen Realwirtschaft und der inakzeptablen Spekulation. Das Platzen der Spekulationsblase zeigt jedoch, dass die Spekulation in der realen Überproduktion von Kapital wurzelt, für die sie zwar zeitweilig Abflusskanäle liefert, von der sie sich nur zeitweilig und nicht straflos freimachen kann. Die Spekulation bringt keinen realen Wertzuwachs hervor, sondern ist selbst nur die Vorwegnahme eines künftigen Profits. Mehrwert kann nur durch die Ausbeutung der Lohnarbeit, also die Ausbeutung lebendiger Arbeitskraft erzeugt werden. Der Spekulationsprofit ist also ein reiner „Raubprofit“, der über die verschiedenen Formen der Börsenspekulation zwischen den Kapitalanteilseignern lediglich umverteilt wird.

 

Die Spekulation ist inzwischen in alle gesellschaftlichen Bereiche der Produktion, des Handels und des Lebens eingedrungen. Immer mehr Verschachtelungen und Formen des fiktiven Kapitals wurden ausgetüftelt, um die Spekulation weiterzutreiben und das Platzen der Spekulationsblase hinauszuzögern. So haben immer mehr Industriemonopole Banken eröffnet, um sich unmittelbar an diesen Spekulationsgeschäften zu bereichern. Eine Form der Spekulation beförderte auch, dass produktive Investitionen spekulativ ausgedehnt werden, oft weit über die Möglichkeiten zur Realisierung von Maximalprofiten durch den Verkauf der Waren hinaus. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise stellten zum Beispiel die internationalen Automobilmonopole „Überkapazitäten“ von 39 Millionen Autos weltweit fest.

 

Inzwischen dominiert das spekulative Kapital mehr und mehr auch alle Bereiche der Daseinsfürsorge und der Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens. Güter des elementaren Lebens wie Weizen, Reis, Wasser, Gesundheit, Bildung, Energie, Sozialversicherung etc. wurden zum Gegenstand der Spekulation. Als sich das spekulative Kapital 2007/2008 zeitweilig im Rohstoff- und Lebensmittelbereich konzentrierte, führte das zu einem solchen weltweiten Preisauftrieb, dass sich die Ärmsten in den vom Imperialismus ausgebeuteten Ländern diese Nahrungsmittel nicht mehr kaufen konnten. Es kam im Frühjahr 2008 in elf Ländern zu Hungeraufständen, an denen sich zwei bis drei Millionen Menschen beteiligten.

 

Drittens: Die allgemeine Krisenanfälligkeit der kapitalistischen Weltwirtschaft nimmt zu, was sich insbesondere in der Tendenz zur Verkürzung des Krisenzyklus und zur Verlängerung der Krisendauer bzw. der nachfolgenden Depressionsphase ausdrückt. So hat sich die Dauer des Krisenzyklus seit der letzten Weltwirtschaftskrise 2001–2003 von vorher 10 Jahren auf 7,5 Jahre verkürzt. (siehe Schaubilder zur Industrieproduktion und zum Bruttoinlandsprodukt in den Krisenzyklen 1980–1990, 1990–2000, 2000–2008 in den USA, Japan, Deutschland)

 

 

 

Viertens: Das allgemeine Krisenmanagement wird zu den vornehmsten ökonomischen Aufgaben des Staates. Dabei sind die jetzt getroffenen Maßnahmen zur Dämpfung mittelfristig gesehen allesamt Pulverfässer! Die Milliarden umfassenden „Schutzschirme“ für Banken und Konzerne lassen die Staatsverschuldung explodieren. Nach kapitalistischer Logik können sie nur durch eine neue Welle der Umverteilung von unten nach oben zurückgezahlt werden. Das wird alle sozialen Errungenschaften infrage stellen. Wiederholt wurde in bürgerlichen Kreisen schon über den „erheblich zu hohen Hartz-IV-Satz“ diskutiert. Die den Monopolen geschenkte Kurzarbeit wird die Rücklagen der Bundesanstalt für Arbeit auffressen und durch die sinkende Bruttolohnsumme zu Rentensenkungen führen. Die Sozialversicherungssysteme werden infolge des sprunghaften Anstiegs der Massenarbeitslosigkeit kollabieren. Die derzeitige Krise kann nur um den Preis der Vorbereitung neuer, umfassenderer und tieferer Krisen bewältigt werden. Dabei ist das staatliche Krisenmanagement selbst spekulativ und setzt darauf, dass die umfassenden staatlichen Bürgschaften und Garantien an Banken und Konzerne möglichst ohne Verlust erhalten bleiben.

