Vorwort
Seit Jahrhunderten tobt der Kampf zwischen dem Idealismus und dem Materialismus um die Probleme des Kosmos: Sind Weltall und Natur erschaffen worden oder sind sie seit Ewigkeit da, unendlich in Zeit und Raum?
Willi Dickhuts Studie »Materialistische Dialektik und bürgerliche Naturwissenschaft« verarbeitet die naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse und erbringt den eindrucksvollen Nachweis, daß es in der Natur dialektisch zugeht: Das gesamte Weltall ist materiell, ist verräumlichter Stoff. Die Materie ist in ständiger Bewegung und Veränderung begriffen. Sie ist weder zu erschaffen noch zu zerstören. Als Ergebnis der Bewegung entwickeln sich ständig neue Formen der Materie. Die Bewegung ist die ureigenste Eigenschaft der Materie. Sie kennzeichnet die Qualität, die Umwandlungsfähigkeit der Materie in Formen wie Wärme und Licht oder auch in Formen wie Leben und Bewußtsein.
Die Studie führt eine dialektische Kritik an der bürgerlichen Naturwissenschaft, indem sie deren richtige Erkenntnisse über das Weltall aufgreift und ihre idealistischen Deutungen mit der dialektischen Methode kritisiert.
Willi Dickhut zeigt die Wurzel der Verwirrung der bürgerlichen Naturwissenschaft auf: Als die Physik Ende des letzten Jahrhunderts Entdeckungen über die Verwandlung der Materie in Formen wie Elektronen und Neutronen machte, die mit unseren menschlichen Sinnen nicht mehr zu fassen, sondern nur mit Hilfe der dialektischen Bewegungs- und Entwicklungsgesetze zu verstehen sind, übertrug sie die Begrenztheit der menschlichen Sinne auf die angebliche Begrenztheit der Materie.
Diese Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft besteht und vertieft sich bis heute. So hält die moderne Physik an Jordans absurder Theorie von der Entstehung des Weltalls aus einem Punkt durch einen explosionsartigen »Urknall« fest. Dazu führt die »Neue Zürcher Zeitung« vom 3. Dezember 1986 ein Referat von Ilya Prigogine auf der 36. Tagung der Nobelpreisträger an: »Der Urknall war nichts anderes als ein gigantischer Entropieerzeugungsprozeß.« Die Studie unterzieht diese Urknalltheorie einer ebenso erfrischenden Kritik wie Einsteins Relativitätstheorie, welche Raum und Zeit als objektive Eigenschaften des Weltalls leugnet und vollständig relativiert.
Die Studie deckt auch auf, daß diese Fäulniserscheinungen der bürgerlichen Naturwissenschaft der Fäulnis des Kapitalismus entspringen. Solange die kapitalistische Gesellschaft nach einer grenzenlosen Ausdehnung ihrer Wirtschaft auch in unbekannte Räume der Erde strebte, war auch das Weltbild grenzenlos. Sobald um die Jahrhundertwende die ganze Erde vom Imperialismus erobert war und die Grenze der Ausdehnung auf der Erde deutlich wurde, tauchten wieder Theorien vom begrenzten Weltall auf.
So stellen sich im gesamten Buch die Probleme des Kosmos nie als abstraktes Formelgestrüpp dar, sondern erfahrbar als Raum und Zeit, in denen sich der Kampf der Arbeiterklasse vollzieht.
Die Studie ist deshalb wegen ihrer Anschaulichkeit selbst der abstraktesten Fragen ein Impuls gerade für Arbeiter und alle übrigen Werktätigen, sich die Kenntnisse über die Entwicklung der Natur vom Standpunkt des dialektischen Materialismus aus anzueignen. Sie schult so die Allgemeinbildung und ist eine wertvolle Hilfe, sich in Zeiten komplizierter wirtschaftlicher und politischer Vorgänge im Klassenkampf zurechtzufinden.
Willi Dickhut selbst hat das Manuskript vor rund 45 Jahren mitten im II. Weltkrieg verfaßt, um mit der Anwendung der Dialektik auf die Naturwissenschaft seine theoretischen Fähigkeiten zu erweitern für die Führung des proletarischen Klassenkampfes. Ebenso wie sein etwa zur selben Zeit begonnenes Buch »Proletarischer Widerstand gegen Faschismus und Krieg« ist dieses Werk ein Schlüssel zum Verständnis für seine weitere theoretische Arbeit, die ein charakteristisches Merkmal hat: die Dialektik als roten Faden.
Seit jener Zeit ist die bürgerliche Naturwissenschaft nicht stehengeblieben. Eine Vielzahl neuer und wichtiger Teilerkenntnisse auf den Gebieten der Erforschung des Weltalls wurden und werden erzielt, meist ohne bewußte Anwendung der materialistischen Dialektik. Deshalb kann für alle Naturwissenschaftler und naturwissenschaftlich Interessierte die Studie eine wichtige Anregung sein, neue Fragen mit Hilfe der Dialektik tiefgehender zu klären.
Dezember 1987
Der Herausgeber