Ein bemerkenswerter Reisebericht aus Russland im Jahr 1953
Der westdeutsche kritische Publizist Paul Distelbarth bereiste im Jahr 1953 die damals noch sozialistische Sowjetunion und berichtete unter anderem von „enormen Arbeiten zur Veränderung der Natur“ in den riesigen Weiten des Landes, wie sie damals einzigartig in der Welt waren.
Die Bevölkerung in Russland litt seit Jahrhunderten unter der Tatsache, dass tiefe Fröste im Winter und glutheiße Wüstenwinde im Sommer oft innerhalb von wenigen Tagen die gesamte Vegetation eines Gebietes vernichtet und große Hungersnöte verursacht haben.
Die angelegten Schutzwälder hatten die Funktion, „die heißen Winde aufzuhalten und zum Erliegen zu bringen. Dazu werden drei Wege beschritten: die Anpflanzung von Waldschutzstreifen, die Kultur ausdauernder Gräser in den bedrohten Gebieten und die Schaffung großer Wasserflächen. … Ein System von acht großen staatlichen Schutzwaldstreifen längs der Flüsse Wolga, Don, Ural, Donez, und längs der Wasserscheiden umfaßt eine Länge von über 5000 km. Der längste Gürtel wird der an den Ufern des Ural sein, wo sechs Streifen von je 60 m Breite mit Zwischenräumen von 100 bis 120 m auf einer Länge von über 1000 km angepflanzt werden. Da der Boden überall sehr fruchtbar ist, werden Eichen bevorzugt, doch kommen je nach Klima, Bodenart, Feuchtigkeit auch andere Sorten zur Verwendung: Pappeln, Birken, weiße und gelbe Akazien, selbst Obstbäume, wie der wilde sibirische Apfelbaum, der als Zierbaum vor dem Bolschoj Teatr steht. … Mit der probeweisen Anlage von Waldschutzstreifen hat man schon in den zwanziger Jahren auf einer Fläche von 3000 ha begonnen; wir sahen selbst solche Streifen, die ein Alter von 20 bis 30 Jahre haben mochten. …“
Mit der Schaffung der Waldstreifen gingen auch riesige Bewässerungsprojekte der Trockengebiete einher. Um das nötige Wasser zu heben, wurde auf elektrische Kraft gesetzt, um dann das Wasser mit natürlichem Gefälle in Bewässerungskanäle zu leiten. „Der Strom wird in großen Kraftwerken erzeugt, die am untern Ende riesiger Talsperren liegen. … Die großen Wasserflächen dienen zugleich dem Klimaausgleich: sie geben Wasser an die Luft ab, das als Regen in der Umgebung fällt, und speichern Wärme, die die Winterkälte mindert. Außerdem sollen sie in großem Maßstab der Fischzucht dienstbar gemacht werden.“
Distelbarth, der nach eigener Aussage kein Anhänger des Kommunismus war, sondern seinem christlichen Leitbild folgte, würdigte die historische Leistung der damals sozialistischen Sowjetunion: „Wenn man selbst in der Sowjet-Union gewesen ist und begriffen hat, daß es sich bei diesen Unternehmungen nicht um Hirngespinste, sondern um Wirklichkeiten handelt, so wird man nachdenklich. Man kann es nur bedauern, daß bei uns diese Dinge mit einer gewissen saloppen Überheblichkeit behandelt werden, daß man gönnerhaft, geringschätzig davon spricht; so als hätte man es nicht nötig, so etwas ernst zu nehmen.“
Verlag Neuer Weg
(alle Zitate aus dem Buch „Rußland heute“ von Paul Distelbarth, erschienen 1954 im Rowohlt Verlag, Hamburg)