 

 

 

Fünftens: Die gegenwärtige Weltwirtschafts- und Finanzkrise hat eine in der Geschichte des Kapitalismus einmalige Dimension. In ihr kulminieren diese Faktoren der Überakkumulation des Kapitals zu einem allgemeinen Zusammenbruch des herkömmlichen Weltfinanzgefüges und des weltweiten Produktions- und Reproduktionsprozesses. Das staatliche Krisenmanagement überträgt die allgemeine Krisenanfälligkeit der imperialistischen Weltwirtschaft auf die Staatshaushalte und erzeugt die chronische Gefahr eines allgemeinen Staatsbankrotts.

 

 

 

Das international koordinierte Krisenmanagement

 

In dem Buch „Götterdämmerung über der ‚neuen Weltordnung‘“ hatte die MLPD noch festgestellt:

 

„Ein gemeinsames, international koordiniertes Vorgehen der drei ökonomischen Hauptmächte USA, Japan und EU scheiterte bislang an der imperialistischen Konkurrenz.“ (S.462)

 

Am 15. November 2008 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der G20-Länder in Washington zu einem hektisch einberufenen „historischen Weltfinanzgipfel“. Das musste außergewöhnliche Gründe haben! Tatsächlich sah das internationale Finanzkapital durch die neue Dimension der Weltfinanzkrise und ihre Wechselwirkung zur Weltwirtschaftskrise die akute Gefahr eines Kollaps des imperialistischen Weltfinanzsystems und der international organisierten kapitalistischen Produktion. Gleichzeitig wuchs die Furcht vor der Entfaltung des Klassenkampfs auf breiter Front bis zu Massenstreiks, Unruhen, Aufständen und revolutionären Krisen.

 

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932, als auf krisendämpfende staatliche Maßnahmen weitgehend verzichtet worden war, wurde nun ein weltweit koordiniertes Krisenmanagement vereinbart. Das sollte mindestens einen Umfang von vier Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts haben. Mit staatlichen Rettungsschirmen sollte verhindert werden, dass tragende Großbanken und damit das internationale Finanzsystem kollabieren. In diesem Sinne hatten schon vorher die Notenbanken und die imperialistischen Staaten Billionen Dollar in den Geldkreislauf gepumpt. International abgestimmte Zinssenkungen sollten das Kreditwesen wieder beleben. Russland, das sozialimperialistische China und die bedeutendsten aufstrebenden Schwellenländer wie Brasilien und Indien wurden einbezogen. So traten auf diesem Gipfel die Regierungen der 20 Nationen zusammen, die gemeinsam 90 Prozent des Weltsozialprodukts bestreiten. In seiner Bewertung des Washingtoner und Londoner Gipfels hebt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) insbesondere die Absage an protektionistische Maßnahmen, die Forderung nach „Sicherstellung freier Märkte für Handel und Investitionen“15 und nach Standards zur Erhöhung des Eigenkapitals bei riskanten Spekulationsgeschäften hervor. Das zeigt, dass es dem herrschenden Finanzkapital vor allem um die Aufrechterhaltung der Maximalprofit bringenden Wirtschaftsstruktur auch unter Krisenbedingungen ging.

 

Das zeitweise Zurückstellen der zwischenimperialistischen Widersprüche hatte neben der Förderung der gewaltigen nationalen Stützungsprogramme für Banken und Industriekonzerne auch politische und weltanschauliche Gründe. Das erste G20-Treffen sollte vor allem das grassierende Misstrauen der Massen in das schwer angeschlagene kapitalistische Finanz- und Wirtschaftssystem besänftigen. Das bestätigte sich bei der Fortsetzung des Weltfinanzgipfels am 2. April in London. Die dort beschlossene Aufstockung der Gelder für den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank und Bürgschaften zur Absicherung von Exporten in einer Gesamthöhe von 1,1 Billionen US-Dollar dienen in erster Linie der Verhinderung revolutionärer Krisen. Treffend kennzeichnet die thüringische Zeitung „Freies Wort“ vom 3.4.2009, welche Ängste den imperialistischen Regierungen diese Maßnahmen diktiert haben:

 

„Zumindest aber wird es die Regionen stabilisieren helfen, in denen am ehesten politische Turbulenzen drohen und damit besonders gefährliche Konsequenzen der Weltwirtschaftskrise.“16

 

Zugleich darf die demonstrativ zur Schau gestellte Einheit der Teilnehmer des Weltfinanzgipfels nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Hintergrund ein Hauen und Stechen stattfindet. Allein die Erweiterung der G8-Gruppe zur Gruppe der G20 ist Ausdruck der verstärkten ungleichmäßigen Entwicklung der imperialistischen Länder. Sie ist gekennzeichnet durch eine Schwächung des US-Imperialismus und des japanischen Imperialismus und eine Stärkung der imperialistischen Hauptkonkurrenten EU, Russland, China und nach vorn drängender Mächte wie Indien oder Brasilien. China stellt offen die Vorherrschaft des US-Dollars als internationale Leitwährung in Frage. Die Bundesregierung und die Monopolverbände in der BRD verkünden das Ziel, als „Gewinner“ aus der Krise hervorzugehen. Die beispiellosen staatlichen Konjunkturprogramme der imperialistischen Regierungen erreichten eine bisher weltweit nicht gekannte Größenordnung in Höhe von fünf Billionen US-Dollar. Sie dienen vor allem der Stärkung der Konkurrenzfähigkeit der internationalen Monopole des jeweiligen Landes in der Weltwirtschaftskrise sowie der Dämpfung der Klassenwidersprüche.

 

Die von der Merkel/Steinmeier-Regierung beschlossenen zwei Konjunkturprogramme, die einen Umfang von 80 Milliarden Euro haben, nehmen sich vergleichsweise bescheiden aus. Die Regierung ist sich aufgrund des extrem hohen Exportanteils der internationalen Monopole Deutschlands bewusst, dass konjunkturfördernde Maßnahmen nur eine sehr begrenzte Wirkung entfalten. Aber die deutschen Monopole legen besonderen Wert auf ihre ausgefeilte Herrschaftsmethode des gesellschaftlichen Systems der kleinbürgerlichen Denkweise, um den weiteren Übergang in die Arbeiteroffensive in den großen Industriebetrieben zu behindern. So wurden die Verlängerung des Kurzarbeitergelds von 12 auf inzwischen 24Monate, sowie die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmer ab dem 7.Monat der Kurzarbeit durch den Staat staatlich finanziert, um offene Massenentlassungen möglichst zu vermeiden. Zugleich wurden Steuererleichterungen für die Massen, eine Erhöhung des Kindergelds und Steuererleichterungen für den Weg zur Arbeit, eine Senkung der Krankenversicherungsbeiträge sowie eine außerordentliche Erhöhung der Renten gewährt. Doch diese eher symbolischen Wohltaten gegenüber den Massen gingen von einem relativ kurzen Kriseneinbruch aus, der nur bis zur prophezeiten erneuten Belebung hätte überbrückt werden sollen. Zwar gab es Entlassungen insbesondere von Kolleginnen und Kollegen mit Leiharbeits- und Zeitarbeitsverträgen, gegenüber den Stammbelegschaften wurden Massenentlassungen zunächst vermieden. Das änderte sich nach dem zweiten Krisengipfel der Bundesregierung im April 2009, als die Wirtschaftsprognose vom Dezember 2008 gründlich korrigiert und von einer Vertiefung der Weltwirtschafts- und Finanzkrise ausgegangen wurde. Erst für 2012 rechnet die Bundesregierung wieder mit einer Rückkehr des Produktionsvolumens auf den Vorkrisenstand. Das bedeutet, dass die Monopole nicht mehr von einer Übergangssituation ausgehen, sondern einen nachhaltigen Abbau der Produktionskapazitäten beabsichtigen, sprich: Massenentlassungen und Stilllegungen betreiben werden.

 

 

 

Das staatliche Krisenmanagement hat aber nicht nur flankierende Maßnahmen und finanzielle Mittel bereitgestellt, sondern übernahm selbst forciert die Funktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitalisten. Dazu gehört das unmittelbare Eingreifen des Staates in das Bankenwesen oder in das Krisenmanagement der monopolistischen Industrie. Es wäre naiv, diese Verstaatlichung von Banken als Akt der Übergabe monopolistischen Eigentums in die Hände des Volkes zu betrachten. Vielmehr geht es um die organisierte Vergesellschaftung der Spekulationsverluste und Kapitalvernichtung und ihre Abwälzung auf die gesamte Gesellschaft. Sobald die krisengeschüttelten Banken wieder maximalprofitbringend tätig sind, wird sich der Staat wieder Stück für Stück aus seiner unmittelbaren wirtschaftlichen Beteiligung zurückziehen, um die private Aneignung der Milliarden-Profite zu gewährleisten. Dennoch ist aufgrund der allgemeinen Zunahme der Krisenhaftigkeit der imperialistischen Weltwirtschaft damit zu rechnen, dass das staatliche Krisenmanagement wichtigste Aufgabe staatlichen Handelns auf wirtschaftlichem Gebiet bleiben wird. Dieser Prozess ist eine der bedeutendsten materiellen Vorbereitungen für den Sozialismus, weil er die Unfähigkeit der privatwirtschaftlichen Anarchie dokumentiert. Das schreit geradezu danach, den Kapitalismus zu überwinden und den Sozialismus zum Wohle der gesamten Menschheit durchzusetzen. Auf diese Notwendigkeit und Möglichkeit wies bereits Lenin hin, der ausführte, dass der Sozialismus nichts anderes ist „als der nächste Schritt vorwärts, über das staatskapitalistische Monopol hinaus. Oder mit anderen Worten: Der Sozialismus ist nichts anderes als staatskapitalistisches Monopol, das zum Nutzen des ganzen Volkes angewandt wird und dadurch aufgehört hat, kapitalistisches Monopol zu sein.“ (Lenin, Werke, Bd.25, S.369)

 

Die akute Ausrichtung der Nationalstaaten als oberste Krisenmanager ließ die Haushalte weltweit rotieren. Der Haushalt der USA für das Jahr 2009 im Umfang von 3,4 Billionen US-Dollar soll mit 1,8 Billionen US-Dollar zu mehr als der Hälfte durch neue Schulden finanziert werden. Das ist für die unersättliche Profitgier der an den Börsen der Welt agierenden Finanzjongleure ein regelrechter Blankoscheck zur Spekulation und bereitet neue gewaltige Finanzkrisen vor. Denn die sprunghaft wachsende Staatsverschuldung ist für die Banken eine sprudelnde Profitquelle, kann durch die Staaten jedoch nur finanziert werden, indem die Steuern erhöht, staatliche Leistungen weiter gekürzt oder die Inflation angeheizt wird, um die Staatsschulden zu entwerten. Daran werden auch die auf dem Weltfinanzgipfel angekündigten „Reformen“ bei der Finanzaufsicht über Rating-Agenturen und Hedge Fonds und die Einrichtung eines internationalen sogenannten „Frühwarnsystems“ nichts Wesentliches ändern. Die staatlichen Maßnahmen übertragen die Krise auf den Staatshaushalt, was über kurz oder lang Staatsbankrotte in den einzelnen Nationalstaaten auslösen wird.

 

Statt eines Sturms der Entrüstung über diese nie dagewesenen Subventionen des Finanzkapitals auf Kosten der Staatshaushalte erleben wir von der Führung der Linkspartei ein wortradikal verkauftes Angebot, die staatlichen Krisenprogramme mitzugestalten und sogar auszuweiten. Oskar Lafontaine rechtfertigte sich vor dem Bundestag unter der Parole, mehr Gas zu geben für das staatliche Subventionsprogramm von 580 Milliarden Euro für die Banken und Konzerne:

 

„Wir haben doch gar keine andere Wahl, als das Finanzmarkt-System – wie es so schön heißt – schleunigst wieder in Gang zu bringen.“17

 

„In Gang gebracht“ wurde durch die staatlichen Krisenprogramme bisher relativ wenig, außer dass die internationalen Finanzsysteme noch nicht unkontrolliert zusammengebrochen sind. Ansonsten erleben wir eine anhaltende Vertiefung der Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Nach der vorübergehenden Kurzarbeit für 1,5 Millionen Arbeiter und den bereits erfolgten Entlassungen von 500000 vor allem Leiharbeitern und Zeitarbeitern in Deutschland planen die Herrschenden jetzt, umfangreiche Massenentlassungen „in Gang zu bringen“.

 

Auch nach dem Abschwung der Krise ist kaum mit einer sofortigen Belebung oder gar einem Aufschwung zu rechnen, wie es weltwirtschaftlich gesehen nach der letzten Weltwirtschaftskrise 2001–2003 noch der Fall war. Vielmehr wird eine Phase der Depression folgen, über die Willi Dickhut**** schreibt:

 

Die Depression vollendet das Werk der Krise. Sie ist gekennzeichnet durch Stagnation der industriellen Produktion. In dieser Phase versuchen die Kapitalisten durch Senkung der Produktionskosten einen Ausweg aus der Krise zu finden.“ („Krisen und Klassenkampf“, Revolutionärer Weg 23, S.89)

 

Das wird aller Voraussicht nach zu einer bisher nicht gekannten Steigerung der Ausbeutung der internationalen Arbeiterklasse führen. Bereits in der letzten Weltwirtschaftskrise steigerten die 500 größten Übermonopole gegen Ende der Krisenphase den Profit je Beschäftigten nach ihren offiziellen Angaben um ein Vielfaches: von 2871 US-Dollar im Jahr 2002 auf 15926 US-Dollar im Jahr 2003 und auf 19383 US-Dollar im Jahr 2004. Erinnern wir uns, wie in Deutschland die Zahl der geringfügig Beschäftigten 2003 und 2004 um 66 Prozent von 4,1 auf 6,8 Millionen hochschnellte, die Zahl der zu Billigstlöhnen schuftenden Leiharbeiter in wenigen Jahren auf fast 800000 katapultiert, der allgemeine Lohnabbau systematisch vorangetrieben wurde und das durchschnittliche Lohnniveau unter den Stand von 1993 absank. Die Agenda 2010 und die Hartz-IV-Gesetze waren die dazu notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen.

 

Am Wesen des kapitalistischen Weltwirtschafts- und Finanzsystems hat sich durch das staatliche Eingreifen – die Linkspartei würde das als „staatliche Kontrolle“ definieren – herzlich wenig geändert, außer dass es künftig einige staatliche und zwischenstaatliche Einrichtungen gibt, die bei Krisenentwicklungen tätig werden sollen. Was für ein gesellschaftlicher Fortschritt!

 

Niemand kann heute exakt voraussagen, wie lange die Weltwirtschafts- und Finanzkrise sowie die nachfolgende Depression andauern wird. Alles weist darauf hin, dass diese Depression einschneidender als bei der letzten Weltwirtschaftskrise wird.

 

Die Übergangsphase nach der Krise ist ein besonderer Nährboden für die Verschärfung der Klassenwidersprüche und das offene Ausbrechen der politischen Krise. Bereits 1984, 1993 und 2004 fanden an diesem Punkt der Krisenentwicklung qualitative Sprünge im Übergang zur Arbeiteroffensive statt.

 

Im Chor mit der gesamten kleinbürgerlichen Linken – Linkspartei, Attac, verschiedenen Gewerkschaftsführern, trotzkistischen Kräften – ruft auch der Vorstand der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) händeringend nach einer „Überführung der Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle“.18 Ihr Flehen wurde erhört! Denn die Merkel/Steinmeier-Regierung hat inzwischen in „demokratisch kontrolliertem“ Zusammenspiel mit den Spitzenverbänden des Finanzkapitals die Commerzbank und die Hypo Real Estate zur Abwendung von deren Insolvenz unter ihre staatliche Fürsorge genommen. Nicht nur das! Der Staat förderte „Bad Banks“, in die Hunderte von Milliarden Euro an entwertetem Spekulationskapital der notleidenden Banken quasi „in öffentliches Eigentum überführt“ und als Staatsanleihen weiterverkauft werden können. Der gesellschaftliche Fortschritt dieser beherzten Verstaatlichung ist nicht zu übersehen. Jetzt kann jede Bank ihre Bilanzen verschönern, damit ihre Aktienkurse in die Höhe treiben. Dem erneuten Anwachsen des Spekulationskapitals steht nichts mehr im Wege. Doch händeringend beschwört der DKP-Vorstand die linke Öffentlichkeit: So war das alles nicht gemeint – noch ist ja die demokratische Kontrolle und die Eigentumsverpflichtung des Grundgesetzes nicht verwirklicht! Und wer bitte soll diese Kontrolle unter der Diktatur der Monopole verwirklichen? So landet der vom Linkstrend beflügelte mentale Höhenflug der DKP jäh im Sturzflug in die altbekannten revisionistischen Illusionen von der Zurückdrängung der Macht der Monopole. Weniger begeistert wäre Friedrich Engels, dem solcherlei Phantastereien schon vor über 130 Jahren nicht unbekannt waren. Damals erklärte er unmissverständlich:

 

„Der moderne Staat, was auch seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist. Je mehr Produktivkräfte er in sein Eigentum übernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist, desto mehr Staatsbürger beutet er aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, Proletarier. Das Kapitalverhältnis wird nicht aufgehoben, es wird vielmehr auf die Spitze getrieben.“ (Anti-Dührung, Marx/Engels, Werke, Bd.20, S.260)

 

Im staatsmonopolistischen Kapitalismus haben die Monopole den Staat nicht nur vollständig unter ihre Herrschaft untergeordnet, ihre Organe mit denen des Staatsapparats verschmolzen und die wirtschaftliche und politische Macht über die gesamte Gesellschaft errichtet. Durch die Krisenhaftigkeit seit der Neuorganisation der internationalen Produktion wird der Staat immer mehr zum vollendeten Gesamtkapitalisten. Als Manager treibt er für die unbedingte Aufrechterhaltung der Macht des krisengebeutelten Finanzkapitals die Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterklasse und der breiten Massen bis zum Exzess.

 

Es ist unübersehbar, dass die immer komplexere, vollständig internationalisierte imperialistische Wirtschaft aufgrund der neuen Situation wieder verstärkt der lenkenden Rolle des Staates bedarf. Objektiv wäre dazu ein einheitlicher Weltstaat notwendig. Statt dessen gibt es miteinander in Konkurrenz oder Abhängigkeit stehende Nationalstaaten als entscheidende ökonomische und machtpolitische Basis für die Diktatur der internationalen Monopole. Etwas anderes kann es unter der Macht des internationalen Finanzkapitals und der auf die Spitze getriebenen Konkurrenz auch nicht geben!

 

Was für einen Charakter könnte ein Weltstaat haben? Soll es ein bürgerlicher Staat sein, mit Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier, Josef Ackermann, Klaus Zumwinkel, Hartmut Mehdorn usw. an der Spitze, unter deren „demokratischer Kontrolle“ die Destruktivkräfte der kapitalistischen Produktionsweise hemmungslos ihr zerstörerisches Werk verrichten und die Massen immer tiefer mit in diesen Abgrund gezogen werden sollen?

 

Oder soll es ein Staat sein, der den Spekulanten das Handwerk legt, der Schluss macht mit einer Wirtschaftsweise, die auf der Ausplünderung der Arbeiterklasse zugunsten einer Minderheit Superreicher beruht? Ein Staat, der durch bewusste Planung und Verteilung der gesellschaftlichen Ressourcen gewährleistet, dass die modernen Produktivkräfte im Interesse der Befriedigung der wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der ganzen Gesellschaft eingesetzt werden! Ein sozialistischer Staat der wirklichen Demokratie für die breiten Massen unter Führung der Arbeiterklasse – die Diktatur des Proletariats! Um einen solchen Staat zu erreichen, bedürfte es jedoch der revolutionären Beseitigung der Diktatur der Monopole, die ihre Macht mit niemandem zu teilen bereit sind und auch nicht freiwillig darauf verzichten werden.

 

Das Potenzial einer revolutionären Weltkrise und die Notwendigkeit der länderübergreifenden Koordinierung der Tätigkeit revolutionärer Parteien und Organisationen

 

Im Vorfeld der 1.Mai-Demonstrationen in Deutschland 2009 warnte DGB-Chef Sommer vor „sozialen Unruhen“. Als sich dieser Betrachtung auch noch die SPD-Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan anschloss,19 entzündete sich eine heftige Diskussion. Man könne ja soziale Unruhen auch „herbeireden“, antworteten darauf insbesondere die Vertreter der großen Koalition.20 Dabei kam Dennis C. Blair, nationaler US-Sicherheitsdirektor der Obama-Regierung und Koordinator der 16 US-Geheimdienste, bereits in seiner „jährlichen Bedrohungsstudie“ vom 12. Februar 2009 zu dem Ergebnis, dass die Hauptbedrohung für den US-Imperialismus nicht mehr vom sogenannten internationalen „Terrorismus“ ausgeht, sondern auf der Grundlage der Weltwirtschaftskrise von revolutionären Arbeiterkämpfen – insbesondere in Europa:

 

„Das wichtigste kurzfristige Sicherheitsproblem der Vereinigten Staaten sind die globale Wirtschaftskrise und ihre geopolitischen Implikationen“, so Blair, die zu „gewalttätigem Extremismus“ führen könne. Ausdrücklich erinnert er an „die dramatischen politischen Folgen des wirtschaftlichen Chaos in den 1920er und 1930er Jahren in Europa“ und weist darauf hin, dass es aktuell die „meisten regierungsfeindlichen Demonstrationen in Europa und der ehemaligen Sowjetunion gegeben“ hat.21

 

 Die gegenwärtige Weltwirtschafts- und Finanzkrise hat alle grundlegenden Widersprüche des imperialistischen Weltsystems verschärft:

 

·      Die Arbeiterklasse ist mit der Arbeitslosigkeit, der verschärften Ausbeutung und dem allgemeinen Lohnabbau von den Krisenwirkungen am meisten betroffen. Im Klassenkampf gegen die internationalen Übermonopole und ihre Regierungen muss vor allem das internationale Industrieproletariat seine führende Rolle im Kampf gegen das imperialistische Weltsystem wahrnehmen.

 

·      Der Kampf um die Befreiung der Frau geht einher mit dem Kampf der Arbeiterklasse für die Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung und bezieht die Masse der kleinbürgerlichen Zwischenschichten mit ein.

 

·      Die Krise verschärft die besondere Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterjugend und fordert ihre Rebellion heraus. Die Masse der Jugend muss zur praktischen Avantgarde im Klassenkampf werden.

 

·      Der aktive Widerstand gegen die menschheitsbedrohende Entwicklung zu einer globalen Klimakatastrophe muss sich länderübergreifend entfalten.

 

·      Die Weltwirtschaftskrise erhöht die Aggressivität der imperialistischen Länder und der internationalen Übermonopole im Kampf um die Neuaufteilung der Einflusssphären und des Weltmarkts. Das verschärft die allgemeine Kriegsgefahr und birgt die Gefahr zwischenimperialistischer Kriege. Der Kampf zur Verteidigung des Weltfriedens muss zur Revolutionierung der breiten Massen genutzt werden.

 

·      Die dramatischen Entwicklungen fassen sich in der Vertiefung latenter und dem Aufbrechen offener politischer Krisen zusammen, die gesetzmäßig mit dem Aufkommen von Wirtschaftskrisen verbunden sind.

 

 

 

Bereits zu Beginn der Krise flammten Massenkämpfe in zahlreichen europäischen Ländern auf. Regierungen in Island, Belgien und Lettland mussten zurücktreten. Großbritannien, Frankreich, Italien und Ungarn erlebten Massendemonstrationen und Generalstreiks mit Millionen Teilnehmern. Weltweit ist ein allgemeiner Linkstrend unter den Massen zu beobachten. In Lateinamerika hat er nach dem Abflauen einer Länder übergreifenden revolutionären Gärung zu Beginn des Jahrtausends zur Wahl einer Reihe fortschrittlicher, zum Teil antiimperialistischer Regierungen geführt. In Nepal wurde der König revolutionär gestürzt und findet eine entfaltete Massenauseinandersetzung über den weiteren Weg der neudemokratischen Revolution auf dem Weg zum Sozialismus statt. Weltweit hat sich eine Tendenz zur Hinwendung wachsender Teile der Massen zum Sozialismus entwickelt. Der internationale Linkstrend äußert sich jedoch noch hauptsächlich in einer Kritik der breiten Massen an den kapitalistischen Verhältnissen und der Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative. Selbstredend ist er nicht frei von linksreformistischen und revisionistischen Illusionen. Erst mit der breiten Entfaltung des proletarischen Klassenkampfs und dem Fertigwerden mit der kleinbürgerlich-reformistischen und der kleinbürgerlich-revisionistischen Denkweise im Massenumfang kann dieser Linkstrend zu einer revolutionären Kraft erwachsen. In dem Maße, wie sich die ökonomischen und politischen Massenkämpfe entwickeln, wie es zu offenen Klassenauseinandersetzungen mit dem Staatsapparat kommt, entfaltet sich das Potenzial einer revolutionären Weltkrise.

 

 In Deutschland werden mit der von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 6. Mai 2008 verabschiedeten „Sicherheitsstrategie für Deutschland“ die Vorbereitungen auf die Lage eines permanenten relativen Kriegszustands verstärkt. Für die umfassende Militarisierung der gesamten Außen- und Innenpolitik soll die Bildung eines „Nationalen Sicherheitsrats“ analog zu den USA dienen. Mittlerweile wurde im Bundesnachrichtendienst ein Krisenstab eingerichtet, weil „die Krise sich zur größten Gefahr für die weltweite Sicherheit“ entwickle.22 Zum einen wollen die Herrschenden „deeskalierend“ auf die Entfaltung des Klassenkampfs einwirken. Zum anderen rechnen sie mit einem Aufschwung der Kämpfe der Arbeiterklasse, auf die sie sich mit ihrer Faschisierung des Staatsapparats einstellen.

 

In diesem Zusammenhang verändert sich auch die Taktik des Monopolkapitals gegenüber den Neofaschisten. Sie werden durch die Ablehnung eines Verbotsantrags durch CDU-Bundesinnenminister Schäuble zu einer Aktivität ermuntert, in der ihr Charakter als offen terroristischer Stoßtrupp gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung deutlicher zutage tritt. Am 1.Mai 2009 gingen die Faschisten unter Duldung des Staatsapparats erstmals seit dem II. Weltkrieg konzentriert gegen gewerkschaftliche Kundgebungen und Demonstrationen vor. Höhepunkt ihrer Aggression war in Dortmund, wo 300 Neofaschisten die Demonstration mit Steinen und Knallkörpern überfielen.

 

Derart tiefe gesellschaftliche Krisen sind immer mit der Polarisierung des Kampfs zwischen opportunistischen und revolutionären Strömungen in der Arbeiterbewegung verbunden. Der Kampf zwischen der proletarischen und der kleinbürgerlichen Denkweise in der Arbeiter- und Volksbewegung entfaltet sich. Die rechte Gewerkschaftsführung vertritt eine Linie des offenen Klassenverrats und des Sozialchauvinismus. Während Millionen von Arbeitern und Angestellten sich Sorgen um ihre Zukunft machen, initiierte der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber eine „Zukunftsvereinbarung“, die die Arbeiter auffordert, in der Krise „weiter zum Unternehmen zu stehen“.23 Angeblich um Arbeitsplätze zu sichern, stellte der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, sogar Öffnungsklauseln in Tarifverträgen und damit eine freiwillige Reduzierung der Löhne in Aussicht.

 

Insbesondere für revolutionäre Situationen, deren Heranreifen bei zunehmender Dauer der jetzigen Weltwirtschafts- und Finanzkrise und der Entfaltung des Klassenkampfs zur unmittelbaren Realität werden kann, ist es für das revolutionäre Proletariat von grundlegender Bedeutung, einen klaren Trennungsstrich zum Opportunismus zu ziehen. Lenin führt dazu aus:

 

„Die objektive Lage in Europa ist so, dass in den Massen die Enttäuschung, die Unzufriedenheit, der Protest, die Empörung und die revolutionäre Stimmung, die auf einer bestimmten Entwicklungsstufe ungeheuer rasch in die Tat übergehen kann, im Anwachsen begriffen sind. Die Frage steht jetzt praktisch so und nur so: Soll man das Wachstum und die Entwicklung revolutionärer Aktionen gegen die eigene Bourgeoisie und die eigene Regierung fördern oder die revolutionäre Stimmung hemmen, ersticken, beschwichtigen. Um dieses zweite Ziel zu erreichen, werden (und müssen vom Standpunkt ihrer Interessen) sich die liberalen Bourgeois und die Opportunisten zu allen erdenklichen ,linken‘ Schlagworten bereitfinden, werden sie … alle möglichen Reformen, kurzum alles versprechen, was man will, nur um zu verhindern, dass die Massen mit ihren opportunistischen Führern brechen und zu immer ernsthafteren revolutionären Aktionen übergehen.“ (Über die Lage der Dinge in der russischen Sozialdemokratie, Lenin, Werke, Bd.21, S.284)

 

 

 

Ein neuer Aufschwung des Kampfs für den Sozialismus erfordert eine Kraft, die dem internationalen Finanzkapital und seinem imperialistischen Weltsystem überlegen ist. Die Herausbildung einer strategischen Überlegenheit der revolutionären Arbeiterbewegung kann nur auf dem Weg des proletarischen Internationalismus geschehen, der Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse auf der ganzen Welt im Bündnis mit den breiten Massen der Klein- und Mittelbauern sowie der kleinbürgerlichen Intelligenz und dem antiimperialistischen Kampf der Völker und Nationen.

 

Bei allen Unterschieden in den historischen und kulturellen Eigenheiten sowie der sozialen und politischen Bedingungen in den einzelnen Ländern, die in der jeweiligen nationalen Strategie und Taktik Berücksichtigung finden müssen, braucht die internationale sozialistische Revolution auch eine gemeinsame Kampffront. Sie muss die einzelnen Klassenkämpfe und die demokratischen und fortschrittlichen Massenbewegungen zu einer international überlegenen Macht gegen das imperialistische Weltsystem zusammenführen. Das erfordert die Existenz starker autonomer marxistisch-leninistischer Parteien in den einzelnen Ländern, die aus der revisionistischen Entartung der alten kommunistischen Bewegung wirksame Schlüsse gezogen haben, die ideologisch-politisch klar, im Klassenkampf gestählt und aufs engste mit der Arbeiterklasse und den breiten Massen verbunden sind.

 

Auf der materiellen Grundlage der Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise wächst die Einsicht und Bereitschaft zum internationalen Zusammenschluss der revolutionären Kräfte. Inzwischen beteiligen sich bereits über 60 Organisationen an der Initiative zum Aufbau einer internationalen Organisationsform zur Koordinierung der Aufgaben im marxistisch-leninistischen Parteiaufbau und Klassenkampf, der ICOR.

 

In der länderübergreifenden Koordinierung und Revolutionierung des internationalen Klassenkampfs und der gegenseitigen Unterstützung im Parteiaufbau wird sich der Weg Bahn brechen für die schöpferische Lösung der Allgemeinen Krise des Kapitalismus: die Vorbereitung und Durchführung der internationalen Revolution und die Erkämpfung einer von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen befreiten sozialistischen Gesellschaft – mit der Perspektive der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt!

 

 

 


 

Quellenverzeichnis

 

  1   Focus, 20. 4. 2009

 

  2   Rede „Die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft“, 18. 12. 2008

 

  3   Rede vom 12. 10. 2005, in FinanzNachrichten.de

 

  4   manager-magazin.de, 25. 9. 2008

 

  5   Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Pressemitteilung, 27. 11. 2008

 

  6   Regierungserklärung vom 14. 1. 2009

 

  7   Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, „Milliarden verzockt …“, Oktober 2008

 

  8   Hannoversche Allgemeine Zeitung, 14. 3. 2008

 

  9   REGIERUNGonline, 31. 12. 2008

 

10   tagesschau.de, 16. 9. 2008

 

11   Bundestagsrede am 26. 11. 2008

 

12   Junge Welt, 7./8. 2. 2009

 

13   DGB einblick 04/09

 

14   Erklärung zum Kongress „Kapitalismus am Ende?“ vom 6.–8. 3. 2009

 

15   BDI, Weltfinanzgipfel: Zusammenfassung und erste BDI-Bewertung, 18. 11. 2008

 

16      „Freies Wort“, 3. 4. 2009

 

17      www.Linksfraktion.de, 15. 10. 2008

 

18   Erklärung des Sekretariats des Parteivorstands der DKP zur aktuellen Finanzkrise,
Oktober 2008

 

19   Süddeutsche Zeitung, 24. 4. 2009

 

20   Spiegel-online, 25. 4. 2009

 

21   Dennis C. Blair, Annual Threat Assessment of the Intelligence Community
for the Senate Select Committee on Intelligence, 12. 2. 2009

 

22   Kersten Lahl, Leiter der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, NRZ, 8. 5. 2009

 

23   Flugblatt von IG Metall und Gesamtbetriebsrat/Konzernbetriebsrat der
Schaeffler-Gruppe, 10. 3. 2009

 

 

 

****  OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Zusammenschluss von derzeit 30 führenden Industrieländern

 

****  tautologisch
einen Sachverhalt doppelt wiedergebend

 

****  Apologet
Verfechter, Verteidiger, Sprachrohr [reaktionärer Strömungen]

 

****  Willi Dickhut
Vordenker und Mitbegründer der MLPD. Langjähriger Leiter der Redaktion des theoretischen Organs der MLPD. Willi Dickhut starb 1992.

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